Sagen aus dem Sauerland: Der Krähenpfuhl bei Kirchhundem

Schauer-Märchen zu Halloween aus dem Kreis Olpe


 von © SSilver / lia
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Kirchhundem. Halloween – einst ein irischer Brauch, längst nach US-amerikanischer Ausprägung auch in Deutschland fest im Terminkalender verankert. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November sind gruselige Verkleidungen und Partys mit schauriger Atmosphäre angesagt – und natürlich Horrorfilme, von Klassikern wie etwa „Halloween“ über „Scream“ bis hin zum aktuellen Kinoschocker „Es“. Allerdings braucht es gar nicht unbedingt die fiktiven Schauermärchen aus der Ferne, wenn es auch vor der eigenen Haustür unheimliche Mythen gibt. Solche finden sich in dem bereits in den 1930er Jahren erschienenen und 1983 neu aufgelegten Buch „Sagen des Sauerlands“. Sechs davon stellt LokalPlus an Halloween vor. In dieser geht es um den Untergang eines Schloss, vor dem die Leiche eines Mädchens gefunden wurde.


„Am Stüvelhagen bei Kirchhundem, hart an der Grenze des Sachsenlandes, gegenüber dem Gebiete der Franken, stiegen in altersgrauen Zeiten die Zinnen, Säulen und Hallen eines dunklen Schlosses wuchtig in den Himmel. Dräuend schauten sie als Sachsenfeste in das weit vorgelagerte Frankenland hinein. Mochte auch der fromme Frankenkönig Karl der Große seine Boten des christlichen Glaubens unter die Sachsenstämme senden, trutzig verschloß ihnen Graf Hermann Lutz, der auf der roten Burg hauste, Herz und Ohr, ja verjagte gar aus seinen Landen.

Mochte seine fromme Mutter auch dem Christenglauben anhangen, er diente in wildem Hasse den alten heidnischen Göttern. Mochte sie zu Füßen des Gekreuzigten blutige Tränen weinen um den mißratenen Sohn, er schwelgte und praßte mit wilden Gesellen Tag und Nacht. Und wie die Mutter vor Kummer starb, da rannen ihre letzten Tränen wie ein Quell zu Tal, der heute noch entspringt und Lutzensprinnt genannt wird.
Junges Mägdelein verschleppt
Frauen und Mägdelein schleppte der Wüstling auf seine feste Burg und zwang die Bewohner ringsum, ihm zitternd den Zehnten zu zahlen. Eines Tages brachte er ein geraubtes Christenmädchen, Christina genannt, in seine Burg. Zwar war es noch jung an Jahren, doch todesmutig widersetzte es sich allen Anmaßungen des bösen Ritters.

Er wollte es zwingen, wie man einen Fuchs und einen Falken zähmt. Die Tränen und Klagen des blassen achtzehnjährigen Kindes aber stiegen Tag und Nacht zum Himmel um Schutz und Hilfe. Der christliche Glaubensbote, der Christina getauft hatte, stieg kühn zur Zwingburg empor, trat furchtlos vor den Wüstling und hielt ihm seine Frevel vor. Wie ein dräuendes Ungewitter flossen die Warnungen und Drohungen des Gottesmannes von seinen Lippen.
Starkes Unwetter tobt über der Burg
Allein der grimme Graf lachte der Reden und ließ den unbequemen Mahner mit Hunden aus der Burg hetzen. Spät am Abend aber erbebte der Stüvelhagen in seinen Grundfesten, grollendes Unwetter stieg rasch empor und ließ die Erde unter wuchtigen Schlägen wanken. Grelle Blitze wie glühendrote Schlangen umzüngelten das ragende Schloß, leckten an Tür und Tor und schmolzen die Riegel. Mit fliegenden Haaren entfloh Christina dem Kerker und sprang in den breiten, die Burg umgebenden Graben.

Das rote Schloss wankte und sank in die gierigen Fluten, die Mann und Maus verschlangen. Am anderen Morgen wogten die Wellen an der Stelle, wo ehedem die Burg gestanden, und auf den Wassern trieb, zum Entsetzen der Eltern Christinas, gleich einer Lotosblume der Körper ihres entführten Kindes. Als man es aber herausgezogen und auf den Rasen gelegt hatte, schlug das Kind die blauen Augen auf und sprach: „Weine nicht, Mutter, der Ritter tat mir nichts!" Dann hauchte es seine engelgleiche Seele aus. Nach tausend Jahren fand man den unschuldigen Körper Christinas noch unversehrt im Sarge.“
Buchinformationen:
Erscheinungsjahr: 1983

ISBN: 3-922-659-56-X
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