Zuwanderung als „Teil einer Problemlösung“

IHK-Blitzumfrage: Acht von zehn Unternehmen zur Beschäftigung von Flüchtlingen bereit


 von Symbol Matthias Clever
© Symbol Matthias Clever

„Es gibt keine bessere Integration als diejenige über den Beruf." Mit diesen Worten kommentiert Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Siegen, das eindeutige Ergebnis einer IHK-Blitzumfrage. Danach sind 78 Prozent der Unternehmen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe grundsätzlich dazu bereit, Flüchtlingen Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten.


51 Prozent der Firmen sehen Chancen in einer regulären Beschäftigung für diese Personengruppe. Jeder vierte Betrieb könne sich vorstellen, betriebliche Lehrstellen mit Flüchtlingen zu besetzen, knapp 38 Prozent würden zunächst Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Insgesamt 225 Unternehmen aus Siegen-Wittgenstein und OIpe haben sich an der Umfrage beteiligt. „Die zu uns kommenden Menschen sind in den allermeisten Unternehmen willkommen, wenn sie dort Ausbildung oder Beschäftigung nachfragen wollen. Das ist die Botschaft der Wirtschaft, die damit auch ein starkes gesellschaftspolitisches Signal sendet“, sagt Gräbener. Er plädiert zugleich dafür, neben den „unbestreitbar gegebenen Schwierigkeiten“ stärker die Chancen in den Blick zu nehmen, die sich durch den Zuzug von Menschen aus anderen Staaten ergeben könnten.
 von Sven Prillwitz
© Sven Prillwitz
Gräbener verweist zudem auf die kürzlich von der Sparkasse Siegen und der Universität vorgestellte Demorec-Studie, wonach binnen weniger Jahre mehrere zehntausend Beschäftigungsverhältnisse in Siegen-Wittgenstein und Olpe wegbrechen würden. „Teile unserer Gesellschaft betrachten die Zuwanderung ausschließlich als Problem, obwohl die zu uns kommenden Menschen gerade vor diesem Hintergrund Teil einer Problemlösung sein können. Dies muss in der gesellschaftspolitischen Debatte deutlicher werden“, betont der IHK-Chef.
Sprachförderung als wesentliche Herausforderung
Eine wesentliche Voraussetzung hierfür spielt für die befragten Unternehmen der sprachliche Aspekt: 69 Prozent der Betriebe setzen daher für eine Beschäftigung oder eine Erstausbildung von Flüchtlingen zumindest gute Kenntnisse der deutschen Sprache voraus. Lediglich 28 Prozent der Befragten würden sich mit Grundkenntnissen zufrieden geben. In der Sprachförderung liegt daher nach Auffassung der Wirtschaft eine der wesentlichen integrationspolitischen Herausforderungen der kommenden Monate und Jahre. „Wer im Unternehmen nicht kommunizieren kann, wird auf Strecke weder dort sein Glück finden noch in unserer Gesellschaft wirklich Fuß fassen. Hier muss deutlich mehr als bisher durch den Staat investiert werden“, fordert IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster. Und weist zugleich darauf hin, dass 85 Prozent der befragten Unternehmen Personen mit mittlerem Qualifikationsniveau bevorzugten. Diese Firmen setzten berufliche Kenntnisse für einen betrieblichen Einsatz voraus. Zahlen, die einmal mehr verdeutlichten, wo Unternehmen in den beiden Nachbarkreisen auf mittlere Sicht den wesentlichen Bedarf sähen. 28 Prozent der Unternehmen gaben an, auf Personen mit akademischer Ausbildung zu setzen. Fast jedes zweite Unternehmen (46 Prozent) sieht demgegenüber überwiegend Möglichkeiten, Flüchtlinge für Hilfstätigkeiten einzusetzen.
Subventionen für den beruflichen Einstieg
Dass von Flüchtlingen jedoch nicht sofort eine Milderung der Fachkräfteproblematik zu erwarten ist, machten die Unternehmen in der Umfrage ebenfalls deutlich. Die Betriebe erwarten in vielen Fällen, unter anderem mit Blick auf die individuelle Qualifikation, Defizite, die behoben werden müssten, um die Übergänge in die betriebliche Wirklichkeit „möglichst bruchlos“ zu gestalten. 15 Prozent der befragten Unternehmen sehen in staatlich gewährten Lohnkostenzuschüssen die zwingende Voraussetzung für die Einstellung, und 63 Prozent glauben, dass entsprechende Subventionen zumindest die Bereitschaft zur Einstellung deutlich erhöhen würden. Klaus Gräbener: „Wir wissen, dass wir einen langen Atem benötigen. Die Arbeitslosigkeit dürfte steigen und die Arbeitsmarktpolitik zugleich mehr Mittel benötigen. Wird dieses Geld jedoch sinnvoll eingesetzt, erschließen sich mittel- und langfristig erhebliche Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft. Denn überwiegend kommen jüngere Menschen zu uns. Gelingt es, diese jungen Menschen in unsere Gesellschaft hineinzuführen, werden wir bereichert. Vielfalt hilft, sie schadet nicht.“
Auftrag zur beruflichen Integration
Die IHK versteht die Umfrageergebnisse laut Gräbener als eindeutigen Auftrag, die im engen Schulterschluss mit beiden Kreisen, den Gewerkschaften, dem Handwerk und der Agentur für Arbeit begonnenen Initiativen zur beruflichen Integration dieser Menschen konsequent fortzusetzen. Dafür spreche auch, dass 71 Prozent der befragten Unternehmen angegeben hätten, die IHK und ihr Berufsbildungszentrum könnten sie jederzeit auf die Bereitstellung von betrieblichen Praktika- oder Lehrstellen ansprechen. (LP)
Artikel teilen: