Neue Perspektiven für psychisch erkrankte Menschen

Heute ist Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung


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Michael Damm, Melanie Kusniesz, Berthold Hesse und Dennis Kühr sind durch verschiedene Ereignisse in ihrem Leben psychisch erkrankt und wurden arbeitsunfähig. Sie sind dankbar, dass sie in der Werthmann-Werkstatt in ihrem Arbeitsleben gefördert werden. von Werthmann Werkstatt
Michael Damm, Melanie Kusniesz, Berthold Hesse und Dennis Kühr sind durch verschiedene Ereignisse in ihrem Leben psychisch erkrankt und wurden arbeitsunfähig. Sie sind dankbar, dass sie in der Werthmann-Werkstatt in ihrem Arbeitsleben gefördert werden. © Werthmann Werkstatt

Kreis Olpe. Mit dem am Sonntag, 3. Dezember, von den Vereinten Nationen (UNO) ausgerufenen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung sollen die Würde, die persönlichen Rechte und das persönliche Wohlergehen betroffener Menschen in den Fokus gerückt werden. Für die rund 600 Mitarbeiter der Werthmann-Werkstätten im Kreis Olpe ein besonderer Tag. Sie sind geistig, körperlich, psychisch oder mehrfach behindert und erkrankt und werden durch gezielte Maßnahmen in den vier Werkstätten im Arbeitsleben gefördert.


Verschiedene Ereignisse lösten bei Berthold Hesse, Melanie Kusniesz, Michael Damm, Dennis Kühr und Saskia Zimmer (letzterer Name geändert) Depressionen aus und führten zur Arbeitsunfähigkeit. In der Nebenstelle Welschen Ennest der Abteilung Olpe für psychisch erkrankte Menschen erhielten sie neue Perspektiven. Sie sind sehr dankbar für die Chance, durch die Beschäftigung wichtige Alltagsstrukturen und Integration in die Gesellschaft erfahren zu dürfen.
Tiefes Loch
„Als meine Mutter schwerkrank wurde, habe ich meine Arbeit als Hausmeister aufgegeben und sie jahrelang gepflegt. Nach ihrem Tod brach alles über mir zusammen und ich fiel in ein tiefes Loch. Ich hatte niemanden mehr und bekam starke Depressionen“, so Berthold Hesse.

Seit drei Jahren ist der 60-Jährige in der Abteilung Montage und Verpackung eingesetzt. „Das ist für mich ein Glückfall. Ich kann nicht den ganzen Tag Zuhause sein. Hier gefällt es mir sehr gut. Ich kann arbeiten und mich unterhalten. Die Kollegen sind alle gute Kumpels.“
Einsame Wochenenden
Vor den Wochenenden graut es ihm. „Dann bin ich Zuhause allein mit meinen beiden Kanarienvögeln und fühle mich sehr einsam.“ Momentan macht ihm auch die dunkle Jahreszeit zu schaffen, womit viele Menschen mit Depressionen Probleme haben. Hesse: „Ich bin jeden Montag froh, wieder zur Arbeit gehen zu können.“

Starke Drogenexzesse lösten bei Melanie Kusniesz bereits in ihrer Jugend Depressionen aus, die durch erfolglose Therapien verstärkt wurden. Durch ihre Erkrankung war sie nicht mehr fähig, ihrer Arbeit als Montagearbeiterin nachzugehen.
Langzeittherapie
Erst eine Langzeittherapie brachte vor einigen Jahren Erfolg. Die 47-Jährige, die in einer Wohngruppe in Altenhundem lebt, ist seit 2009 Mitarbeiterin der Montagegruppe und sehr froh über die Chance: „Hier kann ich arbeiten, bekomme ein Mittagessen, bin unter Leuten und kann etwas tun für meine Rente.“

Michael Damm war früher Gerüstbauer und Dachdecker. Durch eine Psychose wurde er arbeitsunfähig und ist seit drei Jahren Mitglied der Montagegruppe. „Seitdem habe ich eine Tagesstruktur und kann mir zu meiner Erwerbsunfähigkeitsrente etwas dazu verdienen. Das Umfeld ist in Ordnung“, berichtet der 44-Jährige.
Selbstbewusstsein wird gestärkt
Achim Scheckel, Teamleiter der Werthmann-Werkstätten in Welschen Ennest, lobt vor allem Michael Damms Eignung zu wechselseitiger Arbeit und seine Fähigkeit, Erfahrungen an andere Beschäftigte weiterzugeben. „Das stärkt mein Selbstbewusstsein“, so der Mitarbeiter.

Bereits im 18. Jahr ist Dennis Kühr Mitglied der Montagegruppe in der Werkstatt Welschen Ennest. Er bekam durch seine Epilepsie bereits in jungen Jahren einen schweren Schlaganfall, war halbseitig gelähmt und saß einige Zeit im Rollstuhl. In der Werkstatt hat er trotz seines Handicaps - sein linker Arm ist nach wie vor gelähmt und er ist stark in der Mobilität eingeschränkt - erstaunliche Fortschritte in seiner Entwicklung gemacht.
Hoffnung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
„Ich gehe sehr gerne jeden Tag hierhin. Hier habe ich Freunde gefunden und werde sehr gefördert und gefordert durch die Gruppenleiter der Werkstätten. Inzwischen verrichte ich zusätzlich Zuführarbeiten am Lager“, sagt der 36-Jährige, der auch in einer Wohngruppe in Altenhundem lebt. Er wünscht sich, dass es mit seiner Entwicklung weiter bergauf geht, so dass er irgendwann in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden kann, was zu den Zielen der Werkstätten gehört.

Dieses Vorhaben unterstützt Achim Scheckel gerne: „Die Belastbarkeit von Dennis Kühr ist größer geworden und sein Verantwortungsbewusstsein und seine Leistungsfähigkeit sind gewachsen. Es ist eine sehr positive Entwicklung.“

Saskia Zimmer war nach ihrer Ausbildung sechs Jahre in der Endkontrolle eines Industrieunternehmens tätig. „Dort wurde ich total ausgenutzt, bis mir mein Körper sagte, es geht nicht mehr.“ Mit schweren Depressionen kam sie ins Krankenhaus und absolvierte mehrere Rehabiltationsmaßnahmen. Bei einem Praktikum im Krankenhaus zeigte sich, dass sie für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr geeignet ist. „Ich bin sehr schnell erschöpft und quäle mich dann durch den Tag“, berichtet die 36-Jährige, deren Ärztin ihr dann zu einer Tätigkeit in den Werthmann-Werkstätten riet.
Schock-Diagnose
„Das war für mich zunächst ein Schock. Ich habe mich gefragt, was ich da soll. Ich habe das verbunden mit kranken Leuten, die nichts anderes machen, als Teile zusammenzustecken“, gibt sie ehrlich zu. Doch sie wurde eines Besseren gelehrt.

„Es gibt hier verschiedene Berufsbildungsmaßnahmen, und da ich gute Computerkenntnisse habe, wurde ich in dem Arbeitsbereich der digitalen Archivierung eingesetzt. Das ist bedingt durch die Anforderungen an eine hohe Konzentration ein anspruchsvolles Arbeitsfeld. Deshalb wechseln wir uns in den Arbeitsschritten ab. Das Gute ist, dass ich mich hier jederzeit zurückziehen und ausruhen kann, wenn ich merke, dass die Belastung zu groß wird. Das ist ein großer Unterschied zum allgemeinen Arbeitsmarkt und darüber bin ich sehr dankbar.“
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