Mehr als jeder Zweite will studieren

IHK befragt Schüler aus dem Kreis Olpe


 von Symbol © kasto / lia
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Deutlich mehr als die Hälfte der angehenden Abiturienten möchte nach dem Schulabschluss studieren. Nur 14 Prozent streben eine duale Ausbildung an. Rund ein Drittel der Jugendlichen ist noch unentschlossen oder hat sich noch keine detaillierten Gedanken über die eigene berufliche Perspektive gemacht. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Befragung der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) bei 1310 angehenden Abiturienten aus 20 Schulen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe.


„Unsere Unternehmen benötigen überwiegend beruflich qualifizierte Fachkräfte. Wenn es immer mehr Abiturienten gibt, müssen wir größere Teile dieses Personenkreises für eine betriebliche Berufsausbildung begeistern. Gelingt dies nicht, bluten unsere Ausbildungsstrukturen auf Strecke aus. Daran kann die heimische Wirtschaft kein Interesse haben.“ Das betont IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener bei der Vorstellung der Broschüre „Wie gehen Abiturienten mit ihrer Berufswahl um?“. Die Zahl der Studienanfänger stieg in den vergangenen Jahren stetig. Mittlerweile beginnen in Deutschland ebenso viele Jugendliche ein Studium wie eine betriebliche Ausbildung. Oberstufenschüler bei ihrer Berufs- und Bildungsorientierung besser zu verstehen, veranlasste die IHK, angehende Abiturienten genauer nach ihrer Berufswahl und den Kriterien dafür zu befragen.
„Ausmaß der Informationsdefizite hat uns überrascht“
Praxisorientiertes Studieren, wie beim dualen oder beim Fachhochschulstudium, kommt der Untersuchung zufolge nur für 12 Prozent beziehungsweise 6 Prozent der Jugendlichen in Betracht. Allerdings: Bei der Mehrheit der jungen Menschen ist die Neigung zum reinen Universitätsstudium deshalb so stark ausgeprägt, weil sie eher schlecht informiert sind. Über die umfassenden beruflichen Möglichkeiten, die eine betriebliche Berufsausbildung oder ein duales Studium bieten, fühlt sich mehr als jeder zweite Jugendliche wenig bis gar nicht im Bilde. „Das Ausmaß der Informationsdefizite hat uns überrascht“, unterstreicht Stephan Jäger, Referatsleiter bei der IHK und Leiter der Studie, das Ergebnis: „Die fehlende Information führt bei vielen der befragten Jugendlichen zu Unsicherheit und Unentschlossenheit. Flexible Blicke „über den Tellerrand“ eines Studiums hinaus scheinen eher die Ausnahme. Das müssen wir ändern.“
„Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“
Gerade der relativ großen Gruppe der Unentschlossenen würden dazu mehr und vor allem gezielte Auskünfte sehr weiterhelfen. Die bestehenden Berufsberatungen erfüllen dies nach Einschätzung von 60 Prozent der Jugendlichen jedoch kaum. „Die aus den Ergebnissen abgeleiteten Handlungsziele müssen auf mehreren Ebenen wirken. Aus Sicht der Wirtschaft ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Jugendlichen effektiver und umfassender über alle bestehenden Berufsmöglichkeiten zu informieren und das Image von betrieblicher Berufsausbildung und dualen Studiengängen weiter zu verbessern“, ergänzt IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster. Die IHK wolle mit dieser Untersuchung und den dargelegten Vorschlägen einen Beitrag dazu leisten und einen positiven Prozess in der Region anstoßen.
Duale Bildungswege zu wenig bekannt
Immerhin seien 44 Prozent aller befragten Oberstufenschüler nicht ausschließlich auf ein Studium fixiert. Zwei Drittel der jungen Menschen erwägen die betriebliche Ausbildung erst dann als berufliche Alternative, wenn sie mehr darüber erfahren. In Bezug auf das duale Studium sagen das sogar 70 Prozent. Anscheinend erreichen die vielfältigen Informationen über die dualen Bildungswege die Abiturienten bisher zu wenig. Wichtige Ansatzpunkte für die Ansprache der Jugendlichen sind Homepages, Freunde und Bekannte, Praktika sowie die Eltern. Dies geben die Abiturienten als die fünf wichtigsten Informationsquellen für die Berufswahl an.
Schnuppertage sollen helfen
Konkret können dazu verschiedene Aktivitäten einen Beitrag leisten. Diese werden durch die IHK Siegen unterstützt und initiiert. Schnuppertage und Berufsorientierungstage bei Unternehmen helfen, einen klaren Blick auf die verschiedenen Berufe zu bekommen. Auszubildende können als „Ausbildungsbotschafter“ in Schulen Informationen auf Augenhöhe vermitteln. Betriebsnahe Projekt- und Facharbeiten ermöglichen praxisnahe Erfahrungen.
Partnerschaften mit Unternehmen
Unternehmenspartnerschaften mit Schulen helfen, Kontakte zu knüpfen. Beschäftigte und Unternehmer können als Vorbilder in die Schulen gehen und dort lebendig berichten oder über ihre Produkte die Leistungsfähigkeit darstellen. Das Projekt „Alternative zu Abitur und Studium“ bietet fassbare Möglichkeiten der Berufsorientierung. Insgesamt will die IHK die Zusammenarbeit mit den Schulen deutlich ausbauen. Darüber hinaus sollen auch spezifische Abiturientenprogramme entwickelt werden, mit denen die duale Berufsausbildung für Abiturienten attraktiver wird. Die genannten Aktivitäten bieten einen guten Einstieg zum Erreichen der abgeleiteten Handlungsziele. Damit wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung zur Fachkräftesicherung mittels leistungsfähiger Auszubildender getan. (LP)
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