Kirchhundems Bürgermeister Andreas Reinéry gibt Abschiedsinterview

Abgewählt nach sechs Jahren


  • Kirchhundem, 30.10.2020
  • Politik
  • Von Nils Dinkel
    Profilfoto Nils Dinkel

    Nils Dinkel

    Redaktion

Topnews
Der scheidende Bürgermeister Andreas Reinéry. von Nils Dinkel
Der scheidende Bürgermeister Andreas Reinéry. © Nils Dinkel

Kirchhundem. Er strahlt absolute Coolness aus und bringt es bis zur letzten Minute zu Ende. Andreas Reinéry, Bürgermeister der Gemeinde Kirchhundem, dreht am Freitag, 30. Oktober, letztmals den Rathausschlüssel um. Bevor es soweit ist, stand er für LokalPlus noch einmal für ein Interview bereit.


Nach sechs Jahren kehren Sie dem Sauerland den Rücken – wo zieht es Sie jetzt hin?

In den Schoß der Familie und dahin, wo ich helfen kann. Genaue Pläne habe ich noch nicht gefasst.


Was waren für Sie die bedeutendsten Projekte, die Sie auf den Weg gebracht haben?

Nicht einige wenige, vielmehr das Zusammenwirken aller Einzelteile wie Haushaltssanierung, das integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept für Kirchhundem, Breitbanderschließung, sanierte Schullandschaft, bestgerüstete Feuerwehr, Fortgang bei Mobilität und Radwegebau etc. und unser Beitrag zur Vollbeschäftigung und Wirtschaft.


Wichtig war mir ein System- und Mentalitätswechsel in der Verwaltung, Entwickeln von Methodenkompetenz, Hinwendung zu Projekt- und Konzeptentwicklung, und Fördersystematik; aber auch Selbstvertrauen und Mut. Das ist gelungen! Kirchhundem ist zukunftsfähig aufgestellt.


Welche Projekte/Ideen hätten Sie noch gerne weiter in Angriff genommen?

Das Gewebeflächenkonzept, ein richtiges Sport- und Kulturstättenkonzept, die erfolgreiche Fertigstellung der Städtebauentwicklung in Welschen-Ennest, die angemessene Wind-Vorrangzonenausweisung für Kirchhundem und die Fortsetzung der Verwaltungs-Reorganisation.


Es gibt natürlich noch vieles mehr, wo ich hätte anknüpfen wollen. Das sind langfristige Konzeptionen, die auch planungsrechtlich einfach ihre Zeit brauchen und deshalb nach sechs Jahren nicht fertig sein konnten. Die hätte ich gerne auf den abschließenden Weg gebracht – die Straße dahin ist gelegt.

Bürgermeister Andreas Reinéry hätte gerne an seiner bisherigen Arbeit angeknüpft. von Nils Dinkel
Bürgermeister Andreas Reinéry hätte gerne an seiner bisherigen Arbeit angeknüpft. © Nils Dinkel

Die Ratssitzungen haben immer für Zündstoff gesorgt. Was glauben Sie: Wo lagen die Ursachen?

Gott sei dank. Ich sehe es nach wie vor als guten Charakterzug, dass ich mein Herz auf der Zunge habe und die Dinge so sage, wie ich sie habe. Zuweilen auch ungeschützt, aber immer authentisch. Die hitzigen Diskussionen im Rat haben auch absolut zu Entscheidungen geführt. Diskussionen und Temperament gehören bei Ratssitzungen hinzu.


Es ist ein belebendes Element der Demokratie, solang fair und nicht unlauter, etc. zugeht. Da haben wir Rheinländer, den Westfalen wahrscheinlich doch einiges voraus. Seit fünf Jahren prangt ein weiser Spruch an der Wand hinter meinem Schreibtisch ‚Du kannst niemals alle mit deinem Tun begeistern. Selbst wenn du übers Wasser laufen kannst, kommt einer daher und fragt, ob du zu blöd zum schwimmen bist.‘


Sechs Jahre Bürgermeister in Kirchhundem: Was werden Sie vermissen?

Die Kollegin, die mir jeden Morgen ‚die Leviten liest‘. Aber auch die Chance, die sich unserer Gemeinde bieten, Leben einzuhauchen, Kirchhundemer Ziele zu definieren und engagiert den Erfolg zu suchen.


Wie gehen Sie damit um, dass ein Kollege aus dem eigenen Haus nun Ihren Posten übernimmt?

Professionell, anständig, entspannt.


Sie haben angekündigt, jetzt mit 56 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Was sind Ihre Pläne?

Trotz 40 beamteter Dienstjahre wähne ich mich voller Schaffenskraft und Tatendrang. Das Schicksal meint es ausgesprochen gut mit mir, schenkt mir bei bester Gesundheit viel Zeit und Sicherheit. Für meine sehr privilegierte Situation empfinde ich Demut und Dankbarkeit.

Sechs Jahre lang war das Kirchhundemer Rathaus der Arbeitsplatz von Bürgermeister Andreas Reinéry. von Nils Dinkel
Sechs Jahre lang war das Kirchhundemer Rathaus der Arbeitsplatz von Bürgermeister Andreas Reinéry. © Nils Dinkel

Ich werde meine Masterarbeit zum Thema Klimaschutz fertig schreiben und meine Kids durch Schule und Studium begleiten. Auf jeden Fall möchte ich meinen alten Eltern etwas Zeit zurück geben und meiner Frau gehörig auf den Nerv gehen. Mit den restlichen 90 Prozent der Zeit fange ich nur an, was Freude bereitet. Dazu zählen Paragliden an der Nordhelle und in den Dolomiten (Alpen), der schönsten Landschaft auf dieser Erde und meiner zweiten Heimat.


Kehren Sie der Politik jetzt ganz den Rücken?

Wir durchleben über Borkenkäfer, Klimawandel und Corona hinaus eine Zäsur. Manche sprechen von Zeitenwende, die jeden, auch mich, zur Übernahme von Verantwortung auffordert – aber auch den Fokus auf den Gedanken des ‚memento mori‘ (Sei dir der Sterblichkeit bewusst, Anm. d. Red.) richtet. Will sagen, ich werde mit großer Achtsamkeit meine weiteren Wege gehen.

Der scheidende Bürgermeister Andreas Reinéry. von Nils Dinkel
Der scheidende Bürgermeister Andreas Reinéry. © Nils Dinkel

Letzter Arbeitstag am Freitag: Fällt es Ihnen schwer, den Rathausschlüssel letztmals herumzudrehen?

Nein das fällt mir nicht schwer. Den habe ich quasi jeden zweiten Tag verlegt. Ich gehe immer mit zwei lachenden Augen – und mit Gott. Das habe ich Zeit meines Lebens so gehandhabt. So geht es auch weiter. Ich verlasse das Rathaus mit ausschließlich guten Gedanken. Ohne Abschiedsschmerz und ohne Trauer. Ich freue mich auf meinen neuen Lebensabschnitt. Die tragenden Säulen des Rathauses dürfen gerne weiter auf mich zukommen. Das wissen sie auch und werden sie auch machen. Aus einigen Kollegen sind Freunde geworden mit denen ich in guter Gemeinschaft viel erreicht habe. 


Coronabedingt: Hätten Sie sich einen anderen Abschied gewünscht?

Daran habe ich gar keinen Gedanken verloren. Es ist einfach derzeit nicht möglich. Das Schicksal des ein oder anderen Zeitgenossen hat mir zu viel Respekt abverlangt, als das ich noch andere Gedanken damit verbinden könnte. Außerdem bin ich noch in viele Dinge eingebunden. Es ist noch ordentlicher Takt vorhanden.

Kurzfragen an Bürgermeister Reinéry.

0:00 / 0:00
100
Zur Person:
  • Geboren 1964 in Wissen/Sieg
  • Verheiratet, sieben Kinder
  • Kommunalpolitisch von 2001 bis 2003 unter anderem im Vergabeausschuss erstmals in Erscheinung getreten
  • 2003 bis 2007: Beigeordneter der Stadt Bad Berleburg
  • 2007 bis 2014: u.a. Abteilungsleiter Stadterneuerung, Controlling bei der Stadt Bad Berleburg
  • Seit 2014: Bürgermeister der Gemeinde Kirchhundem
Gemeinsam mit seiner Tochter überquerte Andreas Reinéry diese Brücke in Südamerika (Peru). Er reist gerne um die ganze Welt.. von Nils Dinkel
Gemeinsam mit seiner Tochter überquerte Andreas Reinéry diese Brücke in Südamerika (Peru). Er reist gerne um die ganze Welt.. © Nils Dinkel
Artikel teilen: