Fundstücke, Geschichten, Kunst – das Wunder des Arrangements

Marc Haselbach öffnet Wunderkammer in den Hösch-Hallen


  • Attendorn, 25.08.2015
  • Von Volker Lübke
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    Volker Lübke

    Redaktion

Mit Kettensäge, Stecheisen und Schnitzwerkzeug arbeitet Marc Haselbach seine Köpfe aus dem Holz. von s: Volker Lübke
Mit Kettensäge, Stecheisen und Schnitzwerkzeug arbeitet Marc Haselbach seine Köpfe aus dem Holz. © s: Volker Lübke

Sie wundern sich über gar nichts mehr? Dann haben Sie noch nicht Marc Haselbach besucht. Der Berliner Künstler hat in den letzten Wochen jede Menge Wunder gesammelt – Attendorner Wunder. Von Donnerstag bis Sonntag (27. – 30. August) öffnet er die Wunderkammer zum Abschluss seines Kunststipendiats in den ehemaligen Hösch-Hallen.


„Seit dem Mittelalter stellten mächtige und wohlhabende Leute gerne ihre Errungenschaften zur Schau, um Macht, Reichtum und Weltgewandtheit zu demonstrieren“, erklärt Marc Haselbach den Begriff Wunderkammer. Fürsten und reiche Kaufleute zeigten in ihren Sammlungen all jene Fundstücke, die ihnen besonders vorkamen: Raritäten, Kuriositäten, Kostbarkeiten, kurz Schönes, Seltenes, Wundersames. Aus jener Sammelfreude und dem Drang, diese „Wunder“ zur Schau zu stellen, sind unsere Museen entstanden. Marc Haselbach hat den Spieß umgedreht. Zielrichtung seines künstlerischen Konzepts ist nicht die Demonstration von Macht und Reichtum, sondern eine Art Nabelschau. Die ganz persönlichen Wunder waren es, die er von den Attendornern haben wollte. „Wie ein Gaukler“ sei er sich anfangs vorgekommen, als er auf dem Marktplatz seinen Tisch aufgebaut und die Passanten nach ihren Wundern gefragt habe. „Es hat schon eine Weile gedauert, bis die Leute aufgetaut sind und klar war, was ich wollte.“
Zeigte der weltgewandte Fürst in Zeiten von Renaissance und Barock exotische Tierpräparate, Gold und Waffen, über deren Glanz und Gloria sich seine Gäste verwundert die Augen rieben, so sind in der Attendorner Wunderkammer Ausstellungsstücke zusammengekommen, die auf gänzlich andere Weise erstaunen. Marc Haselbach hat unscheinbare Fundstücke, große und kleine Objekte mit Erinnerungswert sowie regionaltypische Handwerks- und Industrierzeugnisse zusammengetragen. Auch aus künstlerisch, kreativem Impuls hergestellte Objekte sind dabei. Und Marc Haselbach wäre nicht Künstler, Bildhauer, wenn nicht auch seine eigenen Arbeiten Eingang in die Wunderkammer fänden.
Dabei geht es ihm weniger um die Vorstellung, Seine Holzskulpturen und Tuschezeichnungen seien per se Wunder. Vielmehr setzt sich Haselbach künstlerisch mit den Wundern der Attendorner und der Region auseinander. Das Arrangement der vielen Einzelstücke, das Kuratieren der Ausstellung ist ein ganz wesentlicher Teil seines künstlerischen Schaffensprozesses. „Beim Arrangieren passiert ja etwas“, erklärt Marc Haselbach. „Manchmal gibt es inhaltliche, manchmal thematische oder formale Bezüge zwischen den Einzelteilen.“ „Ich bin eher Sammler als Jäger“, führt Haselbach seinen Ansatz auf menschliche Urfertigkeiten zurück. Schon als Kind hätten ihn Dioramen, Schaukästen „mit Dingen, die nicht ganz zusammen passen“, fasziniert. „Bei meiner eigenen Sache sehe ich mich eher als Macher und Jäger.“ Auf der einen Seite seien es die unbewusst gesammelten oder im Kopf gespeicherten Bilder, von denen man gar nicht weiß, dass man sie später irgendwie einsetzt. Auf der anderen Seite steht bei Marc Haselbach die bewusste Verwendung solcher Bilder im eigenen Schaffensprozess, auch wenn sie vielleicht inhaltlich aus einem völlig anderen Kontext stammen. „Kunst kann Empfindungen auslösen, aber man kann nicht wissen, was in den Köpfen der Betrachter passiert.“
Köpfe sind es auch, die der Berliner aus dem Holz haut. Mit Kettensäge, Stecheisen und Schnitzwerkzeug. Ein Kopf steht für ihn symbolhaft für den ständigen Zwiespalt. „Eine Mischung aus einem Gefängnis, aus dem wir nicht herauskönnen, und der Freiheit der Phantasie“, sagt Haselbach.
Symbolhaft sind wohl auch einige jener Wunder gemeint, die die Attendorner ihm für die Ausstellung gegeben haben. Manches Exponat, das Haselbach in den Hösch-Hallen arrangiert, dürfte erstaunen. Viele Dinge funktionieren erst, wenn die Geschichte dahinter bekannt ist. Und dass ihm so viele Menschen Gegenstände anvertraut haben, die ihnen viel bedeuten, grenze an sich schon an ein Wunder, freut sich der Künstler. Mancher wird sich verwundert die Augen reiben, was da alles in der ziemlich großen Kammer zu sehen ist. „Ich will nicht irgendein Heimatgefühl entdecken“, sagt Haselbach, „sondern aus einer gewissen Betriebsblindheit herausholen.“ Zum Wundern habe man in der eigenen Heimat nämlich meist gar keine Chance. Wundern Sie sich also, was er alles in Attendorn gefunden hat. Und vielleicht erzählt Ihnen ja der eine oder andere Leihgeber, was denn sein Wunder zu einem Wunder macht.
Hingehen und staunen
In Attendorn hat der Berliner übrigens seine bislang größte Wunderkammer realisiert. Das in Ungarn konzipierte Projekt setzte er erstmals 2014 in Japan um, gefolgt von Leipzig. In Kitakyushu war es eher ein rollendes Wunderkabinett. In den Hösch-Hallen arrangiert Marc Haselbach die Attendorner Wunder in der etwa 200 Quadratmeter großen ehemaligen Umkleide der Hösch-Hallen (Am Wassertor 7-9, Zugang über den Innenhof). Die Ausstellungseröffnung ist am Donnerstag, 27. August, um 19 Uhr. Die Wunderkammer bleibt bis einschließlich Sonntag geöffnet. Eintritt frei.
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