Abschied von Dura – Tag der Arbeit wird zum Tag der Arbeitslosigkeit

Letzte Betriebsversammlung am 30. April


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An den Dura-Standorten in Selbecke und Plettenberg gehen in diesen Tagen die Lichter aus. Viele Menschen verlieren zum Tag der Arbeit ihren Arbeitsplatz. von Runte
An den Dura-Standorten in Selbecke und Plettenberg gehen in diesen Tagen die Lichter aus. Viele Menschen verlieren zum Tag der Arbeit ihren Arbeitsplatz. © Runte

Selbecke/Plettenberg. 1. Mai – Tag der Arbeit. Für rund 600 Dura-Mitarbeiter in den Werken Selbecke und Plettenberg ist es ein Tag der Arbeitslosigkeit. Für viele ihr erster. Am Kampftag der Arbeitnehmer ist ihr Kampf um Stellen und Standorte Geschichte. Drei Jahre zwischen Hoffen und Bangen haben ein Ende. Zum 30. April schließen beide Standorte.


„Die Stimmung ist ganz unten“, sagt Vladislav Degtiarev, seit einem Jahr Betriebsratsvorsitzender bei Dura in Selbecke. Er hat für Dienstagmorgen, 30. April, zur wohl letzten Betriebsversammlung   eingeladen. Ab zehn Uhr wollen die Dura-Beschäftigten Abschied von einer Ära nehmen, die für viele das gesamte Arbeitsleben bestimmt hat. Den meisten der noch gut 70 Mitarbeiter ist zum Monatsende gekündigt worden, ein paar anderen zum 31. Mai.

„Für viele ist es nicht leicht, eine neue Arbeit zu finden“, schätzt Vladislav Degtiarev. Der Betriebsratsvorsitzende sieht Gründe dafür in der Altersstruktur und in der langen Betriebszugehörigkeit. Kirchhundems Bürgermeister Andreas Reinéry spricht in dem Zusammenhang von zu „speziellen Qualifikationen“, die bei Dura gefragt waren, aber andernorts vielleicht nicht passen und so zum Hindernis werden können.
Nutzung des Dura-Geländes noch unklar
Der Betriebsrat will über den Schließungstermin hinaus ein Restmandat wahrnehmen und die ehemaligen Dura-Mitarbeiter weiter beraten. Das Büro könne zunächst weiter genutzt werden, so Vladislav Degtiarev. Wie lange der Betriebsrat noch als Ansprechpartner helfen kann, vermag auch er nicht abzusehen.

„Es ist ein trauiger Tag“, sagte Bürgermeister Reinéry mit Blick auf den 30. April. Er bedauerte, „dass es nicht gelungen ist, zu einer Lösung zu kommen.“ Zentrales Problem sei aus seiner Sicht die Kommunikation gewesen. Es habe lange gedauert „adäquate Ansprechpartner zu finden.“ Den Betroffenen rät er, die Anstrengungen, einen Job zu suchen, fortzusetzen.

Der Kreis Olpe und die Gemeinde Kirchhundem sieht er in Sachen Arbeitsmarkt „gut aufgestellt“. Man könne von Vollbeschäftigung sprechen. „Der Arbeitsmarkt funktioniert“, so Reinéry. Zu Spekulationen über die künftige Nutzung des Dura-Areals in Selbecke mochte er sich nicht äußern. Reinéry ließ aber durchblicken, dass es derzeit Überlegungen zur künftigen Nutzung gebe, die „weit konkreter sind als bisherige“. Da müsse man aber noch etwas abwarten.
Ende lange geplant
Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte die Geschäftsleitung des US-Konzerns die Schließung der Werke in Plettenberg und Selbecke angekündigt. Bereits Ende 2015 war ein Schrumpfungsprozess eingeleitet worden.

Schrittweise sollten etwa 800 der rund 1100 Stellen abgebaut werden. Es war nicht der erste, aber der größte Stellenabbau seit Ende der 1990-er Jahre. Immer gab es nach Restrukturierungen, die die Beschäftigten teilweise durch Verzicht auf tarifliche Leistungen mitfinanziert hatten, Hoffnung, die Arbeitsplätze im damals größten Plettenberger Unternehmen zu erhalten.
Verhandlungen abgelehnt
Verhandlungen über einen Interessenausgleich oder einen Sozialplan hatte die Geschäftsführung abgelehnt. Die Unsicherheit machte krank. Ralf Ingenkamp, bis vor einem Jahr Betriebsratsvorsitzender in Selbecke, resümierte Anfang 2016, wenige Wochen nach Ankündigung des massiven Stellenabbaus, dass der Krankenstand „fast 100 Prozent höher“ sei als normal.

Die Betriebsräte haben versucht, für die Mitarbeiter Brücken zu bauen, so Faruk Ikinci, Betriebsratsvorsitzender bei Dura in Plettenberg und Mitglied im Europabetriebsrat. Bei acht Veranstaltungen mit der Agentur für Arbeit, bei Weiterbildungsbörsen mit 22 Trägern von Weiterbildungsmaßnahmen und einer Arbeitgeberbörse, konnten sich die Betroffen informieren, konnten Kontakte knüpfen.
Lob für Arbeitsagentur
Problem bei Dura, so Ikinci, ist die Personalstruktur. Der Durchschnitt liegt in Selbecke bei etwa 55 Jahren, die Betriebszugehörigkeit im Schnitt bei 23 Jahren. Da ist viel Erfahrungswissen im Spiel. Aber es fehlt oft auch an Qualifikation und Flexibilität um, trotz guter Arbeitsmarktlage, gleichwertige Stellen zu finden.

„Die Menschen brauchen Hilfe“, ist sieht Ikinci alle Beteiligten in der Pflicht und lobt die gute Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur. Wirtschafts- und Arbeitsministerium halfen Fördermittel aus dem europäischen Sozialfonds für Beratungs- und Vermittlungsangebote zu mobilisieren. Vom Arbeitgeber sei keine Hilfe gekommen, so der Betriebsrat.

„Wir nehmen die Kolleginnen und Kollegen bei den Maßnahmen an die Hand“, sagt Ikinci. Selbst nutzt er Kontakte zu anderen Unternehmen, um Dura-Mitarbeiten zu helfen. Zumindest untereinander soll der Kontakt nicht abreißen, sollen Austausch und Hilfe möglich bleiben. Eine Whats-App-Gruppe sorgt noch für Zusammenhalt.
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