„100 Stimmen baden mit dem Orchester in Harmonien“

„Night of Sounds“: Interview mit dem musikalischen Leiter Michael Nathen


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 von Kerstin Sauer
© Kerstin Sauer

Attendorn. 150 Orchestermusiker und Choristen treten am 23. September bei der Volksbank-Gala „Night of Sounds“ in der Stadthalle Attendorn auf. Mit einem Repertoire aus Klassik, Rock, Pop und Operette, in Szene gesetzt durch modernste Licht- und Tontechnik, soll das Publikum in einer dreistündigen Show professionelle Musikunterhaltung aus der und für die Region erleben. Das Konzert wird veranstaltet von den Chören Gaudium, Aviva, Junger Chor Eslohe und der Jungen Philharmonie Lennestad, die Moderation übernimmt Gisbert Baltes. Rund vier Wochen vor der Gala spricht der musikalische Leiter Michael Nathen im Interview über das neue Programm, die Song-Auswahl und das Verhältnis von Arbeit und Stress.


Bei der „Night of Sounds“ (NOS) wird ein neues Programm gespielt. Worauf darf sich das Publikum in diesem Jahr freuen?

Wir haben ein neues Programm aufgestellt, das wieder die gesamte Bandbreite der Musik bedient. Wahren Rock’n´Roll wird man bei „Proud Mary“ von Creedance Clearwater Revival erfahren. Das Orchester-Arrangement orientiert sich hier an der unvergessenen Version von Tina Turner. Nicht wenige der Aktiven haben in den 90er Jahren ihre Jugend verbracht, und so kam der Wunsch auf, ein typisches Stück dieser Zeit zu spielen. Und so darf sich das Publikum auf „An Angel“ von der Kelly Family freuen. Für die NOS-Version stand die Version von Stefanie Kloß, gesungen in der Sendung „Sing meinen Song“, Pate.

Und natürlich haben wir wieder klassische Stücke dabei. „Love Divine, All Loves Excelling“ ist eine große Hymne aus England, die von einem 100-köpfigen Chor gesungen wird, Gänsehaut von Beginn an garantiert. Mit „Caledonia“ der Gruppe Celtic Women werden wir in diesem Jahr zum ersten Mal nach Irland und zum Irish Folk gehen. „Nessum Dorma“ ist mit Sicherheit eine der großen Herausforderungen für Tenöre. Wir sind sehr glücklich, mit Ralf Schmidt jemanden in den Chören zu haben, der diesen Titel authentisch interpretieren kann. Im letzten Jahr haben Christa Maria Jürgens und ich mit dem Gymnasium der Stadt Lennestadt das Leben von Paul Lincke in Form einer Operette in Szene gesetzt. Am 23. September wird man sein berühmtestes Stück „Berliner Luft“ hören.
Und dann haben wir im letzten Jahr ein Stück im Programm gehabt, welches dem Publikum und den Aktiven gleichermaßen gut gefallen hat und von dem keiner genug bekommen konnte. „Baba Yetu“ ist ein Stück in der Sprache Swahili und heißt „Vater unser“. Dieses Stück Afrika wird der Chor in diesem Jahr noch einmal interpretieren. Zudem freuen wir uns, dass in diesem Jahr wieder viele sehr junge Instrumental- und Gesangssolisten auf der Bühne sind.

Wie finden die Stücke eigentlich ihren Weg ins Programm?

Bei 150 Musikern gibt es immer sehr viele Ideen, und wir hören nie auf, diese weiterzuspinnen und auszuarbeiten. Es sind natürlich immer viel mehr Vorschläge vorhanden als wir in einem Konzert spielen könnten. Deshalb treffen wir uns am Ende des Jahres mit einem Team von Mitgliedern aus allen Vereinen und überlegen gemeinsam, wie das nächste Programm aussieht. Wir sind dabei immer auf der Suche nach Stücken, die man von einem großen Klangkörper mit Chor und Orchester noch nicht gehört hat.

Viele der Noten-Arrangements werden von Ihnen und Tobias Schütte aus Oberkirchen angefertigt. Wie entsteht eigentlich ein Arrangement für die „Night of Sounds“?

Wenn wir uns für einen Titel entschieden haben, dann beginnt ein Prozess, der aus einer Mischung von sehr viel Ausprobieren, Hören, Diskutieren und am Ende sicher auch solidem Musikerhandwerk besteht. Zu allererst überlegen wir zunächst, was der Kern dieses Stückes ist. Worauf kommt es an, welche Emotionen und Hintergedanken stecken darin? Wir hören uns oft verschiedene Interpretationen an, sitzen am Flügel, improvisieren und diskutieren und schreiben erste Noten aufs Papier; überlegen, welche Instrumentalisten und Gesangsstimmen passen und finalisieren am Ende die Partitur am PC. Spannend sind für uns dann natürlich immer die ersten Reaktionen der Musiker auf die Noten.
„Jagd nach der Emotionalität und Energie“
Chöre sterben aus, junge Leute gehen eher zu Casting-Shows als in die Chorprobe, das Publikum wird immer älter. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?

Man muss täglich dran bleiben und darf nicht stehen bleiben. Es gibt sicher nicht das eine Erfolgsrezept, um dauerhaft bestehen zu können, aber es gibt ein paar wichtige Punkte, die man immer im Blick haben muss. Wenn es gelingt, mit der Musik die Aktiven wie auch das Publikum emotional zu treffen, zu berühren, vor Freude oder auch mal traurig, dann löst es bei den Menschen etwas aus, das begeistert. Es ist sicher diese Jagd nach der Emotionalität und Energie, die man im Chor, im Orchester erzeugen muss, um sie transportieren zu können. Wer das einmal erlebt hat und diese Gänsehaumomente erlebt hat, der ist begeistert.
 von Kerstin Sauer
© Kerstin Sauer
Dabei ist es vollkommen unwichtig, ob man auf einer großen Bühne, in einer kleinen Kneipe, in einer Kirche oder im Proberaum spielt und singt. Musik gemeinsam erlebbar machen, das macht den Reiz aus. Dabei ist es ganz wichtig zu wissen, dass jeder Verein eine eigene Seele hat, die er musikalisch authentisch rüberbringen muss. Und wir sind sehr dankbar dafür, dass uns ein Publikum besucht, das aus allen Generationen besteht. Wenn ich durch den Vorhang gucke und einen Enkel neben seiner Oma im Publikum sitzen sehe, dann freut mich das außerordentlich. Musik kennt eben keine (Alters-)Grenzen.

Wie kann man bei der NOS mitmachen?

Das ist ganz einfach. Gerne einfach bei einer der Proben der Vereine vorbeikommen und anfangen.

Hobbymusiker, Laien und Profis - was sind denn für Vorkenntnisse erforderlich?

Das Wichtigste ist es zunächst einmal, Spaß an der Musik zu haben. Gerade in den Chören gibt es viele Quereinsteiger und Neueinsteiger. Im Orchester ist natürlich ein gewisser Ausbildungsgrad notwendig, um sich in diesem Klangkörper bewegen zu können. Aber was das Gesamtprojekt immer ausgezeichnet hat, ist, dass wir mit Musikern aus unserer Region spielen. Wir freuen uns immer sehr, dass auch Berufsmusiker einmal im Jahr zu diesem Konzert in die Heimat kommen und mit Nachwuchsmusikern spielen und singen.  

Die Tipps und Tricks, die hier am Rande weitergegeben werden, sind unendlich wertvoll und bringen geraden jungen Musikern innerhalb kürzester Zeit große Fortschritte. Spannend ist aber auch der umgekehrte Effekt, wenn die Jugend mit ihrer Unvoreingenommenheit und Leichtigkeit erfahrene Orchestermusiker Stücke neu erleben und interpretieren lässt.
„Ein einziges großes Teamwork“
Wie viel Arbeit, Anspannung und ggf. Stress steckt in so einem Projekt?

Natürlich sind es viele Stunden, die in die Vorbereitung und Durchführung fließen. Und das trifft auf jeden zu, der vor oder hinter der Bühne dabei ist. Die NOS ist ein einziges großes Teamwork. Und vor einem solchen Konzert erfährt man die notwendige Anspannung, die man braucht, um dann auch wirklich hochkonzentriert zu sein. Ich persönlich empfinde die Arbeit aber nicht als Stress. Wir haben ein hervorragendes Orga-Team, welches mir die volle Konzentration auf die Musik ermöglicht.

Zudem haben wir ein eingespieltes und professionelles Technik-Team. Für mich als Dirigent ist es das schönste technische Erlebnis, wenn wir die Bühne betreten, und alles funktioniert auf Anhieb. Und ich denke nicht darüber nach, dass gerade 70 Mikrofone aktiv sind, die ausgesteuert werden müssen, und wir in einem wundervollen Lichtbild stehen.

Was ist für Sie der besondere „Night of Sounds“-Klang und wie erzeugen Sie diesen?

150 Menschen auf den Punkt zu fokussieren und eine motivierte, konzentrierte Leistung zu erbringen, das ist unser Ziel. Dabei bearbeiten wir Stücke, die für Solisten, Orchester und Chor anspruchsvoll sind. Die Kombination verschiedener Genres stellt gesangstechnisch für den Chor eine große Herausforderung dar. Zudem spielen wir in Hallen, die seinerzeit nicht als Konzertsäle ausgelegt wurden und somit eine akustische Herausforderung darstellen. Das technische Gesamtergebnis mit Ton- und Lichttechnik erleben wir auch erst immer kurz vor der Aufführung gemeinsam. Wenn wir nach der Generalprobe so richtig warmgelaufen sind, spüren wir die Energie, die von dem gesamten Team freigesetzt wird.
 von Kerstin Sauer
© Kerstin Sauer
Für die Choristen ist es jedes Mal wundervoll, in diesem Klangkörper aus etwa 100 Stimmen dieses „Massenchorgefühl“ zu haben und dann mit dem Orchester als rotem Teppich regelrecht in Harmonien zu baden. Zudem haben wir das große Glück, mit Christa Maria Jürgens eine hervorragende Stimmbildnerin zu haben. Als ausgebildete Altistin versteht sie es, die Sänger kontinuierlich weiterzuentwickeln, Spaß an der technischen Beherrschung der Stimme zu vermitteln und besonders den Sängernachwuchs zu fördern.

Ein Blick in die Zukunft: Wie geht es mit der „Night of Sounds“ in den nächsten Jahren weiter?

Die „Night of Sounds“ wird 2018 im Juni in Schmallenberg stattfinden. Für dieses Konzert planen wir schon jetzt einige neue technische und musikalische Akzente. Zudem gibt es viele weitere Ideen wie die „Night of Sounds Broadway Show“, „Weihnachts-Gala“ oder „Rock Symphonie“. Nach der NOS ist zum Glück immer vor der NOS. Wir freuen uns sehr, dass wir immer wieder von Unternehmen aus der Region unterstützt werden, die es ermöglichen, Kultur mit Menschen aus der Region und für die Region erlebbar zu machen. Daher bedanken wir uns ganz herzlich bei der Volksbank Bigge-Lenne, Kirchhoff Automotive, der Stadt Lennestadt und der Stadt Attendorn.
Zur Person

Michael Nathen ist Kirchenmusiker und Diplomkomponist. Wohnhaft in Lennestadt, ist er als Arrangeur, Pianist, Organist sowie als Chor- und Orchesterdirigent tätig. Er ist u.a. seit mehr als 20 Jahren Chorleiter des Jungen Chor Eslohe und hat in den letzten Jahren viele musikalische Projekte entwickelt, geschrieben und im auf die Bühne gebracht. Konzertreisen führten ihn zu Auftritten in Europa, Kanada, den USA und nach Südafrika.
 
Tickets

Tickets sind in den Filialen der Volksbank Bigge Lenne, online unter www.nightofsounds.de und bei der Stadthalle Attendorn erhältlich (26 Euro für Mitglieder der Volksbank Bigge-Lenne und 29 Euro für Nicht-Mitglieder). Das Konzert beginnt um 19.30 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr).
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