Ehemaliger Rathaus-Mitarbeiter führt Gemeinde übel hinters Licht
Betrug um 411.000 Euro
- Kirchhundem, 23.02.2024
- Politik
- Von Christine Schmidt
Kirchhundem. Bürgermeister Björn Jarosz hatte in der Ratssitzung am Donnerstag, 22. Februar, eine Hiobsbotschaft zu vermelden: Ein ehemaliger, langjähriger Mitarbeiter hat die Gemeindeverwaltung betrogen – und das um mehr als 400.000 Euro. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Siegen.
Die Gemeinde sei auf geschickte Art und Weise getäuscht worden, erklärte der Bürgermeister im Gespräch mit LokalPlus. Ein ehemaliger Mitarbeiter habe über Jahre hinweg Rechnungen im Bereich EDV und IT gefälscht, manipuliert und Leistungen über die Gemeindekasse kassiert.
Das Ganze kam erst jetzt ans Licht. Jarosz erklärt, dass der Betrug durch einen Zufall im Herbst 2023 aufgefallen sei. Im Schulbereich mussten Dinge erneuert werden und die neuen Kollegen aus der EDV hätten geschaut, wie das denn in der Vergangenheit abgerechnet wurde.
„Dabei fielen einige Ungereimtheiten in den Abrechnungen auf“, so Jarsoz. Es wurde recherchiert und nach und nach immer mehr aufgedeckt. Dinge, die nicht vorhanden waren, wurden abgerechnet – und das über mehrere Jahre. Die EDV-Mitarbeiter informierten den Bürgermeister über ihre Erkenntnisse.
Schnell sei ein Mitarbeiter ins Visier geraten, der bis Oktober 2020 im Rathaus tätig war und etwa seit Beginn der 2000er-Jahre dort gearbeitet hatte. Dieser Mann, so erzählt der Bürgermeister, sei im Herbst 2020 einfach nicht mehr zur Arbeit erschienen, und das unentschuldigt. „Wir haben lange versucht, ihn über sämtliche Kanäle zu erreichen und uns auch Sorgen gemacht“, so der Bürgermeister. Aber bis zum heutigen Tag habe es keinen Kontakt mehr gegeben.
Bürgermeister Jarosz zog die Reißleine und kündigte dem Mitarbeiter in 2021. Zu dem Zeitpunkt war noch niemandem im Rathaus bewusst, welche Fehltritte der Mitarbeiter begangen hatte.
Nachdem die Rechnungen sehr akribisch geprüft wurden, kam die Verwaltung der fast schon kreativen Weise der Rechnungsfälschung auf die Schliche. So habe der Ex-Kollege bei Firmen bestellt und ließ Adresse, Bankverbindung und Co. korrekt bestehen. Nur bei dem Leistungstext habe er sich etwas komplett anderes ausgedacht. Auch die Firmen bekamen andere Bezeichnungen, die nach IT-Bereich klangen.
Vor allem habe er für den privaten Bedarf bei Baustoffunternehmen bestellt - keine aus der Umgebung - und dann beispielsweise fünf Software-Programme statt fünf Säcken Zement abgerechnet. Und die hießen dann auf dem Papier Müller IT-Service und nicht Müller Bauunternehmen - um das mal überspitzt darzustellen.
Im Endergebnis kam die Leistung bzw. Ware dann bei dem Ex-Mitarbeiter an – und das etwa zehn Jahre lang. Der Mann selbst habe außerdem ein Nebengewerbe und auch darüber einiges abgewickelt, fügt Jarosz hinzu.
Generell seien die Rechnungen so gut fingiert worden, dass es nicht aufgefallen sei. Man vertraue den Mitarbeitern und habe gerade im Bereich IT auch weniger Ahnung von den Fachbegriffen. Jarosz fügte hinzu, dass die Beträge nie auffällig gewesen seien, mal 800 Euro, mal 1.500 Euro.
Der ehemalige IT-Mitarbeiter habe die Rechnungen dann geprüft und unterzeichnet – der normale Vorgang für den jeweiligen Sachbearbeiter. „Das war schon geschickt eingefädelt“, so der Bürgermeister.
Nach dem Schock suchte Jarosz einen Anwalt auf, um gegen den Rathaus-Bediensteten vorzugehen. Der Fall ging weiter an die Staatsanwaltschaft Siegen, die noch im Dezember eine Hausdurchsuchung bei dem ehemaligen Mitarbeiter anordnete.
Dort sei dann tatsächlich festgestellt worden, was die Verwaltung schon vermutete: Viele Produkte, die der Mann über die Gemeinde eingekauft hatte, waren in seine Immobilie geflossen.
Mittlerweile sei eine Sicherung von Vermögenswerten veranlasst worden, um einen möglichst großen Teil des 411.000 Euro teuren Schadens wieder auszugleichen. „Wir hoffen natürlich, dass der Schaden reduziert werden kann“, so der Bürgermeister. „Wie erfolgreich uns das gelingt, ist noch völlig offen.“
Die Angelegenheit wurde bis zuletzt diskret behandelt und nur einige Mitarbeiter im Rathaus eingeweiht, um den Ex-Mitarbeiter nicht zu warnen und die Ermittlungen nicht zu gefährden.