Bürokratie und weite Wege als größte Herausforderungen

Quartiersakademie NRW: Flüchtlingshilfe Kirchhundem stellt sich vor


  • Kirchhundem, 26.04.2017
  • Von Sven Prillwitz
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    Redaktion

Bärbel Assmann-Bals kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit der Flüchtlingshilfe Kirchhundem. von Sven Prillwitz
Bärbel Assmann-Bals kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit der Flüchtlingshilfe Kirchhundem. © Sven Prillwitz

Kirchhundem/Heinsberg. Einen wichtigen positiven Aspekt nannte sie gleich zu Beginn ihres Vortrags. „Im Dorf ist vieles möglich. Es gibt ein großes Netzwerk in jedem Dorf“, sagte Bärbel Assmann-Bals. Sie referierte am Mittwoch, 26. April, im Landgasthof Schwermer in Heinsberg über die Arbeit und Erfahrungen der Flüchtlingshilfe Kirchhundem – und über die schwierigen Herausforderungen auf dem Land. Ihr Vortrag war eingebettet in den Info-Tag „Bring dich ein, sei Nachbar“ der Quartiersakademie NRW, bei dem es um die Bedeutung ehrenamtlichen Engagements für das Leben in Städten und Gemeinden ging.


2015 wurde die Flüchtlingshilfe Kirchhundem gegründet und funktioniert seitdem als Initiative, als lockerer Zusammenschluss, der informiert sowie Hilfe organisiert und anbietet. Eine Vereinsgründung sei anfangs angedacht worden, auch um Fördergelder beantragen zu können. Von dem Gedanken hätten sie und ihre Mitstreiter sich damals aber schnell verabschiedet, sagte Assmann-Bals: „Es gibt viele starke Einzelakteure, aber keiner möchte mehr in einen Verein eintreten.“

Zwischen 20 und 30 Personen engagieren sich in der Flüchtlingshilfe, „teilweise punktuell“ und überwiegend weiblich, so Assmann-Bals. „Auf Zuruf“ fänden sich auch immer wieder Unterstützer – häufig aber nur für einzelne, kurzfristige Projekte. Die Betreuung von Flüchtlingen sei mit einem immensen und komplizierten bürokratischen Aufwand verbunden. Aufgaben, die eigentlich hauptamtlich erledigt werden müssen.
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Dafür fehle es Kirchhundem angesichts der angespannten Haushaltslage aber den notwendigen finanziellen Mitteln. „So fällt vieles auf das Ehrenamt zurück“, erklärte die Flüchtlingshelferin. Und genau das schrecke viele Menschen von einem dauerhaften Engagement ab. Genau das sei aber nötig, denn „Integration ist ein langfristiges und nachhaltiges Projekt“.
Mobilität als Riesenproblem“
Als „Riesenproblem“ für Kirchhundem und den ländlichen Raum nannte Assmann-Bals den Aspekt Mobilität: „Wir leben in einer Flächengemeinde und fahren uns hier buchstäblich die Hacken ab“. Zudem sei die ÖPNV-Infrastruktur in der Gemeinde „schwierig“. Dadurch würden nicht nur die Beschaffung von Möbeln und Kleidung, sondern auch Fahrten zum Arzt, zu Sprachkursen, zu Praktikums- und Arbeitsplätzen und vor allem zu Behörden für Flüchtlinge und Helfer zu echten und zeitaufwendigen Herausforderungen.
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Trotz aller Schwierigkeiten biete der ländliche Raum aber auch Vorteile. Zum einen die dörflichen Netzwerke, zum anderen den direkten Draht zur Verwaltung. „Hier kennt man sich, was den Kontakt zueinander vereinfacht“, sagte Assmann-Bals. Mittlerweile verfüge die Initiative zudem über gewachsene, über optimierte Strukturen (siehe Infokasten) und nicht zuletzt über „jede Menge erworbene Kompetenzen“ und Erfahrungen in Sachen Bürokratie.
Lob von Bürgermeister Andreas Reinéry
Dazu kommt das Gefühl, mit dem Engagement in der Flüchtlingshilfe in den vergangenen zwei Jahren viel erreicht zu haben – für die Flüchtlinge und für die Zukunft der Kommune. „Viele haben jetzt, wo sie sich eingelebt und Ansprechpartner haben, das Gefühl, angekommen zu sein. Sie fühlen sich hier wohl und wollen sich einbringen“, sagte Assmann-Bals. „Und wer sich mit dem demografischen Wandel befasst und etwas von Wirtschaft versteht, weiß, dass wir diese Menschen brauchen.“ Umso wichtiger sei es, dass sich noch mehr Menschen als Flüchtlingshelfer einbringen.

Ein Wunsch, den auch Bürgermeister Andreas Reinéry äußerte: Gelungene Integration sei auch ein wichtiges sichtbares Zeichen bürgerschaftliches Engagements für die „die Zukunft unserer Dörfer“. Reinéry lobte den Einsatz der Flüchtlingshilfe Kirchhundem ebenso wie Rosa-Maria Biernat, die in der Gemeindeverwaltung die Koordinierungsstelle für Bürgerschaftliches Engagement leitet. Die Flüchtlingshelfer seien vor zwei Jahren eingesprungen seien, als „das Sozialamt personell völlig überfordert“ gewesen sei. Mittlerweile hätten Kommune und Ehrenamt gut zusammengefunden.
Die Arbeit der Flüchtlingshilfe gliedert sich in vier Schwerpunkte: die Vermittlung niedrigschwelliger Sprachangebote, den Betrieb einer Kleiderkammer, Hilfe bei Behördengängen, Transporten und der Beschaffung von Möbeln und die Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit.

Neue Mitstreiter werden weiterhin „händeringend“ gesucht, erklärte Bärbel Assmann-Bals. Die Flüchtlingshilfe benötige dringend jemanden, der sich mit der Programmierung und Pflege von Online-Inhalten auskennt. Über das Internet will die Initiative aktuell über ihre Arbeit und anstehende Projekte berichten.
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