DEHOGA weist Gewerkschaftsvorwürfe entschieden zurück

Reaktion auf NGG-Warnung vor längeren Arbeitszeiten im Gastgewerbe


 von Symbol Nils Dinkel
© Symbol Nils Dinkel

Kreis Olpe. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hatvor einer Reform des Arbeitsgesetzes im Gastgewerbe gewarnt, die längere Arbeitszeiten vorsehe (LokalPlus berichtete). Dahinter stehe der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA). Der Verband weist die Vorwürfe in einer am Mittwoch, 23. August, herausgegebenen Pressemitteilung entschieden und mit deutlichen Worten zurück - und stellt klar: Die wöchentliche Höchstarbeitszeit solle erhalten bleiben; bei der täglichen Höchstarbeitszeit indes sei Flexibilität dringend erforderlich.


„Eine Unverschämtheit“ sagt Bernhard Schwermer, Kreisvorsitzender von DEHOGA Westfalen und Betreiber des Hotels Schwermer und des Ausflugslokals Rhein-Weser-Turm in Kirchhundem betreibt. „Mit keinem Wort hat der DEHOGA jemals so einen Blödsinn gefordert.“ Die NGG hatte am Dienstag, 22. August, in einer Pressemitteilung davor gewarnt, dass sich der Verband auch im Kreis Olpe im Gastgewerbe für Arbeitszeiten von bis zu 13 Stunden täglich und an bis zu sechs Tagen pro Woche einsetze.

Auch Lars Martin, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes, zeigt Unverständnis für die Behauptungen des Tarifpartners: „Mir scheint, dass der eine oder andere Mitarbeiter bei der NGG in letzter Zeit vielleicht selbst zu viel gearbeitet und zu wenig geschlafen hat. Anders kann ich mir eine solche Wahrnehmungsstörungen nicht vorstellen.“ Martin wird konkret: „Was wir vom DEHOGA fordern und seit langem gefordert haben, ist eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, keine Mehrarbeit. Wir möchten den Anforderungen einer modernen Arbeitswelt und auch den Wünschen vieler unserer Mitarbeiter Rechnung tragen und von der täglichen, hin zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit kommen. Am Ende der Woche bleibt es bei der jetzigen Höchstarbeitszeit.“
Einzelvertraglich maximal 46 Stunden pro Woche
Tarifvertraglich wären das ausweislich des Manteltarifvertrages zwischen DEHOGA und NGG dann weiterhin 39 Stunden pro Woche, die einzelvertraglich auf 46 Stunden erhöht werden können. „Damit sind wir weit entfernt von den 78 Wochenarbeitsstunden, die die Gewerkschaft als Schreckensszenario an die Wand wirft“, ergänzt Gastronom Schwermer. 

Schwermer weiter: „Dass bei uns dann gearbeitet wird, wenn andere Freizeit haben, ist bekannt. Die Arbeit an Abenden und Wochenenden liegt in der Natur unserer Branche. Die gut 2,1 Millionen Beschäftigten im Gastgewerbe in Deutschland wissen, dass die Betriebe gerade zu diesen Zeiten die notwendigen Umsätze generieren, um ihre Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Die Kritik daran ist völlig unverständlich und hat nichts mit dem Reformbedarf beim Arbeitszeitgesetz zu tun.“
Unbezahlte Überstunden eine „inakzeptable Behauptung“
Verbandsjurist Martin ergänzt: „Mit aller Entschiedenheit weisen wir den Vorwurf zurück, dass Überstunden nicht bezahlt würden. Diese inakzeptable Behauptung reiht sich ein in eine Reihe von pauschalen Anschuldigungen. Wenn es irgendwo Probleme gibt, verschließen wir uns selbstverständlich nicht den Lösungsvorschlägen unseres Tarifpartners. Die NGG sollte dieses Angebot lieber annehmen, anstatt durch Falschbehauptungen und pauschale Anschuldigungen die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder auf’s Spiel zu setzen.“

Die im Arbeitszeitgesetz geltende Höchstarbeitszeit von regelmäßig acht, im Ausnahmefall maximal zehn Stunden hält der DEHOGA für „nicht mehr zeitgemäß“. Stattdessen plädiert der Verband dafür, eine wöchentliche anstelle einer täglichen Höchstarbeitszeit einzuführen. „So könnten Arbeitszeiten individuell und flexibel auf die Woche verteilt werden, ohne die Gesamtarbeitszeit zu verlängern. Es geht uns explizit nicht um mehr Arbeit, sondern um eine bessere Verteilung. Gesundheitsschutz, Jugendarbeitsschutz und Mindestruhezeiten bleiben gewahrt“, erläutern Martin und Schwermer. Damit werde das Arbeitszeitgesetz an die „Lebenswirklichkeit“ angepasst – und in Richtung der europäischen Richtlinie von maximal 48 Stunden pro Woche. Ein Modell, das sich die Branche „auch für Deutschland“ wünsche und das die Flexibilität sowohl für Betriebe als auch für Mitarbeiter erhöhe. Zudem seien so nach längeren Diensten auch längere Ruhepausen möglich.
„Selbst bei bester Planung muss oft kurzfristig reagiert werden"
Eine tägliche Arbeitszeit von 13 Stunden „soll also keineswegs Alltag werden, aber möglich sein“. Dann, wenn die Veranstaltung länger dauert als geplant, das Wetter besser ist als vorhergesagt und der Biergarten voll ist oder sich der Reisebus verspätet und die Gäste dennoch zu Abend essen wollen. „Selbst bei bester Planung muss im Gastgewerbe oft kurzfristig reagiert werden, um Gästewünsche zu befriedigen – denn das ist unsere Aufgabe“, so Martin und Schwermer weiter. Beide führen hierfür  konkrete Beispiele an und verdeutlichen auch, warum eine Erhöhung der täglichen Arbeitszeit auch für Angestellte von Vorteil sein könnte.
  • Beispiel Hochzeit: Am Samstag findet die Hochzeitsfeier im Gasthof statt. Die Gäste treffen nach der kirchlichen Trauung um 17 Uhr ein. Die Arbeitszeit der Mitarbeiter begann um 15 Uhr. Das Veranstaltungsende war für 1 Uhr vorgesehen. Aufgrund der guten Stimmung wird es jedoch 4 Uhr. Aus verständlichen Gründen kann der Gastwirt nicht um 1 Uhr die Hochzeitsfeier beenden, denn dies wäre dann sicherlich die letzte Veranstaltung dieser Art in seinem Haus. Es ist ihm auch nicht möglich, im Laufe des Abends das Serviceteam auszuwechseln, da er auf Abruf ab Mitternacht keine Schicht vorhalten kann.
  • Beispiel Nebenbeschäftigung: Die in Teilzeit (25 Stunden) pro Woche arbeitende Bankangestellte verdient sich seit Jahren am Wochenende etwas in der Gastronomie hinzu, um sich kleinere Anschaffungen oder auch einen Urlaub gönnen zu können. Normalerweise passiert dies am Samstag oder Sonntag, hin und wieder jedoch stattdessen am Freitag von 18 Uhr bis 24 Uhr. Da sie an diesem Freitag in der Sparkasse von 8 Uhr bis 15 Uhr gearbeitet hat, darf sie am Abend nach dem Arbeitszeitgesetz eigentlich nur noch maximal 3 Stunden arbeiten. Das deckt die Zeit des sechsstündigen Abendservices nicht ab. Dieser Fall lässt sich auf hunderttausende Arbeitnehmer ausdehnen, die einer Nebenbeschäftigung nachgehen.
  • Beispiel Wetter: Der Biergartenbetreiber hat aufgrund der ursprünglichen Wettervorhersage das Serviceteam erst für 15 Uhr eingeteilt. Wider Erwarten scheint am Morgen die Sonne und zahlreiche Gäste strömen in den Biergarten. Für den nächsten Tag ist Regen vorhergesagt. Die Servicemitarbeiter fangen so bereits um 11 Uhr an zu arbeiten statt wie geplant um 15 Uhr und können aufgrund des großen Andrangs auch vor 23 Uhr am Abend nicht ihre Arbeit beenden. Da ein gutes Biergartengeschäft dieser Art nur an maximal 50 Tagen pro Jahr vorkommt, kann der Wirt an so einem Tag nicht wirklich um 20 Uhr seinen Betrieb schließen. Nicht nur die Gäste, sondern auch die Mitarbeiter hätten dafür kein Verständnis.
  • Beispiel Familie: In einigen Fällen besteht auch der ausdrückliche Wunsch der Arbeitnehmer, länger als 10 Stunden zu arbeiten, wie zum Beispiel die alleinerziehende Mutter, die zwei Tage je 12 Stunden statt dreimal 8 Stunden arbeiten will. In dieser Kombination verdient sie effektiv am meisten.
(Quelle: DEHOGA-Pressemitteilung)
„Für diese typischen Sachverhalte in der Branche brauchen wir Lösungen, die das derzeit geltende Arbeitszeitgesetz nicht bietet“, fordern die beiden DEHOGA-Vertreter. „Fakt ist auch, dass die rechtlichen Vorgaben nicht nur das Gastgewerbe vor Probleme stellt. Wir erwarten hier eine ehrliche und offene Diskussion beim Finden angemessener Lösungen, die den Bedürfnissen von Beschäftigten und Betrieben gleichermaßen Rechnung tragen.“ 

Abschließend liefern Schwermer und Martin Zahlen: Das Gastgewerbe habe in den letzten zehn Jahren 290.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen, was einem Plus von 38,5 Prozent entspreche. Mit 54.000 Auszubildenden gehöre die Branche immer noch zu den größten Ausbildern des Landes. Außerdem seien die Tariflöhne im Gastgewerbe in NRW in den vergangenen zehn Jahren überdurchschnittlich gestiegen: in der untersten Tarifgruppe (1) um 73,4 Prozent, in der Tarifgruppe 4 (ausgelernte Berufsanfänger) um Prozent und in der Tarifgruppe 10 (Führungskräfte) um 34,8 Prozent.
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