50 Prozent der regionalen Unternehmen melden Spitzenauslastungen

450 Betreibe nehmen am IHK-Konjunkturumfrage teil


 von Symbol Rüdiger Kahlke
© Symbol Rüdiger Kahlke

Kreis Olpe/Siegen. Beste Konjunkturstimmung im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK). Und das nahezu überall. Etwa jedes zweite Unternehmen in der Region meldet eine gute Lage. Deutlich mehr als ein Viertel der Firmen erwartet zudem eine bessere Entwicklung in den kommenden Monaten.


Der Konjunkturklimaindex als Zusammenfassung von Lageeinschätzungen und Erwartungen klettert gegenüber dem Jahresbeginn auf 130 Punkte. Dies entspricht einer weiteren Steigerung von 10 Punkten auf einen Wert, der seit über zehn Jahren nicht mehr erreicht wurde. Das sind die wesentlichen Ergebnisse der jüngsten IHK-Konjunkturumfrage in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe, an der sich rund 450 Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen beteiligt haben.

In fast allen Wirtschaftszweigen zeigen die Stimmungsbarometer nach oben, außer im Dienstleistungsgewerbe und im Stahlbereich. Bei den Dienstleistern bleibt das Konjunkturklima jedoch trotz eines kleinen Dämpfers auf hohem Niveau. Das Konsumklima fällt weiterhin relativ positiv aus. Eine gute Beschäftigungslage und höhere Einkommen sorgen für fördernde Rahmenbedingungen. Die Bauaktivitäten bleiben rege. Die heimischen Unternehmen profitieren von insgesamt wachsenden Konjunkturimpulsen in Europa und auf den Weltmärkten.
Steigende Nachfrage im Inland
„Die regionale Wirtschaft ist insgesamt auf bemerkenswert gutem Kurs und trotzt den nicht geringer gewordenen Unsicherheiten. Anhaltende geopolitische Krisen, Dieselaffäre und der jüngste Vertrauensverlust der Autoindustrie, steigender Protektionismus, Unstimmigkeiten in der EU, der Brexit, steigende Kosten, ein Wust an Bürokratie und so weiter. An Risiken für die heimische Wirtschaft mangelt es wahrlich nicht. Umso erstaunlicher ist die ausgeprägte Zuversicht“, fasst IHK-Präsident Felix G. Hensel die Konjunkturergebnisse zusammen.

Die heimische Industrie profitiert sowohl von einer steigenden Nachfrage im Inland als auch von Exportimpulsen. Der Industrieumsatz im IHK-Bezirk ist bis Juli im Inland um sieben Prozent gestiegen und im Ausland um zwölf Prozent. Insgesamt wurde gegenüber dem Vorjahr ein Plus von neun Prozent erzielt.
Investitionsneigung steigt
„Die Aussagen zu den Produktionsauslastungen und den Auftragseingängen fallen noch einmal positiver aus als zu Jahresbeginn. Fast noch wichtiger erscheint indessen, dass die Investitionsneigung der Betriebe im Inland wieder spürbar steigt. Zu geringe Investitionen waren der Wermutstropfen vergangener Umfragen. Auf eine solche Belebung hatten wir gehofft“, ergänzt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener.

Gut läuft es nach wie vor bei den Automobilzulieferern und den Herstellern von Bauvorprodukten. Diese überwiegen im Kreis Olpe. Dort fällt auch die Stimmung besser aus als in Siegen-Wittgenstein, wo die Hauptgewichte mehr im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Metallerzeugung und -bearbeitung liegen.
Unsichere Zielländer
„Die Bereiche nahe am Stahl zeigen sich zwar etwas entspannter als im vergangenen Jahr. Das ist erfreulich. Von einer guten Lage ist man hier aber oft meilenweit entfernt. Die Überkapazitäten, die vor allem aus Asien auf die Märkte geworfen werden, belasten nach wie vor auch regionale Unternehmen und gefährden dort Arbeitsplätze“, betont Klaus Gräbener.

Zudem gebe es international trotz der unter dem Strich gut laufenden Weltwirtschaft immer mehr unsichere Zielländer. Hierzu gehörten nicht nur Russland, die Ukraine, die Türkei und Iran. Auch in Südamerika brodele es in einigen Staaten. Ganz von den Unsicherheiten abgesehen, wie sich der US-Markt unter der Politik von Präsident Trump weiter entwickele.
Gegen innerstädtische Fahrverbote
Die Konjunkturumfrage fand vor der Bundestagswahl statt. Felix G. Hensel: „Wir müssen abwarten, ob und wie schnell sich eine neue Regierung bilden lässt. Unsere Unternehmen erwarten besondere Initiativen im Bürokratieabbau und zusätzliche Anstrengungen bei der Fachkräftesicherung. Das sind aus Sicht der Firmen neben verstärkten Investitionen in Breitband, Straßen, Brücken und Schienen die wichtigsten Themen, bei denen wir Substanzielles von der Politik der neuen Bundesregierung erwarten.“

Ob die Dieselaffäre oder der Vertrauensverlust der deutschen Automobilhersteller negative Auswirkungen für die regionale Wirtschaft haben, bleibe abzuwarten, so der IHK-Präsident weiter: „Jedenfalls sind die Unternehmen mehrheitlich gegen innerstädtische Fahrverbote, für eine Rehabilitation des Diesels und gegen eine Verteufelung des Verbrennungsmotors. Sie hoffen, dass das „Made in Germany“ durch die Dieselaffäre insgesamt keinen Schaden genommen hat.“
Risiko durch geopolitische Unsicherheiten
Die anhaltenden geopolitischen Unsicherheiten bleiben ein Risiko für die Weltwirtschaft. „Dazu gehört auch der wieder steigende Ölpreis, der Betriebe und Verbraucher künftig stärker belasten könnte“, führt IHK-Konjunkturexperte Stephan Jäger dazu aus. Für deutlich mehr als ein Drittel der Unternehmen stellten Energie- und Rohstoffpreise insgesamt ein Risiko für die weitere Entwicklung dar. Das Gleiche gelte für die Arbeitskosten.

Zu den Konjunkturergebnissen im Einzelnen:

In der Industrie meldet nahezu jeder Zweite eine gute Lage, nur zehn Prozent eine schlechte. Mehr als die Hälfte der Betriebe verzeichnet Spitzenauslastungen. Mehr als ein Drittel registriert steigende Auftragseingänge aus In- und Ausland. Gerade vom Export erhoffen sich die Firmen künftig mehr Impulse. Fast jedes dritte Industrieunternehmen blickt als Folge zuversichtlich nach vorne, nur neun Prozent skeptisch. Das Vertrauen in die weitere Entwicklung spiegelt sich in besseren Investitionsabsichten wider: Mehr als ein Drittel der Betriebe möchte dafür die Ausgaben im Land ausweiten, nur zwölf Prozent verringern.
Baugewerbe läuft gut
Im Baugewerbe läuft es weiter rund: 71 Prozent der Betriebe beurteilen ihre Lage als gut, kein Unternehmen als schlecht. Der Großteil ist hoch ausgelastet. Im ersten Halbjahr dieses Jahres sind in der Region gegenüber 2016 die Bauumsätze um 18 Prozent gestiegen und die Auftragseingänge sogar um 58 Prozent. Saisonal bedingt schrauben die Bauunternehmen ihre Erwartungen etwas zurück. Trotzdem setzt mehr als ein Fünftel auch künftig auf Steigerungen und zwei Drittel auf einen stabilen Verlauf.

Deutlich mehr als ein Drittel der Einzelhändler stuft die Lage als gut ein, nur sieben Prozent als schlecht. Die Kunden werden kauffreudiger eingeschätzt als zu Jahresbeginn. Ob etwa die Dieseldiskussion und die gestiegenen Spritpreise die Verbraucherstimmung belasten, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich sind die Rahmenbedingungen für den Konsum gut. Zudem steht das Weihnachtsgeschäft an. Infolgedessen erwarten 29 Prozent der Einzelhandelsbetriebe künftig bessere Geschäfte, nur 14 Prozent schlechtere.
Dämpfer im Dienstleistungsgewerbe
Mehr als jeder zweite Großhändler sieht sich in einer guten Lage, nur drei Prozent in einer schlechten. Sowohl produktions- als auch konsumnahe Betriebe berichten über im Saldo bessere Geschäfte als im Januar und blicken zuversichtlich nach vorne. Insgesamt rechnet so ein Drittel der Großhandelsbetriebe mit Zuwächsen in nächster Zeit und nur fünf Prozent mit Einbußen.

Das Konjunkturklima im Dienstleistungsgewerbe hat auf hohem Niveau einen kleinen Dämpfer bekommen. Annähernd jeder zweite Betrieb meldet aber weiterhin eine gute Lage, nur fünf Prozent urteilen negativ. Die Erwartungen sind nicht mehr so optimistisch wie zuvor, besonders bei den sonstigen Dienstleistern. Insgesamt gehen aber 72 Prozent aller Dienstleistungsunternehmen künftig von gleichbleibend auskömmlichen Geschäften auf. Weniger als ein Viertel erwartet Steigerungen, neun Prozent sind pessimistisch eingestellt.
Rückgang der Arbeitslosenquote
Der regionale Arbeitsmarkt ist nach wie vor in einer sehr guten Verfassung. Im September 2017 ging die Arbeitslosenquote auf 4,6 Prozent zurück. Vor einem Jahr lag sie noch bei 5,1 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen im IHK-Bezirk verringerte sich um 800. Die Einstellungsneigung bleibt ausgeprägt: Mehr als ein Fünftel aller Unternehmen möchte die Beschäftigung aufstocken, nur neun Prozent verringern. Über die Hälfte sieht im Fachkräftemangel ein Risiko für die weitere Entwicklung.
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