Humor als Waffe gegen Rassismus

Marius jung zeichnet in Drolshagen seinen Weg vom „Neger zum Maximalpigmentierten“ nach – Comedian entlarvt „political corretness“ und ihre Auswüchse


Straßenszene in Stuttgart: Ein Passant bestätigt Marius Jung, dunkler Teint, schwarzes, krauses Haar: „Sie sprechen aber gut deutsch – für einen Schwarzen.“ Jung, Kölner, in Deutschland geboren, kontert: „Sie aber auch - für einen Schwaben.“ Mit Witz und Selbstironie nimmt er sich, die Gesellschaft und ihre „political correctness“ ins Visier. Am Freitagabend, 8. Mai, gastierte der Comedian in Drolshagen.


Den Rahmen bot „rische's“, die Kleinkunstbühne, ein buntes Kleinod in der schwarzen Provinz. 70 Plätze bietet das kleine Theater, in dem auch große Namen zu Gast sind. Am Freitagabend also Marius Jung mit seinem Programm „Singen können die alle! Vom Neger zum Maximalpigmentierten“. Furore hatte zunächst sein Buch gleichen Titels gemacht. Eine Leipziger Studentinnengruppe vermutete Rassismus und zückte die „rote Karte“. Gelesen hatte sie das Buch mit Tipps für den unverkrampften Umgang mit Menschen anderer Hautfarbe offenbar nicht. „Ich war plötzlich Preisträger“, sagt Jung. Immerhin: damit wurde er bekannt, wurde in Talk-Shows eingeladen, schaffte es auf die Startseite bei Spiegel-online und sieht sich auf seiner Tournee als Vertreter von „Negida“ (Neger gegen die Ideotisierung des Abendlandes).
 von s: Rüdiger Kahlke
© s: Rüdiger Kahlke
Welche Blüten die politische Korrektheit treibt, machte Marius Jung am Beispiel seines Buches deutlich: 6000 Buchhandlungen wurde der Titel angeboten, 175 bestellten es. Viele lehnten es ab, weil „Neger“ im Titel vorkam. Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“, eindeutig rassistisch, stünde aber in jeder Buchhandlung. Aus Astrid Lindgrens Kinderbuch „Pippi Langstrumpf“ wurde der Begriff „Negerkönig“ gegen „Südseekönig“ ausgetauscht. Jung erinnert das an Orwells Roman „1984“, in dem die Vergangenheit der Gegenwart angepasst werden soll.
„Mensch mit Migrationshintergrund ohne eine Migrationserfahrung“
Kuriose Auswüchse auch beim Amtsdeutsch. Im Bemühen, nicht diskriminierend zu wirken, wird an Worthülsen gedrechselt wie „Mensch mit Migrationshintergrund ohne eine Migrationserfahrung“. So einer ist Marius Jung. Hier geboren, hier zur Schule gegangen, ein Deutscher, nur mit farbigem Teint. Oder die Bezeichnung „Obdachloser“, auch so ein „No-Go“ in der Welt der Betroffenheits-Menschen und der politisch Korrekten. Für sie sind das „Wohnungssuchende“. Jung führt diese Absurdität szenisch auf der Bühne vor. Ein Obdachloser, an seinen Trolley gelehnt, studiert die Zeitung, sieht ein Loft – 120 Quadratmeter: „Da hab ich hier mehr Platz“, befindet der Mann unter der Brücke. „Euphemismus-Schaukel“, nennt Jung diese sprachlichen Verrenkungen.
Ohne die Musik der Schwarzen bestünden die Charts aus deutschen Volksliedern
Er setzt auf Witz, Selbstironie, einen unverkrampften Umgang mit Menschen anderer Herkunft oder anderen Aussehens. Und er zeigt die Vorteile auf. Ohne die Musik der Schwarzen, ohne Blues und Soul bestünden die Charts aus deutschen Volksliedern. Platz eins bis zehn: Helene Fischer mit „Atemlos“. Kostproben liefert er gleich mit, begleitet sich auf der Gitarre, überzeugt mit seiner Soul-Stimme, rappt das Deutschlandlied und liefert den Beweis für den stimmigen Programm-Titel: „Singen können die alle!“. Seit „nine eleven“, dem Anschlag auf die Trade Center-Türme in New York seien die Schwarzen aber etwas „aus dem Sperrfeuer raus“. Hieß es vorher noch: „Guck mal, ein Neger“, sei man heute beruhigter: „Na, wenigsten kein Moslem“. „Jeder sollte das Recht haben, über ihn Witze zu machen“, fordert Jung. Es geht um Normalität und gegenseitigen Respekt. „Dann ist der Begriff egal.“ Und wenn er reist, etwa nach Holland, sei seine Hautfarbe perfekt. „Da hält man mich nicht für einen Deutschen.“ Irritierende Fakten, witzige Schlaglichter, gute Unterhaltung und ein paar Anstöße zum Nachdenken – auch über den Heimweg hinaus. Ein rundum gelungener Abend in einem kleinen Theater mit großem Wohlfühlfaktor.
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