Protest gegen niedrige Milch-Preise

BDM fordert: Mengen an Markt anpassen – Milch billiger als Wasser


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 von s: Rüdiger Kahlke
© s: Rüdiger Kahlke

Fünf oder neun Cent pro Glas Milch. „Es ist lächerlich, worüber wir diskutieren“, ruft Michael Alterauge ins Mikrofon. Vier Cent machen den Unterschied aus. Das ist der Unterschied zwischen „fairer Milch“ wie Alterauge, Teamleiter des Bundesverbandes deutscher Milchbauern (BDM) in Olpe, sie fordert und dem, was derzeit gezahlt wird. Milch, ein hochwertiges Lebensmittel wird verramscht. Die Milchpreise sind im Keller.


Mit einer Aktion auf dem Olper Markt haben die BDM Mitglieder aus dem Kreis Olpe und den angrenzenden Regionen in einer von drei Veranstaltungen im Land auf die dramatische Lage für die Milchbauern hingewiesen. Zudem machte europaweit Milchbauern ihrem Unmut über die Krisenpolitik Luft. „Der europäische Protesttag verdeutlicht die extreme Dimension dieser Krise, die alle europäischen Milchviehhalter trifft“, heißt es dazu in einer Mitteilung des BDM. Grund ist die Überproduktion. Es gibt weltweit mehr Milch als nachgefragt wird. Vor allem Europa drängt mit riesigen Mengen auf den Markt. Dass der Export nach Russland ausgefallen ist, ist für Michael Alterauge nur ein vordergründiges Argument für den Preisverfall.
Produktion auf breiter Front erhöht
Seit klar ist, dass die Quotenreglung entfällt, hätten Landwirte ihre Produktion erhöht – in der Hoffnung, mehr Milch verkaufen zu können. „Wenn zu viel produziert wird, darf man sich nicht wundern, wenn ein scheiß Preis erzielt wird“, bringt Alterauge die einfachen wirtschaftlichen Zusammenhänge bei der Kundgebung auf den Punkt. Innerhalb weniger Jahre, so Michael Braun vom BDM-Landesvorstand, sei das die dritte Milchpreiskrise. „Und es nicht absehbar, dass der Preis wieder steigt.“ Dazu müsste angesichts der Mengen schon die Nachfrage deutlich steigern.
Bis dahin bekämen viele Landwirte Liquiditätsprobleme weil sie nicht mehr kostendeckend arbeiten können. Großbetriebe, die Lohnkräfte statt Familienmitglieder einsetzen müssten, seien noch stärker betroffen, so Alterauge. Die BDM-Vertreter befürchten mit Aufgabe weiterer Betriebe auch Auswirkungen in der Region. Die Folge, so Braun, werde eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft sein mit möglichen Folgen wie Überdüngung. „Die Kulturlandschaft wird sich nachhaltig auch in dieser Region verändern.“ Das Problem seit europaweit feststellbar.
Kritik: Politik untätig
Die Forderung der BDM ist klar: Anpassung der Produktion an den Markt. Die Politik lasse die Dinge einfach laufen. Agrarkommissar der EU und Bundeslandwirtschaftminister fühlten eher wirtschaftlichen Interessen der Abnehmer, die billig an Rohstoffe kommen wolle, verpflichtet als den Bauern.
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Protest gegen niedrige Milch-Preise
Auf dem Olper Markt gab es die rote Karte. Die rote Karte für die Billigmilch, symbolisch aber auch für die Politik und den EU-Kommissar, der zynisch darauf warte, dass sich das Mengenproblem löst, indem Betriebe ihre Produktion aufgeben. Eine Karikatur zeigte, wie Bundeslandwirtschaftsminster Christian Schmidt mit der rosaroten Brille, dekoriert mit Labels der Nahrungsmittelindustrie, dem Problem tatenlos zusieht. „Der Milchmarkt brennt“. Daran ließen Alterauge und Braun unter dem Beifall zahlreicher Berufskollegen keinen Zweifel. Die Preise, die die Bauern für ihre Milch bekommen, sind so desaströs, dass es billiger ist mit Milch statt mit Wasser zu löschen. Mit der Löschaktion setzten die BDM-Mitglieder ein Zeichen.

Herr Alterauge, welche drei Dinge müssten schnell passieren, um die Lage der Milchbauern zu verbessern?

Alterauge: 1. Ganz wichtig ist, dass die Bauern zusammen reden, dass verschiedene Meinungsrichtungen, BDM und Bauernverband, einen Konsens finden. Das geht alle Milchbauern an. 2. Die Politik muss aufhören, die Sache zu ignorieren und uns in unseren Forderungen unterstützen, gemeinsam die Mengen an den Markt anzupassen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg: zeitlich befristet die mengen herunterzufahren. 3. das muss komplett auf europäischer Ebene umgesetzt werden.

Was würde die Mengenreduzierung bewirken?

Es bringt Stabilität wenn Angebot und Nachfrage eins sind.

Wer die bis März geltende Quotenregelung nicht die bessere Lösung?

Die Quote war zu starr. In Krisen wie im Moment muss man hingehen und die Menge zurücknehmen, so, wie jedes Unternehmen es auch macht. Jeder Landwirt hat die Möglichkeit, die Mengen an den Markt anzupassen. Es geht um weniger als zwei Prozent.

Was passiert, wenn nicht schnell etwas passiert?

Es werden reihenweise Betriebe pleitegehen. Wie lange jemand durchhält hängt davon ab, ob Ausfälle durch Wald- oder Winterdienste ausgeglichen werden können. Betriebe mit Lohnarbeitern haben schon jetzt große Probleme.

Kommentar
Von Rüdiger Kahlke Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Das ist das kleine Einmaleins der Wirtschaft. Warum das im Agrarbereich, in diesem Fall bei der Milch, nicht funktioniert, ist schwer zu verstehen. Die BDM-Vertreter haben bei der Protestaktion versucht, die Zusammenhänge klar zu machen. EU-Kommissar und Landwirtschaftsminister denken in industriellen Kategorien. Großes Angebot drückt die Preise. Kleine Preise senken die Rohstoff-Kosten und steigern die Gewinnspannen der Nahrungsmittelkonzerne. Und dann bestätigt sich die Theorie der Marktradialen, dass sich die Dinge selbst regeln. Die Kleinen bleiben auf der Strecke. Damit bleiben auch Vielfalt und Pflege der Landschaft auf der Strecke. Die Abhängigkeiten auch für die verbleibenden Produzenten werden größer, weil die „kleinen“ Konkurrenten weg sind. Ganz am Rande wurde ein globales Problem der europäischen Überproduktion und des Preisdumpings deutlich: Mit den billigen Lebensmitteln – auch Milch – werden die Märkte in armen Ländern Afrikas kaputt gemacht. Die Folge erleben wir gerade in Form von Flüchtlingsströmen – zum Teil ein hausgemachtes Problem der EU-Politik. Faire Preise für Milch sind daher mehr wert als vier Cent pro Glas. Sie helfen auch globale Ungleichgewichte ins Lot zu bringen.
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