„Wir erarbeiten mit jedem einen Weg für die Rückkehr"

Dr. Bettina Wolf von der Agentur für Arbeit im Interview, Teil 1


Dr. Bettina Wolf, Geschäftsführerin der Agenturen für Arbeit in Siegen und in Wuppertal, stellte sich in den Geschäftsräumen von LokalPlus den Fragen von Redakteur Sven Prillwitz (rechts). von s: Clever
Dr. Bettina Wolf, Geschäftsführerin der Agenturen für Arbeit in Siegen und in Wuppertal, stellte sich in den Geschäftsräumen von LokalPlus den Fragen von Redakteur Sven Prillwitz (rechts). © s: Clever

Seit siebeneinhalb Jahren leitet sie die Geschäftsführung der Arbeitsagentur Siegen. Am Mittwoch, 1. Juli, hat Dr. Bettina Wolf außerdem die Verantwortung für die Arbeitsagentur Solingen-Wuppertal übernommen. In einem großen zweiteiligen Interview mit LokalPlus spricht Bettina Wolf über Ihren neuen Aufgabenbereich und den Arbeitsmarkt in Südwestfalen mit seinen Herausforderungen und Chancen. Im ersten Teil des Interviews geht es um Arbeitsorganisation, Unterschiede zwischen Sieger-/Sauerland und Bergischem Land und die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen.


Frau Wolf, ein Jahr lang werden Sie zwei Agenturen als Geschäftsführerin leiten. Wie behält man da eigentlich den Überblick? Pendeln Sie zwischen beiden Agenturen?

Mein Schwerpunkt bleibt in Siegen-Wittgenstein und Olpe. Ich werde mindestens einen Tag in der Woche in Wuppertal sein und zusätzlich Termine wahrnehmen, bei der die Anwesenheit der Geschäftsführung erforderlich ist. Grundsätzlich ist es so, dass es in beiden Agenturen eine Geschäftsführung für das operative Geschäft gibt und eine Vertretung für mich, sonst könnte das natürlich nicht funktionieren. (lacht) Klar ist aber, dass ich nun deutlich mehr delegieren und abgeben muss, aber das habe ich im Laufe der Jahre gelernt.

Das klingt vielmehr so, als ob Sie es hätten lernen müssen.

Das ist richtig. Ich kümmere mich sehr gerne selbst um Sachen. Ich bin niemand, der im Elfenbeinturm sitzt und nur Aufgaben abgibt. Das bleibt bei diesem weiten Feld aber nicht aus, und so musste ich eben lernen, Aufgaben abzugeben, zu strukturieren und klar zu trennen.

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt im Sauer- und Siegerland kennen Sie. Wie sieht die Lage denn im Bergischen Land aus?

Wenn ich zwischen den beiden Bezirken hin- und her pendele, muss ich jedes Mal einen Schalter in meinem Kopf umlegen. In Wuppertal ist die Zahl der arbeitslosen Menschen viel höher als hier, da gibt es mit Blick auf die Langzeitarbeitslosigkeit ganz andere Strukturen. Es wird eine besondere Herausforderung werden, diese regionalen Aufgaben anzugehen und eng mit den Geschäftsstellen in Solingen, Remscheid und Wuppertal zusammenzuarbeiten. Ich freue mich auf diese Herausforderung.

Das klingt nach jeder Menge zusätzlicher Verantwortung und Mehrarbeit. Gleichzeitig üben sie mehrere Ehrenämter aus und haben Familie. Wie schaffen Sie das alles?

Ich bin sehr diszipliniert und mache nur die Dinge, die ich gerne und mit Herzblut tue. Die Ehrenämter machen mir Spaß, ich kriege daraus für mich persönlich sehr viel zurück und schöpfe daraus Kraft. Ich kann dabei Dinge gestalten und bewegen und meine beruflichen und ehrenamtlichen Aufgaben miteinander vernetzen. Ich brauche nicht viel Zeit für mich. Und natürlich habe ich das Glück, dass meine Familie das, was ich mache, gut findet. Sonst würde das natürlich nicht funktionieren.

Zurück zur Arbeitsagentur Siegen, die Sie seit siebeneinhalb Jahren leiten: Wie hat sich der Arbeitsmarkt aus Ihrer Sicht in dieser Zeit entwickelt?

Der Arbeitsmarkt für Südwestfalen insgesamt ist für NRW-Verhältnisse ein guter. Diese Region profitiert maßgeblich davon, dass es hier viele Automobilzulieferer und Maschinenbauer gibt. Das sind allesamt Branchen, die sich in dieser Zeit noch positiver entwickelt haben als andere Bereiche, trotz der Krise 2009. Grundsätzlich hat sich der Arbeitsmarkt, was die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten angeht, sehr positiv entwickelt in Südwestfalen. Was mich nicht zufrieden stimmt, sind die etwa 11.000 Menschen, die noch arbeitslos sind. Unsere Herausforderung ist es, diese Menschen für den Arbeitsmarkt fit zu machen und sie zu vermitteln.

Es gibt das Vorurteil, dass Langzeitarbeitslose besonders schwer zu vermitteln seien. Was ist Ihre Erfahrung?

Bei struktureller Vollbeschäftigung, die wir in vielen Branchen in Südwestfalen haben, ist das natürlich auch eine ganz besondere Herausforderung. Wir versuchen, diese Menschen qualifiziert an Bereiche zu vermitteln, in denen noch Personalbedarf besteht. Es sind immer rund 3000 Menschen, die in so genannten „Maßnahmen“ stecken. Auch unter Langzeitarbeitslosen gibt es immer wieder Menschen, die sagen, dass sie jetzt durchstarten wollen. Wir erarbeiten mit jedem einzelnen einen Weg für die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt.

Der aktuelle Arbeitsmarktbericht für den Juni spricht von einer guten wirtschaftlichen Lage und einem leichten Rückgang der Arbeitslosenzahlen für den Juni. Könnte da nicht die Formel „Weniger Arbeitslose = Intensivere Betreuung für Arbeitsuchende“ gelten?

Leider ist das nicht so, denn die Quote bildet die Bewegung auf dem Arbeitsmarkt nicht ab. Die ständigen Zu- und Abgänge machen eine noch intensivere Betreuung des Einzelnen nicht möglich, weil Menschen immer wieder neu arbeitslos werden. Außerdem gilt für die Arbeitsagenturen ein Personalbemessungssystem, das die Stärke des Personals von den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig macht. Ich kann nach über 20 Jahren bei der Agentur für Arbeit aber sagen, dass es immer wieder Reformen gibt, mit denen wir uns zunehmend zu einem Dienstleistungsunternehmen entwickelt haben. Wir möchten Arbeitslose Menschen als Kunden bedienen.

Am Freitagnachmittag, 4. Juli, erscheint in der kostenlosen App von LokalPlus der zweite Teil des Interviews. Darin spricht Dr. Bettina Wolf über Mini-Jobs und befristete Beschäftigungsverhältnisse sowie die Chancen, die Flüchtlinge und Frauen für den Arbeitsmarkt in Südwestfalen bedeuten können.
Zur Person
• Dr. Bettina Wolf ist 49 Jahre alt, verheiratet und Mutter einer 18-jährigen Tochter. • Seit Dezember 2007 ist sie Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Siegen. • Sie verantwortet dort das operative Geschäft der Siegener Agentur mit Geschäftsstellen in Olpe, Bad Berleburg und Burbach. • Zuvor war Dr. Wolf in verschiedenen Führungsfunktionen unter anderen in den Arbeitsagenturen in Hamburg, Hagen und Köln tätig.
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