Ehrlich – echt - ergreifend

Milchkulturen gedeihen zwischen lyrischen Songs und herben Storys


  • Attendorn, 29.05.2015
  • Von Volker Lübke
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    Volker Lübke

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© s: Volker Lübke

Und sie bewegt sich doch! Die Kulturszene in Südwestfalen lebt. Die Attendorner Veranstaltungsreihe Milchkulturen lieferte am Donnerstagabend (28. Mai) einen Beweis mehr: Mitten in der Woche, mitten in der Provinz trafen Musik und Literatur und jede Menge junge Leute zusammen. Malte von Griesgram und Band wechselten sich mit dem Schriftsteller Sascha Bisley auf der improvisierten Bühne ab.


Mal ganz zart, dann wieder rhythmisch aufgeladen begeisterte Malte von Griesgram das Publikum. Begleitet von dem Attendorner Matthias „Fuma“ Fuhrmann am Bass und Alexander Meyer-Köring an der Gitarre setzt der Kölner Sänger, Gitarrist und Songschreiber Wort für Wort das um, was er sich vorgenommen hat: „Ich möchte, dass meine Songs für andere Menschen das sein mögen, was meine Lieblingssongs für mich sind. Trost, Verständnis, Freude, Hoffnung, Erinnerung. Haltung. Ein gutes warmes Gefühl.“ Eine Schublade für seine Musik ist kaum zu finden.
Ode an "die eine Frau im Saal"
So authentisch die Musik, so ehrlich sind die Texte. Ob er jenen, „die schon gegangen sind“, mit Blick gen Himmel eine „Gute Reise“ wünscht oder „der einen Frau im Saal, die weiß, wer gemeint ist“, mit „Jede Sekunde“ ein ergreifendes Liebeslied singt, seine Botschaften kommen an. Die melodiösen Vintage-Klänge aus der E-Gitarre von Alexander Meyer-Köring tun ihr Übriges dazu.
Welch ein Bruch, zumal ein wohl kalkulierter, als Sascha Bisley sein Buch aufschlägt und seine Geschichten zu lesen, ja ganze Tiraden abzufeuern beginnt. Der Dortmunder spricht in seinen Texten eine Sprache, die beileibe nicht jedem gefällt. „Da müsst ihr jetzt durch“, warnt er seine Zuhörer vor. Sie kamen durch, wenn auch so manchem ein Lachen im Halse stecken blieb, während Bisley unaufhörlich seine wohl dosierte Mischung aus Sarkasmen und übelstem Fäkal-Slang ausbreitete.
Schonungslos blickt der Autor auf das Leben um ihn herum, legt den Finger in Wunden, die die Beschriebenen selber schon lange nicht mehr wahrnehmen. Sascha Bisley entlarvt und polarisiert, legt sich wortreich mit Neonazis wie mit jungen, sich fortschrittlich wähnenden Müttern an. Gerne dürfen es auch Hunde- und vor allem Katzenfreunde sein. „Und wenn ihr das nächste Mal einen Skinhead seht, nehmt ihn einfach in den Arm und drückt ihm einen dicken Knutscher auf den rasierten Schädel“, gibt er den Zuhörern mit auf den Weg: „Denn das ist es was sie eigentlich wollen – Liebe.“ „Alles auf Repeat“ – man möchte den Song von Malte von Griesgram wörtlich nehmen und regelmäßig solch kurzweilige Abende verleben: Kultur, die unter die Haut geht – noch dazu ohne einen Cent eintritt. Danke Kulturbüro Attendorn.
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