Bollermann besichtigt alte Heimat


  • Attendorn, 09.08.2015
  • Von Barbara Sander-Graetz
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    Barbara Sander-Graetz

    Redaktion

„Hier im Haus Hoberg, habe ich gewohnt“, erzählte Gerd Bollermann bei der Tour durch die Stadt. von s: Barbara Sander-Graetz
„Hier im Haus Hoberg, habe ich gewohnt“, erzählte Gerd Bollermann bei der Tour durch die Stadt. © s: Barbara Sander-Graetz

Ende des Monats geht der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Arnsberg, Gerd Bollermann, in den Ruhestand. Am Samstag, 8. August, kehrte er dahin zurück, wo seine berufliche Laufbahn begann: Nach Attendorn.


Samstagmittag, 15 Uhr. Alfons Stumpf, Ex-Bürgermeister von Attendorn, steht vor dem Rathaus und wartet auf einen ganz besonderen Gast: Gerd Bollermann, der noch amtierenden Regierungspräsidenten. Zwei Tage zuvor waren sie gemeinsam auf Wanderschaft – von Breckerfeld nach Hagen. „Einmal im Jahr lädt der Regierungspräsident den Regierungsrat zu einer Wanderung ein“, erzählt Alfons Stumpf. „Das war am Donnerstag. Wir haben miteinander gesprochen und Gerd Bollermann hat von seinen Anfängen in Attendorn erzählt. Da hab ich ihn spontan eingeladen und er hat zugesagt.“
„Ich war in meiner Amtszeit selten in Attendorn“
Minuten später fährt Bollermann vor. Alfons Stumpf begrüßt den Mann an der Spitze des Regierungsbezirkes. Der schaut auf das Kopfsteinpflaster. „Das war aber damals noch nicht da.“ Alfons Stumpf erwidert: „Ja, wir arbeiten daran, es mit Blattgold zu überziehen.“ Beide Männer lachen. Das wird auf ihrer anschließenden Tour durch die Hansestadt noch oft geschehen. „Ich war in meiner Amtszeit als RP selten in Attendorn“, erklärt Bollermann, „Attendorn geht es gut. Die Stadt blüht. Wir haben wirklich andere Sorgenkinder, um die ich mich kümmern musste.“
Der amtierende Bürgermeister Christian Pospischil kommt dazu und auch der stellvertretende Landrat Bernd Bankschus ist dabei. Zunächst geht es zum Rathaus und Gerd Bollermann kommt ins Erzählen.
„Dort drüben hab ich gearbeitet“
Gebürtig aus Helmringhausen bei Olsberg kommt er mit 14 Jahren aus der Schule. Beim Amt Bigge, heute Stadt Olsberg, macht er eine Lehre in der Verwaltung. Danach, mit gerade mal 17 Jahren, kommt er für drei Jahre nach Attendorn. „Dort drüben hab ich gearbeitet“, sagt er und zeigt auf ein Fenster des Rathauses. „Das weiß ich noch ganz sicher.“ Bei der Stadtkasse, im Sozialamt und im Einwohnermeldeamt wurde er eingesetzt. „Werner Keseberg war mein Vorgesetzter und mit Karl Schäfer habe ich auch zusammen gearbeitet.“
Karl Schäfer arbeitete für die Stadt auch als Krankenwagenfahrer. „Sanitäter waren städtische Angestellte und die Krankenwagen waren im Rathaus stationiert. Nach Feierabend hat er mich oft mitgenommen und so bin ich mit zu Einsätzen gefahren und habe hier auch das Funken gelernt.“ Über seine Arbeit im Sozialamt lernte er Fräulein Hoffmann kennen. „Sie war die damalige Fürsorgerin in der Stadt und kümmerte sich um Benachteiligte. Auf sie trafen die drei ‚K‘ zu: Lange Kutte, sprich Mantel, keinen Mann und Knoten im Haar“, lacht Bollermann. Doch sie gab ihm den Impuls für sein weiteres Leben.
Bollermann wohnte beim Schuhmacher
„Ich habe in meiner Zeit in Attendorn auch die Abendschule in Olpe besucht und dort 1969 meine Fachhochschulreife erlangt. Als ich zum Studium der Sozialarbeit, Erziehungswissenschaften und Psychologie zugelassen wurde, war die Prägung durch die Arbeit von Fräulein Hoffmann ausschlaggebend für meine Wahl. Außerdem hat sie immer gesagt: ‚werde alles, nur kein Lehrer‘.“
Gewohnt hat er damals beim Schuhmacher Paul Hoberg und seiner Familie. Das Haus besucht die kleine Gruppe natürlich. Doch Sohn Dieter, der heute hier wohnt, ist nicht da. So bleibt nur ein Blick auf die Fassade des Hauses und durch das Fenster im Erdgeschoss.
Aktiv im MGV Sauerlandia
„Paul Hoberg und seine Frau waren echte Unikate. Paul Hoberg saß in seiner Schuhmacherwerkstatt, reparierte Schuhe und hielt durch das offene Fenster ein Schwätzchen mit den Leuten, die vorbei kamen. Es war dunkel und roch nach Leder. Dabei war er ausgesprochen herzlich. Nachdem ich zunächst vier Wochen in einer Pension an der Windhauser Straße gewohnt hatte, bekam ich hier für die restliche Zeit eines der zwei Zimmer, die die Familie im Obergeschoss vermietete.“
In seiner Freizeit schloss sich Gerd Bollermann durch Paul Hoberg animiert dem MGV Sauerlandia an. „Die Sauerlandia war damals schon Meisterchor und reiste zu vielen Wettbewerben. So konnte ich als junger Mann schon auf Reisen gehen. Unvergesslich ist mir ein Auftritt in den Niederlanden. Das war damals eine Sensation so weit zu fahren.“
Führerschein in drei Stunden
Apropos fahren. Den Führerschein hat Gerd Bollermann auch in Attendorn gemacht. „Bei der Fahrschule Alfred Berghaus benötigte ich gerade mal drei Fahrstunden und ich hatte meinen Führerschein.“ Ein kleiner roter Fiat war sein erstes eigenes Auto.
Und auch Mädchen gab es in Attendorn. „Einmal, auf Altweiber, bin ich mit den Kollegen vom Amt feiern gegangen. Die Frauen waren damals bis Mitternacht mit Oma-Masken maskiert. Mit einer dieser Frauen hab ich den ganzen Abend verbracht. Als sie sich um Mitternacht demaskierte, war es in meinen Augen als damaliger junger Mann mit noch nicht einmal 20 Jahren eine ganz alte Frau und ich war wahnsinnig enttäuscht. Meine Kollegen allerdings hatten eine riesigen Spaß.“ Verliebt war er auch in der Hansestadt. „Doch es hat nicht gehalten, als ich dann zum Studium nach Dortmund gegangen bin.“
Gegenwart holt Vergangenheit ein
Nach über eine Stunde muss Gerd Bollermann Attendorn verlassen. Das Flüchtlingsproblem und deren Unterbringung holen ihn per Telefon zurück in die Gegenwart. Vielleicht kommt er nochmal zu Besuch nach Attendorn. Demnächst, wenn er kein Regierungspräsident mehr ist und Zeit hat.
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