„Der Schwachsinn ist nicht mehr ganz so belanglos"

Chris Altmann, Posaunist bei den Ska-Punkrockern von „Sondaschule", im Interview


  • Attendorn, 29.08.2015
  • Von Sven Prillwitz
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    Sven Prillwitz

    Redaktion

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Punkrocker mit Posaune: Chris Altmann.
Punkrocker mit Posaune: Chris Altmann.

Eine Festival-Tour mit zehn Stationen, die Veröffentlichung des sechsten Studioalbums, Promotion-Tour durch diverse Radiosender und der Dreh eines neues Musikvideos, das am Donnerstagabend, 27. August, Premiere feierte: Die letzten Wochen waren ereignisreich für Chris Altmann.


Der 25-Jährige, gebürtig aus Hoyerswerda, aber – mit kurzer Unterbrechung – seit Jahren wohnhaft in Attendorn, spielt Posaune bei „Sondaschule“, einer Band, die Punkrock mit Blasmusik und Pop mixt. Skapunk nennt sich das dann, und den spielt die siebenköpfige Combo längst so erfolgreich, dass auch ein Mega-Festival wie „Rock am Ring“ nicht mehr an der Band aus dem Ruhrpott vorbeikommt. Im Interview mit LokalPlus sprach Chris Altmann am Donnerstag über das neue Album, Erwachsenwerden mit Humor, die Charts, den Widerspruch zwischen Punk und Posaune und den Bart-Simpson-Effekt.

Hallo, Chris! Bist du schon aufgeregt?

Sogar sehr aufgeregt. Das ist nämlich das erste Interview, das ich alleine machen darf. (lacht) Aber falls du das Video meinst: Ja, da ist natürlich ein Kribbeln, ob es den Leuten gefällt. Wir haben vorher schon zwei Videos zu den Single-Auskopplungen gedreht, die beide gut angekommen sind. Ich bin also recht zuversichtlich.

Worum geht es in der neuen Single „Bist du glücklich?“ und warum habt ihr das Video mit Familie, Freunden und Verwandten gedreht?

Das ist das Thema: Glücklich sein und das Leben. Familie und Freunde gehören dazu und sind das Wichtigste überhaupt. Und man sollte sich die Frage stellen, ob man glücklich ist. In dem Video geht es aber nicht nur darum, es gibt auch Bandszenen. Wir spielen passend zum Text auf einem Hochhaus. Und zum Ende gibt´s noch Live-Szenen von einem kleinen Clubkonzert, das wir an dem Tag in Düsseldorf gespielt haben. Fans gehören mit in das Video, denn die machen uns glücklich.

Der Song ist auf eurem neuen Album „Schön kaputt“ zu hören, das ihr komplett in Eigenregie produziert und veröffentlicht habt - ohne Label. Warum dieser Schritt?

Wir hatten viele Angebote von Labels, die auch echt verlockend waren. Aber es ist ja so: Wer dir Geld gibt, will auch mitsprechen. Das haben wir aber nicht so gerne. Wir machen lieber alles so, wie wir es wollen und für richtig halten - auch mit dem Risiko, dass man damit vielleicht auf die Fresse fällt. Allerdings haben wir ein gutes Management, eine gute Booking-Agentur und einen guten Produzenten, der gleichzeitig unser Mentor ist und immer sein Studio zur Verfügung stellt. Die helfen uns, das Risiko überschaubar zu halten. Übrigens danke ich unserem Produzenten an dieser Stelle. (grinst)

„Schön kaputt“ ist euer sechstes Studioalbum. Ist es die bewährte Mischung aus Punkrock, Ska und Pop? In welche Richtung schlägt das Pendel eher aus?

Wir haben vorher viel probiert, am Ende aber eher wieder zu älteren Pfaden zurückgefunden. Es geht wieder mehr in die Skapunk-Richtung. Eine Reggae-Nummer ist auch dabei, aber damit sprechen wir schon wieder von Schubladen, was wir gar nicht mögen. Auf ein Genre lassen wir uns nicht festlegen. Wir machen, worauf wir Bock haben.

„Auf ein Genre lassen wir uns nicht festlegen"

Vor ein paar Jahren hat euer Sänger eure Texte mal definiert als „belanglosen Schwachsinn wie immer. Liebe, Hass, Drogen und nix können“. Ist die Definition noch aktuell?

Irgendwie stimmt sie schon, aber der Schwachsinn ist nicht mehr ganz so belanglos. Es geht immer noch um Liebe, Freundschaft und darum, glücklich zu sein. Unser Sänger, der die Texte schreibt, wird auch älter und singt nicht mehr über seine Schulzeit. Jetzt geht es auch mal um Arbeit. Er ist erwachsener geworden, ohne an Humor zu verlieren. Der Witz ist vielleicht versteckter, aber er ist noch da.

Wie fühlt es sich eigentlich an, bei „Rock am Ring“ auf der Bühne zu stehen, wo ihr dieses Jahr gespielt habt?

Richtig, wir haben den zweiten Tag eröffnet. Das war schon ein unglaubliches Gefühl, vor diesen Tausenden von Menschen zu spielen. Davon träumt jeder Musiker. Und obwohl wir schon über 700 Konzerte gespielt haben, war das natürlich etwas ganz Besonderes, das wir gerne wiederholen möchten. Jeder Musiker träumt davon, vor so vielen Leute zu spielen und die mit seiner Musik mit einem Auftritt zu erreichen.

Und wie fühlt es sich an, wenn man mit der eigenen Musik in die Hitliste geschafft hat? Euer aktuelles Album ist auf Platz 8 der Deutschen Charts eingestiegen, der Vorgänger „Lass es uns tun“ hat es 2012 auf Platz 81 geschafft.

Man sagt natürlich, dass es einem egal ist. Aber mir ist schon der Kiefer runtergeklappt, als ich in Holland eine SMS gekriegt habe, in der stand, dass wir mit der Platte auf Platz acht sind. Wir haben uns gefreut über den guten Start. Im Vorverkauf sind alle Platten weggegangen, das hat viel dazu beigetragen. Und innerhalb der ersten Woche war die Platte in den Läden und dann auch bei Amazon ausverkauft. Aber natürlich gibt es dann andere Künstler wie etwa Andreas Bourani, die mehr verkaufen, und so rutscht man dann Tag für Tag nach hinten. Schön war´s trotzdem.

Ihr habt Hunderte von Konzerten gespielt, Ende des Jahres steht die Tour zum neuen Album an. Wie bereitet man sich darauf vor?

Viel proben. Und man nimmt sich vor, joggen zu gehen, damit man 2,5 Stunden auf der Bühne durchhält. Dann raucht man aber auch so viel, dass es nichts bringen würde, vorher Sport zu machen oder zu trainieren. (lacht)

Lebt ihr von der Musik?

Teilweise. Das ist bei sieben Leuten aber auch schwierig. Diejenigen in der Band, die das nicht hauptberuflich machen, haben alle recht coole Jobs, in denen sie für die Band freikriegen. Es wäre aber auch blauäugig, sich nur auf die Musik zu verlassen. Zumal du auch nicht den ganzen Tag Musik machen kannst. Deswegen habe ich vor anderthalb Jahren eine Ausbildung zum Erzieher in Olpe angefangen. Vorher habe ich mein Fachabi und ein Jahrespraktikum gemacht.

Wenn man in einer Band spielt, die grob dem Obergenré Rockmusik zugeordnet wird: Ist es dann eigentlich irgendwie uncool, der Mann mit dem Blasinstrument zu sein?

Ja. (lacht) Ich fand das jahrelang uncool. Aber andererseits ist die Posaune eben doch ein cooles Instrument, ohne das ich vielleicht nicht in dieser Band gelandet wäre. Daher kann ich mit dem Hohn über das Instrument mittlerweile ganz gut leben.

Du hast 2006 den Trompeter Carmelo Parello abgelöst – im Alter von 15 Jahren und während der Tour zum zweiten Sondaschule-Album „Rambazamba“. Wie lief dein Einstieg ab?

Die Jungs haben damals in Grevenbrück gespielt. Da habe ich mich mit ihnen unterhalten und immer mal per E-Mail nachgebohrt, ob ich nicht einsteigen könnte. Ich war damals ein riesengroßer Fan. Als der Trompeter dann ausgestiegen ist, haben die mich tatsächlich zur Probe eingeladen. Meine Eltern haben mich dann zum Proberaum gefahren. Eine Woche später habe ich mein erstes Konzert mit Sondaschule gespielt, an einem Donnerstag in Wien. Ich habe zwei Tage die Schule geschwänzt und hatte Glück, dass meine Eltern mich unterstützt haben.

„Mit 13 oder 14 werden Orchester und Märsche uncool"

Du hast aber wahrscheinlich nicht innerhalb einer Woche gelernt, Posaune zu spielen…

Nein, damit habe ich noch vor der Grundschule angefangen. Ich hatte ungefähr elf Jahre Unterricht und hatte einen ziemlich guten Lehrer. Irgendwann mit 13 oder 14 wird es dann aber uncool, im Jugendsinfonieorchester zu spielen oder bei Feuerwehrfesten – vor allem wenn es immer dieselben Märsche sind und man mittlerweile Punkrock hört. Wäre das kurze Zeit später nicht mit Sondaschule so gekommen, hätte ich wahrscheinlich auch aufgehört. Dass Punkrock und Posaune zusammenpassen, habe ich übrigens damals bei einem Auftritt der „Busters“ (deutsche Skapunk-Band, Anm. d. Red.) gelernt.

Was hat es eigentlich mit eurem Bandnamen auf sich?

Der ist nicht so gemeint, dass wir damit jemanden angreifen oder verspotten wollen. Der stammt aus der Anfangszeit, als die Musikstil-Debatte losging, aus der wir uns immer raushalten wollten. Damals gab es Old School, New School, die Hamburger Schule… Das wollten wir nicht. Wir machen unser eigenes Ding, unsere eigene Schule. Daher der Name Sondaschule. Das A darin steht für anders oder Anarchie.

Warum trägt euer Sänger diesen schrecklichen Hut?

Er nennt es den Bart-Simpson-Effekt. Der hat immer ein orangenes T-Shirt und blaue Shorts an und wird immer erkannt. Das klappt mit dem Hut auch, deswegen trägt er den seit 2010, als wir das Musikvideo zu der Single „Tanz!“ gemacht haben.

Wie sehen eure Pläne nach der Tour zum Jahresende aus? Gibt´s Träume, die ihr euch erfüllen wollt?

Wir konzentrieren uns darauf, so schnell wie möglich ein neues Album zu machen. Träume? Nein. Alles, was man sich erträumt, passiert meistens eh nicht. 2009, nach unserem ersten Auftritt beim „Taubertal Festival“, haben wir uns schon mal gefragt: Was soll jetzt noch kommen? Seitdem ist es immer noch besser geworden, immer weiter gewachsen. Wir hoffen, dass es weiter wächst, aber wenn man nichts erwartet, wird man auch nicht enttäuscht.

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