Hannes Arens: „Transsexualität sollte kein Tabu-Thema mehr sein“
Oberhundemer erzählt von seinem Neuanfang
- Kirchhundem, 05.12.2020
- Dies & das
- Von Christine Schmidt
Christine Schmidt
Redaktion
Oberhundem. Von der Raupe zum Schmetterling: So beschreibt Hannes Arens seinen Weg von einer Frau zum Mann. Ein großer schwarzer Schmetterling ist auf seinen Hals tätowiert, als Symbol für die Zeit, die hinter ihm liegt. Aus Hanna wurde Hannes. „Aber ich bin immer noch ich“, betont der 25-Jährige.
Hannes Arens, männlich, steht auf dem neuen Personalausweis, den er stolz zeigt. Davon hat er schon lange geträumt. „Jetzt bin ich endlich angekommen und bin ich“, sagt er selbstbewusst. Denn hinter dem Oberhundemer liegen neun Jahre Gefühlschaos und ein Kampf mit sich selbst, der noch nicht vorbei ist.
Mit 16 Jahren kam das Thema Transgender das erste Mal für Hannes auf. Dass vielleicht etwas anders ist, hat er allerdings immer wieder gemerkt. Nur erklären konnte er es sich damals noch nicht.
„Ich habe schon früh gemerkt, dass ich Mädchen gut finde oder auch Neid gegenüber anderen Jungs verspürt habe“, erzählt er. „Ich wurde als Frau geboren und dachte, dass es dann wohl so sein muss.“ Gedanken aber habe er sich darüber nie gemacht.
Als sich der Körper in der Pubertät immer mehr zur Frau formte, merkte Hannes, da passt etwas nicht. Er kleidete sich maskuliner und benutzte Männer-Shampoo, „aber ich war weder weiblich noch männlich – ich war einfach ich, einfach Hanna.“ Benennen konnte er damals nicht, wie es in ihm drin aussah. Unzufriedenheit kam auf.
Geboren im falschen Körper, heißt es so oft, wenn man von Transgender-Geschichten hört. „Das würde ich nie sagen“, so Hannes. „Mein Körper ist ja nicht falsch, ich passe mich nur meinem Körper an und verändere mich dementsprechend.“ Sich männlich zu kleiden und zu verhalten reichte dann irgendwann nicht mehr. Lesbisch zu sein fühlte sich dann auch nicht mehr richtig an.
„Es war ein völliges Durcheinander, das Thema war 24/7 in meinem Kopf“, erinnert sich Hannes, „Mein Herz wusste schon lange, was ich wollte, aber in meinem Kopf gab es noch zu viele Baustellen.“
Fragen, ob man die psychische Belastung verkraftet, wie man Operationen verträgt, begleiteten die damals 20-jährige junge Frau. Viele Ängste machten sich breit. Über Foren suchte er Transmenschen, mit denen er sich identifizieren konnte.
Wacht man dann morgens auf und sagt: Jetzt möchte ich ein Mann werden? „Nein“, lacht Hannes. Das sei ein ganz langer Prozess. Erst holte er sich die Sicherheit seiner Freunde ab. Für viele war sein Outing keine Überraschung. „Das war für uns schon lange klar“, waren Worte, die ihm viel bedeuteten. Auch Kleinigkeiten, wie den Namen bei Facebook zu ändern, gehörten für ihn zu diesem Prozess.
Emotional traf die Entscheidung auch Hannes‘ Familie. „Die Tochter zu verabschieden, war nicht leicht für sie“, erinnert sich der 25-Jährige, „aber zum Glück haben meine Eltern und meine Schwester immer hinter mir gestanden und sie akzeptieren mich.“ Wenn seine Schwester heute sagt ‚Grüß mir mein Bruderherz‘, kommen dem jungen Mann Freudentränen.
2. April 2019: Den Tag hat der junge Mann dick im Kalender stehen. Wie ein Neuanfang sei der Tag für ihn gewesen, an dem Hannes zum ersten Mal Hormone zu sich genommen hat. Ab dem Moment legte sich für ihn ein Schalter um: „Ich hab mich wie in der Pubertät gefühlt und mich noch einmal neu kennengelernt.“ Stärkerer Haarwuchs, muskuläre Veränderungen und die Veränderung der Stimme machten ihn überglücklich.
Um sich vollkommen zu fühlen, hat Hannes die erste Operation hinter sich: Die Brust wurde entfernt. Die geschlechtsangleichende OP soll im nächsten Jahr folgen – Freude und Angst machen sich gleichzeitig breit.
„Und das ist auch immer das erste, was die Leute wissen wollen“, lacht der 25-Jährige. „Dann scherze ich einfach und sage: Gleiches Recht für alle, lass du doch deine Hose runter.“ Für seinen Mut bekommt der Oberhundemer viel positive Resonanz, vor allem von Dorfbewohnern. „Die Leute hier stehen hinter mir und akzeptieren mich. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Aber auch mit Diskriminierung hat er manchmal zu tun. Übers Netz gebe es immer mal wieder abwertende Kommentare, die ihn aber nicht interessieren. „Ich bin zufrieden mit mir und strahle das auch aus.“ Und das zieht vor allem bei den Frauen.
Eine Partnerin zu finden, damit hat der 25-Jährige keine Probleme. Oft spiele das Geschlecht heutzutage keine Rolle mehr und die Menschen seien offener geworden. Trotzdem wünscht sich Hannes, dass Transsexualität kein Tabu-Thema mehr ist.
Für den jungen Mann steht jedenfalls eins fest: „Es ist ein harter Weg, aber ich werde ihn gehen und mein Ziel erreichen, um mich komplett zu fühlen“, betont er und möchte auch anderen Mut machen: „Man sollte zu sich stehen und auf das innere Gefühl hören.“
Info
Hannes Arens möchte Hilfe anbieten für Menschen, die sich genauso unsicher fühlen wie er damals. Bei Interesse dürfen die Menschen mich gerne über Social Media kontaktieren und mich anschreiben", freut er sich auf offene Gespräche.