„Wer uns ruft und braucht, hat keinen Plan B“
Ehrenamtliche Trauergleiterinnen im Interview
- Kirchhundem, 25.03.2022
- Verschiedenes
- Von Christine Schmidt
Kirchhundem. Barbara Grotmann und Brigit Limper sind ehrenamtliche Mitarbeiterinnen beim Camino-Hospizdienst. Die beiden Frauen begleiten Menschen, die sterben werden, in ihren letzten Stunden. Was sich für viele so schwer anhört, ist für beide Frauen eine Bereicherung.
Frau Limper, seit 20 Jahren begleiten Sie Menschen auf ihrem letzten Weg. Wie kam es dazu?
Limper: Damals habe ich von dem Qualifizierungskurs zur ehrenamtlichen Mitarbeiterin in der Zeitung erfahren. Ich wusste gar nicht, dass es so einen Kurs gibt. „Schaffe ich das?“, habe ich mich damals gefragt, als ich noch als Industriekauffrau gearbeitet habe. Es hat schon ein wenig Überwindung gekostet, mich anzumelden, aber dass ich nun 20 Jahre dabei bin, zeigt, dass ich das Richtige getan habe. Seitdem lebe ich viel bewusster, habe mich mit der Endlichkeit auseinandergesetzt und erfahre immer wieder so große Wertschätzung.
Wie sieht die ehrenamtliche Trauerbegleitung aus? Wie stellt man sich einen „Besuch“ vor?
Limper: In der Regel ist es so, dass eine Koordinatorin der Caritas bei den Angehörigen nachfragt, ob überhaupt Ehrenamt erwünscht ist. Wir gehen dann auf das ein, was die Menschen brauchen. Wie lange wir jemanden begleiten, kommt auf die Krankheit an. Ich habe auch schon Patienten 2,5 Jahre begleitet. Wir sind zum Beispiel viel einkaufen gegangen. Es ist immer ganz individuell.
Aber ebenso gibt es auch Situationen, wo man die so genannte Wache macht und am Bett sitzt, damit der Mensch nicht alleine ist. Wenn der Patient noch nicht in der Endphase ist, gehe ich einmal die Woche für ein bis zwei Stunden hin. Jeder Mitarbeiter kann sich das so einteilen, wie er Ressourcen hat.
Worüber möchten die Patienten mit Ihnen reden?
Grotmann: Es geht oft um ungeklärte Konflikte innerhalb der Familie, das beschäftigt die Menschen dann sehr. Gerade ältere Menschen, die zum Beispiel keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern haben. Wir versuchen dann teilweise sogar zu vermitteln und bieten Hilfe an.
Limper: Oft fangen Besuche aber auch einfach mit Smalltalk an und man trifft sich auf einen Kaffee – je nachdem in welcher Phase der Mensch ist. Es gibt auch Patienten, die haben eine größere Hemmschwelle, da muss man sich erst mal langsam kennenlernen.
Gerade wenn ich viele aus dem Dorf kenne, dann wollen sie aber zum Beispiel auch wissen, was gerade so los ist. Genauso erinnern sich viele in ihrer letzten Lebensphase an früher, an schöne Zeiten, Feiern und Urlaube. Dann versuchen wir, darauf einzugehen. Der Patient ist immer der Chef und entscheidet, worüber man spricht. Die Fähigkeit erlernt man im Kurs.
Grotmann: Man darf sich das nicht nur traurig vorstellen, es gibt nicht nur Tränen. Wir lachen auch viel und machen unsere Späße.
Das Thema Tod wird oft taburisiert. Haben Sie durch Ihre ehrenamtliche Arbeit eine andere Ansicht zum Tod?
Grotmann: Durch meine Arbeit fokussiere ich mich nur auf dieses Thema. Wer uns ruft und braucht, der hat keinen Plan B mehr. Der Mensch ist dem Tode geweiht. Und die Zeit, die ihm noch bleibt, möchten wir so angenehm wie möglich gestalten und gute und wertvolle Momente schaffen.
Das Leben ist nicht unendlich. Wenn man sich damit abgefunden und keine Angst hat, sieht man den Tod als völlig natürlich an. Man darf nicht hinterfragen, warum hat es diesen Menschen jetzt getroffen. Davon muss man sich frei machen. Ich bin in diesen Ausnahmesituation auf so ehrliche Menschen getroffen. Und man wird immer wieder zurück geholt auf den Boden der Tatsachen.
Sind Sie auch in Kontakt mit den Angehörigen?
Limper: Ja, teilweise reden wir sehr viel mit den Angehörigen und bieten Trauerbegleitung an. Die schützen sich oft gegenseitig, daher ist es eine Entlastung, auch mal mit einer anderen Person zu sprechen. Die Familien bedanken sich immer für die Unterstützung. Für viele ist es eine Sicherheit, wenn sie wissen, dass sie uns anrufen können. Einfach zu wissen, da ist jemand, gibt ihnen Kraft.
Wie wertvoll war der Camino-Qualifizierungskurs für Sie?
Limper: Die Teilnahme an dem Kurs würde ich immer wieder als eine Investition in sich selbst bezeichnen.
Vorher sieht man nur sich selbst mit seinen Sorgen. Im Kurs öffnen sich die Menschen, die mitmachen, und man merkt auf einmal, dass man mit keinem tauschen möchte. Man kommt einfach mit sich ins Reine, lernt viel über sich selbst. Man lernt auch so viele neue Menschen kennen, auf die man sonst nie getroffen wäre.
Grotmann: Ich habe die Schulung vor einem Jahr gemacht, weil man einfach nie auslernt. Ich habe interessante Menschen kennengelernt und jeder im Kurs hat seine ganz eigene Motivation. Für jeden ist es eine Bereicherung, weil man sich mit vielem intensiv auseinander setzt.
Info
Eine neuer Qualifizierungskurs startet mit einem unverbindlichen Informationsabend am Donnerstag, 7. April, um 18 Uhr in Attendorn, Lennestadt und Olpe. Anmeldungen bis zum 31. März per Mail an camino@caritas-olpe.de oder unter Tel. 02761/9021-0.