„Die Frauenquote ist ein zweischneidiges Schwert“

Petra Peschke-Göbel, Gleichstellungsbeauftragte seit 18 Jahren, im Interview


Petra Peschke-Göbel.
Petra Peschke-Göbel.

Nach der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause folgte noch eine kleine Feierstunde im Rathaus der Stadt Lennestadt: Vor 25 Jahren war hier mit Renate Cordes die erste Gleichstellungsbeauftragte eingestellt worden. Am 1. Juni 1997 folgte Petra Peschke-Göbel, die diese Position bis heute innehat. Im Gespräch mit LokalPlus-Redakteur Sven Prillwitz erläutert die Gleichstellungsbeauftragte ihre Aufgaben. Außerdem bezieht sie kritisch Stellung zu den Themen Frauenquote, klischeehafte Rollenbilder und politisches Bewusstsein von Jugendlichen.


Frau Peschke-Göbel, was genau macht eine Gleichstellungsbeauftragte eigentlich?

Dadurch, dass es für diesen Job keine Berufsausbildung oder einen Studienabschluss in dem Sinne gibt, sind die Stellen sehr unterschiedlich besetzt. Es kommt also immer auch auf die Person an, die Gleichstellungsbeauftragte ist. Wenn man ins Landesgleichstellungsgesetz schaut, geht es aber generell darum, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranbringen. Ein anderer Schwerpunkt lautet, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu verwirklichen und Frauen beruflich zu fördern.

Wie sehen Ihre Aufgaben in Lennestadt aus?

Ich versuche, Gleichstellung auf zwei Bahnen zu realisieren. Interne Gleichstellung meint, dass ich im Haus dafür zuständig bin, dass die Chancengerechtigkeit zwischen Männern und Frauen gewahrt ist. Wo Frauen unterrepräsentiert sind, werden sie bei gleicher Eignung und Befähigung bevorzugt eingestellt. Ich bin für Kolleginnen und Kollegen da, wenn es um die berufliche Qualifizierung und um die Vereinbarkeit Familie und Beruf geht. Übrigens ist aus Gesprächen mit Kollegen beispielsweise das entstanden, was wir heute Ferienbetreuung nennen. Das war ursprünglich nur ein Angebot für berufstätige Kollegen in der Verwaltung für die Ferien, damit sie ihre Kinder betreut unterbringen konnten.

Was genau meint die externe Gleichstellung?

Dabei geht es um die Gleichstellung für Bürgerinnen und Bürgern. Es sind aber vor allem Frauen, die sich in unterschiedlichen Fragen an mich wenden, etwa bei einer ungewollten Schwangerschaft, nach einer Trennung oder Scheidung oder bei der Arbeitsplatzsuche. Die Bandbreite ist riesig.

Das klingt so, als hätten Sie alle Hände voll zu tun.

Ja. (lacht) Es sind verschiedene Projekte, in denen ich drinstecke. Über den Bund und das Land werden Aktionen wie der „Girls´ Day“ und Selbstbehauptung für Kinder koordiniert. Der Selbstbehauptungskurs des Landes ist jetzt zu Ende, aber ich habe das als Projekt vor Ort gehalten. Außerdem gibt es einen Arbeitskreis gegen häusliche Gewalt, der auch auf Landesebene initiiert worden ist. Hier in Lennestadt hat sich das Bündnis für Familie gegründet, eine Sache, die sich aus der Gleichstellungsarbeit heraus ergeben hat. Es sind immer wieder große Schnittmengen, die sich aus der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergeben.

Welches Projekt würden Sie als größten Erfolg während Ihrer rund 18-jährigen Tätigkeit bezeichnen?

Ich sehe es persönlich als Erfolg, dass sich viele Frauen hilfesuchend an uns wenden und sich Unterstützung holen. Das haben sie in der Regel von anderen Frauen mitbekommen, die das so nicht weitergegeben hätten, wenn sie sich nicht unterstützt gefühlt hätten. Der Schneeball-Effekt ist eine tolle Sache.

Wie werden Sie in Ihrer Tätigkeit unterstützt?

Auf Kreisebene gibt es eine Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten. Das ist ein wichtiges Element, um sich untereinander auszutauschen. Derzeit gibt es in Lennestadt einen Frauenarbeitskreis, zu dem neben mir neun ehrenamtlich tätige Frauen gehören. Wir beschäftigen uns mit gesellschaftspolitischen Themen, bereiten zum Beispiel den „Internationalen Frauentag“ vor. Und wir unternehmen frauenpolitische Bildungsfahrten, um neue Blickwinkel zu bekommen. Neue interessierte Frauen sind übrigens jederzeit willkommen. Der Job der Gleichstellungsbeauftragten ist auf keinen Fall eine One-Man-Show. (lacht)

Das Thema Frauenquote ist immer wieder in der Diskussion. Wie stehen Sie als Gleichstellungsbeauftragte dazu?

Ich halte das für eine zweischneidige Geschichte. Ich weiß von vielen qualifizierten Frauen, dass sie sich dagegen wehren, als Quotenfrau eingestellt zu werden. Aber andererseits leben wir immer noch in einem Land, das stark männlich dominiert ist. Da braucht es sanften Druck, um das aufzuweichen. Wir stecken immer noch stark in traditionellen Rollen, denn bei einer Frau in einer Führungsposition heißt es ja schnell: „Was ist, wenn sie Kinder kriegt und ausfällt?“

Wie macht sich der demografische Wandel für Sie als Gleichstellungsbeauftragte bemerkbar?

Ich sehe es ganz aktuell an den Betreuungszahlen im Lennestädter Kinderzimmer, die in den letzten drei, vier Jahren um ein Drittel zurückgegangen sind. Gleichzeitig werden die Kinder, die in Betreuungseinrichtungen abgegeben werden, immer jünger, weil immer mehr Frauen zurück auf den Arbeitsmarkt drängen. Übrigens kommt es oft vor, dass mich Frauen anrufen, die eine befristete Anstellung haben, schwanger sind und sich nun Sorgen machen um ihren Job. Ungesicherte Arbeitsverhältnisse halten Paare sicherlich davon ab, eine Familie zu gründen.

Inwieweit sind Jugendliche und junge Erwachsene aus Ihrer Sicht heutzutage eigentlich an Themen wie Gleichstellung und Geschlechterpolitik im Allgemeinen interessiert?

Ich habe ehrlich gesagt den Eindruck, dass das Interesse zurückgeht. Beim „Girls´ Day“ etwa bin ich mittlerweile froh, wenn wir die Kurse voll besetzt kriegen. Viele Sachen erscheinen heute selbstverständlich, und viele Jugendliche machen sich keine großen Gedanken mehr darüber. In mancherlei Hinsicht ist das tradierte Rollendenken noch recht groß. Viele Frauen denken bei der Berufswahl immer noch an als klassisch weiblich geltende Berufe wie Floristin oder Arzthelferin, wollen danach heiraten und Kinder kriegen.

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