„Meine Pfunde gehören zu mir und ich stehe zu meinen Kurven“
Model für den Fräulein Kurvig-Kalender
- Kirchhundem, 09.11.2023
- Verschiedenes
- Von Christine Schmidt

Selbecke. Es gab Zeiten, da hat sie sich wegen ihrer Figur versteckt. Heute steht Jennifer Baumeister zu ihren Kurven. Bis die 36-Jährige das selbst über sich sagen konnte, hat es gedauert. Den Anstoß gab ihr „Fräulein Kurvig“, in deren Kalender die Selbeckerin im nächsten Jahr zu sehen ist.

Mit ihren langen, dunklen Haaren und dem hübschen Gesicht ist Jennifer Baumeister das Bild einer Frau. Sie sitzt in ihrer Küche, hält eine Tasse Tee in den Händen und trägt eine bunte, geblümte Bluse. „Das ist noch nicht lange so“, erzählt die Dreifach-Mama. „Früher war mein Kleiderschrank grau und schwarz. Erst seit diesem Jahr traue ich mich, bunt zu tragen und mal aufzufallen.“
Endlich kann die junge Frau sagen: „Ich bin schön, so wie ich bin. Ich mag mich und bin gut so.“ Erst seit Kurzem kann die 36-Jährige so über sich sprechen. Denn Hänseleien und blöde Sprüche in der Pubertät haben ihre Spuren hinterlassen. Viele Tränen nach der Schule gehörten zu ihrem Alltag.

„Das prägt natürlich ein Leben lang“, sagt die Selbeckerin. Und irgendwann fange man aus Frust an, noch mehr zu essen. „Niemand möchte etwas mit dir zu tun haben, weil du anders aussiehst“ - so etwas habe sie sich damals eingeredet.
Die Folge: Jennifer zog sich zurück, versteckte sich, ging nicht raus und wurde zum stillen Mäuschen – weil sie sich für ihre Figur schämte. „Ich wollte einfach nicht auffallen“, erinnert sich die gelernte Hotelfachfrau zurück. Auf Partys gehen und tanzen? Nein, sie stand lieber in der Ecke und passte auf die Handtaschen auf. „Ich dachte einfach, es sei peinlich, mit mir wegzugehen“, so Jennifer.

Erst Jennifers erste feste Beziehung damals brachte einen „Cut“. Sie merkte, wie es ist, geliebt zu werden, und das trotz ein paar Pfunden zu viel. Sie ging raus, auch wenn sie sich nicht wohlfühlte.
2009 kam ihre erste Tochter zur Welt. „Da konnte ich mich nicht mehr verstecken“, erzählt die 36-Jährige. Sie wollte ihrer Tochter etwas bieten und musste raus, traf sich mit anderen Müttern und ging auf den Spielplatz. „Das war der Moment, als ich etwas freier geworden bin“, erzählt sie.

Vor zwei Jahren dann ein erneuter Schlag: Die heute 36-Jährige bekam die Diagnose Lipödem. Das ist eine krankhafte Fettverteilungsstörung, die Schmerzen und Spannungsgefühle in Armen und Beinen verursacht und hauptsächlich Frauen betrifft. „Das war eine absolute Talfahrt für mich“, sagt Jennifer. „Ich habe mich wieder so geschämt und gedacht, ich kann mich nur noch einschließen.“
Nach langen Recherchen im Netz bezüglich der Krankheit stieß Jennifer Baumeister auf die Seite von Fräulein Kurvig – eine Plattform für Frauen mit Kurven, dem Thema Selbstliebe und Diversität. „Und die Frauen dort sahen bombe aus“, staunte die Mutter von drei Mädels. Ihre älteste Tochter sprach ihr Mut zu: „Mama, da kannst du doch mithalten!“

Fräulein Kurvig bringt jedes Jahr einen Kalender heraus. Auch für die Auflage 2024 konnten sich Frauen bewerben. Soll ich, soll ich nicht? Das Gedankenkarussell bei Jennifer Baumeister lief auf Hochtouren.


Nach viel Zustimmung von Freunden und Familie, vor allem aber von ihrem Mann, schickte die Dreifach-Mama ihre Infos ab. Das Interessante: Fotos waren nicht gewünscht, nur Eckdaten. Live über die Sozialen-Medien verkündete Melanie Hauptmanns, Gesicht hinter Fräulein Kurvig, die Models für den neuen Kalender. Leider kein Anruf für Jennifer.
Die junge Frau hatte schon damit abgeschlossen, als tags drauf der Anruf kam: „Du bist dabei!“ Jennifer Baumeister flippte völlig aus: „Nach dem Anruf bin ich zwei Meter gewachsen“, strahlt sie.


Das große Shooting stand im August an. Jennifer ziert mit zwei weiteren Models das Januar-Blatt. Mit einem Rockabilly-Kleid, rotem Band in den Haaren und tollem Make-Up sitzt sie in einem Diner. Sie strahlt, wenn sie von diesem Tag erzählt. „Es tat schon sehr gut, so viel positives Feedback zu bekommen.“

Und ihre Reise bei Fräulein Kurvig geht weiter: Jennifer Baumeister ist im Finale für den Wettbewerb „Fräulein Kurvig 2023“. Im Dezember findet die große Gala in Krefeld statt, wo sie sich mit den anderen 23 Finalistinnen auf dem Cat-Walk beweisen kann. „Das wäre natürlich der Hammer. Die drei Erstplatzierten werden in eine Modelkartei aufgenommen.“
Seit Fräulein Kurvig hat sich das Leben und vor allem die Denkweise der jungen Mutter komplett geändert. Früher hatte sie Probleme, mit Menschen offen zu sprechen. „Ich bin viel mutiger geworden und habe gelernt, mich und meinen Körper anzunehmen“, sagt sie selbstbewusst. „Meine Pfunde gehören zu mir und ich stehe zu meinen Kurven. Ich bin genug und perfekt mit jeder Faser.“
Genau das möchte die selbstbewusste Frau anderen mit auf den Weg geben: „Sie sollen den Mut haben und aus sich raus kommen. Niemand muss sich wegen seiner Figur verstecken. Denn wie heißt es bei Fräulein Kurvig so schön: Das Schönste an dir bist Du!“
