Aktive Integration durch Spracherwerb und Arbeit

IHK-Chef Gräbener fordert „politische Weichenstellungen“


IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. von Sven Prillwitz
IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. © Sven Prillwitz

„Ein großer Teil der eingewanderten Personen wird längerfristig in Deutschland leben. Je schneller es gelingt, diese Menschen in Ausbildung und Arbeit zu bringen, desto eher kann die zuweilen doch sehr emotional geführte politische Debatte um die Flüchtlinge auf eine sachlichere Grundlage gestellt werden. Dies setzt insbesondere in Berlin einige politische Weichenstellungen voraus“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener nach Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachen-Anhalt und Rheinland-Pfalz.


Nach wie vor flössen erhebliche Mittel in ein System, das dazu beitrage, Flüchtlinge eher von der Arbeit abzuhalten. Das mache wenig Sinn. Der Staat müsse ein zentrales Interesse daran haben, dass hier bleibende Zuwanderer ihren Unterhalt selbst verdienen könnten, sagte Gräbener. Es gebe schließlich keine bessere Integration als diejenige über den Beruf. Um nicht von vornherein eine Abhängigkeit der Flüchtlinge von staatlichen Transferleistungen zu zementieren, seien verschiedene Voraussetzungen zu schaffen, ergänzte der IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster: „Zunächst sollte nicht danach unterschieden werden, aus welchem Grund eine Rückführung nicht möglich ist. Befristete Aufenthaltsrechte müssen an den erkennbaren Willen zur Integration geknüpft werden. Dies ist nachprüfbar nachzuweisen, bevor die Aufenthaltstitel verlängert werden. Dazu zählen ausreichende Deutschkenntnisse, die Aufnahme von Arbeit oder Ausbildung beziehungsweise der Besuch von Schule oder anderen Bildungseinrichtungen.“ Die allgemeine Schulpflicht sollte für Einwanderer über 18 Jahre ausgeweitet werden.
Fenster fordert verpflichtenden Schulabschluss
Dem Grunde nach, so Fenster weiter, solle jeder Flüchtling einen deutschen Schulabschluss erwerben müssen, mindestens aber diejenigen, die unter 25 Jahre alt seien: „Das Nachholen von Schulabschlüssen muss daher auch älteren Migranten möglich sein. Und zwar ebenfalls auf einem Niveau, das eine dauerhafte Integration in den deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht“. Eine Befreiung sollte der Staat nur dann in Betracht ziehen, wenn entsprechende Kenntnisse nachgewiesen würden. Dabei sei der Spracherwerb das wichtigste Element der Qualifizierung von Flüchtlingen, jedoch für sich genommen nicht hinreichend, um tragfähige Brücken in den Arbeitsmarkt zu errichten. Klaus Gräbener: „Sprache ist Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein so wichtiges Element der Integration dauerhaft auf freiwilliger Basis sowohl der Einwanderer als auch der ehrenamtlich Unterrichtenden fußen kann. Insofern sollten Studenten, Lehrer im Ruhestand und auch unterrichtsfreie Zeiten genutzt werden, um den Spracherwerb zu organisieren.“ Dabei sei ein differenzierter und verbindlicher Zugang zum Sprachunterricht erforderlich, der sowohl die vorhandene Sprachkompetenz der Teilnehmer als auch die unterschiedlichen Angebote vor Ort (von VHS bis Arbeitsagentur) berücksichtige.
Restriktive Praktikumsregelungen
Insbesondere die restriktiven Regelungen für Praktika stellten einen Hinderungsgrund für die Einstellung von Geringqualifizierten dar. Und von denen gebe es unter den Flüchtlinge sehr viele. In vielen Fällen fehlten derzeit die grundlegenden Voraussetzungen für eine produktive Tätigkeit, was angesichts von Flucht und Vertreibung jedoch auch nicht wirklich verwundere. Klaus Gräbener: „Wer sein eigenes Einkommen erwirtschaftet, gewinnt Selbstsicherheit und Selbstachtung. Dies setzt neben der Sprachkompetenz vor allem berufliche Qualifikation voraus. Verfügt man weder über das eine noch über das andere, sinkt indessen der eigene Preis, den man im Beschäftigungssystem für seine Arbeit einfordern kann“. Genau an diesem Punkt konkurrierten die Flüchtlinge perspektivisch mit den Langzeitarbeitslosen und schwer vermittelbaren Personen. Um diesen Personenkreisen die Ängste zu nehmen und zugleich den Flüchtlingen Einstiegsperspektiven zu vermitteln, sollten nach Auffassung der IHK Unternehmen, die zusätzliche Arbeitsplätze für Flüchtlinge schafften, in ihrem Engagement unterstützt werden, etwa indem Sozialversicherungsbeiträge für alle neu eingestellten Geringqualifizierten halbiert würden. Auch Ausnahmen im Bereich des Kündigungsschutzes und der Lohnzusatzkosten könnten helfen, hier schnell zusätzliche Stellen zu schaffen.
Diskussionen über Mindestlohn
Beim „Mindestlohn“ werde die deutsche Arbeitsmarktpolitik im Ergebnis drei Alternativen haben. Klaus Gräbener: „Entweder senkt man den Mindestlohn allgemein. Dies scheitert am politischen Willen. Oder der Mindestlohn wird speziell für Flüchtlinge gesenkt. Dies wird man juristisch nicht durchhalten. Oder aber man zahlt Lohnkostenzuschüsse, um für die Unternehmen den Mindestlohn akzeptabel zu gestalten. Hierauf sollte man sich konzentrieren. Je schneller, desto besser“. Schließlich müssten auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass junge Flüchtlinge eine betriebliche Lehre bis zum Schluss durchlaufen könnten. Hierzu müssten sie Aufenthaltstitel für die komplette Ausbildungszeit plus mindestens zwei Jahre zusätzlich erhalten. Um möglichst hohe Übergangsquoten in eine betriebliche Lehre zu flankieren, müsse auch die Berufsvorbereitung stärker auf die Zielgruppe zugeschnitten werden. Klaus Fenster: „Das bedeutet, dass der Wert der deutschen Sprache stärker in den Mittelpunkt rückt, aber auch die Vermittlung mathematischer Grundkenntnisse. Auch hieran mangelt es.“ Schließlich sei eine gesetzliche Verankerung und Aufwertung von Teilqualifikationen im Berufsbildungsgesetz (BBiG) erforderlich. Teilqualifikationen müssten in das Prüfungswesen aufgenommen, Ausbildungsberufe entsprechend modularisiert werden. Es müsse ermöglicht werden, dass Flüchtlinge nach Erwerb modularer Qualifikationen in den Beruf eintreten und sich berufsbegleitend weiter – gegebenenfalls bis zum Erwerb des Vollabschlusses – qualifizieren können. Dem Ziel der raschen Integration seien grundsätzliche bildungspolitische Argumente unterzuordnen. (LP)
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