Diagnose ALS: Wenn die eigene Wohnung zum Hindernis wird

Barrierefreiheit Fehlanzeige: Familie aus Kirchhundem braucht Hilfe


  • Kirchhundem, 25.09.2022
  • Verschiedenes
  • Von Christine Schmidt
    Profilfoto Christine Schmidt

    Christine Schmidt

    Redaktion


    E-Mail schreiben
Topnews
Heike Becker leidet an ALS. Ihr Mann Peter pflegt sie zu Hause. von privat
Heike Becker leidet an ALS. Ihr Mann Peter pflegt sie zu Hause. © privat

Kirchhundem. „Wir sind in einer absoluten Notsituation“, sagt Peter Becker aus Kirchhundem. Seine Frau ist an ALS erkrankt. Erst vor einigen Wochen kam die Diagnose. Das Prekäre: Die Familie lebt in einer Wohnung, die nur über eine schmale, steile Treppe zu erreichen und nicht barrierefrei ist.


„Meine Frau wird sterben“, sagt Peter Becker am Telefon. Für seine Familie versucht er stark zu sein, leidet aber trotzdem unter der Situation. Seine Frau sei seit fast einem Jahr kaum noch vor der Tür gewesen. Er muss das Gespräch führen, seine Frau Heike kann bereits nicht mehr richtig sprechen.

Aber vor vorne: Heike Becker merkt an einem Morgen im Jahr 2018, dass ihr Bein lahmt. Ab dem Zeitpunkt sucht das Ehepaar sämtliche Ärzte auf. „Wir waren in Lüdenscheid, bei speziellen Muskel- und Nervenuntersuchungen“, erläutert Peter Becker. „Auch in der Radiologie und im CT. Keiner konnte eine richtige Diagnose stellen.“

Sprechen wird schwieriger

Seine Ehefrau habe immer weiter abgebaut. Bis auch das Sprechen schlechter wurde. Der Hausarzt habe dann die Einweisung in eine neurologische Abteilung im Siegener Krankenhaus angeordnet.

„Dann bekamen wir die Diagnose, dass es zu 98 Prozent ALS ist“, sagt Becker. „Wir hatten Hoffnung auf etwas anderes. Das war wie ein Schlag mit dem Hammer vor den Kopf.“ Diese Hiobsbotschaft bekam die Familie erst vor einigen Wochen.

Treppe nur mit Hilfe bezwingbar

Nicht nur die Krankheit macht der Familie zu schaffen. Hinzu kommt, dass der Zugang und die Wohnung der Familie selbst nicht barrierefrei sind - Heike Becker kann sie weder verlassen noch sich frei bewegen.

„Irgendwann war es soweit, meine Frau konnte nicht mehr gehen“, erzählt Peter Becker. Vorher habe die 54-Jährige ihre Beine noch mühselig schleifen können. Aber Treppensteigen ging nur mit Hilfe in äußersten Notfällen oder es mussten medizinische Kräfte hinzugerufen werden.

Die Treppe zur Wohnung hinauf gehen, kann Heike Becker schon lange nicht mehr, von privat
Die Treppe zur Wohnung hinauf gehen, kann Heike Becker schon lange nicht mehr, © privat

Die Familie, zu der auch der 16-jährige Sohn zählt, wohnt im Obergeschoss. Die Wohnung sei nur über eine geschwungene und steile Treppe erreichbar. Einen Treppenlift oder ähnliches anzubringen sei nicht möglich, sagt Becker. Er erzählt, dass die Feuerwehr seine Frau nach dem Krankenhausaufenthalt sogar mit der Drehleiter in die Wohnung transportiert habe.

Und die Probleme hören in der Wohnung nicht auf. Denn Heike Becker sei in ihrer eigenen Wohnung nicht mobil. Ein Rollstuhl? „Nein, uns wurde gesagt, dass es für so schmale Türen keine Rollstühle gibt“, erklärt der Familienvater.

Ehemann übernimmt die Pflege

Also muss die 54-Jährige auf einem Toilettenstuhl sitzen oder ist ans Bett gefesselt. Ihr Mann pflegt sie. „Es ist für uns keine Option, sie in Pflege zu geben. So lange es funktioniert, wollen wir sie bei uns haben“, sagt der Kirchhundemer. Auch, wenn das viel Arbeit sei.

Der Familie ganz neue Kraft und Möglichkeiten würde eine barrierefreie Wohnung geben. „Mein Wunsch ist“, sagt Peter Becker, „einfach nochmal mit meiner Frau raus, einen Kaffee trinken zu gehen.“

Wohnung dringend gesucht

Mit einem Rollstuhl könnte sie in einer barrierefreien Wohnung selbst mobil sein, vielleicht sogar über eine Rampe mal vor die Tür fahren, so Beckers Vorstellung. Den blauen Himmel habe sie an der frischen Luft schon lange nicht mehr gesehen.

Gespräche mit DRK, GFO, der Gemeindeverwaltung usw. habe er geführt – niemand hätte Platz für eine dreiköpfige Familie. Sämtliche Zeitungsannoncen seien nicht erfolgreich gewesen. Die Familie hofft auf Hilfe: „Wir sind in einer Notsituation und müssen schnell hier raus.“

Info

Wer kann der Familie helfen und hat geeigneten, barrierefreien Wohnraum? Melden Sie sich bei der Redaktion: info@lokalplus.nrw.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine Erkrankung des motorischen Nervensystems. Die ICE Bucket Challenge machte 2014 auf die Krankheit aufmerksam. Die Bewegung von Armen, Händen und Beinen wird nach und nach schwieriger – bis es irgendwann zur Lähmung kommt. Aber auch die Fähigkeit zu sprechen, zu atmen und zu schlucken geht mit der Zeit verloren.

Artikel teilen: