Bedrohliche Situation in den Wäldern: Borkenkäfer zerstören die Bäume

Waldsterben


  • Kreis Olpe, 27.10.2018
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Forst-Ingenieur Michael Sommer zeigt: Auch dieser Baum ist schon von den Borkenkäfern befallen. von Christine Schmidt
Forst-Ingenieur Michael Sommer zeigt: Auch dieser Baum ist schon von den Borkenkäfern befallen. © Christine Schmidt

Kreis Olpe. Momentan laufen die Waldarbeiten überall auf Hochtouren. Der Grund: Auch im Sauerland sind viele Bäume stark vom Borkenkäfer befallen. Das Ergebnis ist dramatisch, die Bäume sterben ab. Eine Lösung gibt es aktuell nicht. Michael Sommer, Forst-Ingenieur aus Wenden, sieht die aktuelle und zukünftige Situation sehr kritisch.


Dass der heiße Sommer auch seine Schattenseiten hat, ist mittlerweile klar: Die Natur musste – und wird immer noch – darunter leiden. Durch die hohen Temperaturen und den geringen Niederschlag vertrockneten auch die hiesigen Fichten.

Der Waldboden ist bis zu einer Tiefe von 1,80 Meter ausgetrocknet. Die Bäume haben keinen Wasseranschluss mehr. Ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer. Befallene und abgestorbene Bäume sind zuerst an herabrieselnden, oft noch grünen Nadeln, und dann an ihren dünnen Kronen und rot-braunen Ästen zu erkennen.
Zehn Millionen Festmeter sind in NRW befallen
Was sich nach einer Käfer-Plage anhört, hat enorme Auswirkungen: Die kleinen Insekten unterbrechen den Saftstrom der Bäume und sorgen somit für ihr Absterben. Rund 1,5 Milliarden Käfer können sich potentiell in einen Baum fressen, erklärt der Forst-Experte.

Der Käfer befindet sich unter der Rinde und vermehrt sich dort rasend schnell. Deshalb müssen die befallenen Bäume so schnell wie möglich aus dem Wald transportiert werden, um eine Vermehrung zu verhindern.

Laut Landesbetrieb Wald und Holz NRW heißt es, dass schon rund zehn Millionen Festmeter in NRW befallen und zerstört sind.
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„Es macht einfach keinen Spaß mehr, so zu arbeiten“, seufzt Sommer. Ob bei „Kyrill“ oder „Friederike“, beide Orkane haben an einem Tag ganze Flächen umgerissen. Aber dann blieb es auch bei dieser Fläche. „Jetzt ist es wie ein Hamster im Laufrad“, sagt Sommer. Der Käfer zerstöre erst das eine Gebiet, und in den nächsten Tagen fliege er wieder woanders hin. „Wir kommen mit dem Aufräumen des Waldes nicht hinterher“, so der Förster.

Dass sich das kaputte Holz schlecht verkaufen lässt, ist keine Frage. Menschen, die mit Holz ihr Geld verdienen, sehen ihre Existenz bedroht. Denn der Preis für einen Festmeter Holz ist rapide gesunken - Von 92,50 Euro auf rund 45 bis 50 Euro pro Festmeter.

Laut Sommer wird es durch die Käfer doppelt so viel Schadholz geben als im Jahr 2007 bei Kyrill.
"Die Gesellschaft schätzt die Bedeutung des Waldes nicht"
Er betont, dass aber nicht nur ein wirtschaftlicher Schaden entstehe, sondern dass ein Baum auch andere wichtige Aufgaben habe: den CO2-Speicher beispielsweise. Aber die Gesellschaft sei sich der Bedeutung des Waldes und seinem „Ökosystemleistungen“ nicht bewusst, so der Wendener. „Die Wertschätzung findet einfach nicht statt.“

Der Forst-Ingenieur erklärt weiter, dass beim Krisengipfel am 16. Oktober eine Empfehlung ausgesprochen wurde: Waldbesitzer sollten sich nicht mit den bereits abgestorbenen Bäumen beschäftigen, sondern diese erstmal sich selbst überlassen.

Zu retten gibt es dagegen noch etwas bei Bäumen, die „nur“ befallen sind: Diese sollten umgehend ins Sägewerk gebracht werden.
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Problematisch sehe es derzeit aber auch in den Sägewerken aus, erklärt Sommer. Denn diese bekämen dementsprechend viele Angebote, viele Holzlieferungen – und kämen vor lauter Arbeit nicht hinterher. 

Die „Waldleute“ wünschen sich für dieses Jahr einen nasskalten Winter. Nur der könne dem Borkenkäfer zusetzen, sagt Sommer. Kann der Borkenkäfer allerdings im März seinen ersten Flug starten, wäre das eine „Katastrophe“, ist sich der Wald-Experte sicher. „Das wird es dann gewesen sein: Die Fichte unter 400 Meter Höhenlage wäre dann weg.“
Waldbauern machen sich Gedanken über die Zukunft
Schon jetzt müssen sich Waldbauern Gedanken über die Zukunft machen. Gedanken darüber, womit sie in Zukunft aufforsten können und müssen. Wenn die Temperaturen steigen und sich der Niederschlag weiter verschiebt, kommen Fichten als Flachwurzler damit am schlechtesten klar.

Stattdessen zieht Sommer Lärchen, Douglasien, Zedern, Tannen oder Kiefern in Betracht, die einen wirtschaftlich bedeutsamen, hoffentlich klimaresistenteren Wald der Zukunft begründen sollen.

„Unser Wald wird sich radikal verändern“, betont Sommer. „Die Fichte als Brotbaum des Sauerlandes wird es irgendwann hier nicht mehr geben.“
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Bedrohliche Situation in den Wäldern: Borkenkäfer zerstören die Bäume
Brief an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet
Die Wälder, die die Region und ganz Deutschland zieren, könnte es so bald nicht mehr geben, glaubt Michael Sommer. Um dabei nicht machtlos zusehen zu müssen, schrieb er Anfang Oktober einige Zeilen an Armin Laschet. „Ganze Regionen werden innerhalb kürzester Zeit entwaldet“, warnt Sommer darin. Und: „Waldbesitzer und Forstleute werden vor schier unlösbare Aufgaben gestellt“.

Sommer wünscht sich, dass auch die Öffentlichkeit dieses Problems bewusst wahrnimmt. Über den „kleinen“ Hambacher Forst werde in den Medien so viel berichtet. Dass aber riesige Flächen direkt vor der Haustür der Menschen absterben, sei ihnen nicht bewusst, so der Förster. „Und das macht mich wütend.“
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