Warum ich mich mit Freistunden schwer tue

Die Kolumne von Lucas Schwarz, Teil 4


Am Ende werden ihm zwei Schuljahre fehlen: Die 3. Klasse, die er übersprungen hat, und ein Jahr am Gymnasium. Lucas Schwarz macht am Städtischen Gymnasium das so genannte G8- oder „Turbo-Abitur". Der 15-Jährige bezeichnet sich selbst als Film-Junkie, spielt Gitarre - und liebt das Schreiben. Diverse Kurzgeschichten, sogar zwei Romane hat er bislang verfasst, peilt die Teilnahme an Poetry Slams an. Bei LokalPlus erscheint ab sofort immer samstags die Kolumne des jungen, unbekannten Schriftstellers aus Lennestadt.


„In der gymnasialen Oberstufe sind in den zwei Jahren bis zum Abitur 34 Wochenstunden der offizielle Standard. Manche Schüler haben in einem Halbjahr mal weniger, mal mehr, aber alles gleicht auf diese 34 Stunden aus. Es können im Durchschnitt, der sich aus diesen zwei Jahren, also vier Halbjahren, bildet, auch mehr sein, aber das ist eher selten. Man macht es sich ja nicht unnötig schwerer, als man muss, ein Zuckerschlecken ist der Weg zum Abi so oder so nicht. Diese 34 Stunden müssen bei einem Schüler der Oberstufe nun auf einen wöchentlichen Stundenplan verteilt werden. An meiner Schule das Ganze mit einem A- und B-Wochen-System. Somit ist der Stundenplan in der ungeraden Kalenderwoche nicht der gleiche wie in der geraden, das erleichtert die Planung anscheinend entscheidend. Da es aber in der Oberstufe ja eine Spezialisierung auf einzelne Fächer gibt, die Möglichkeit, so einiges anzuwählen und sich das auszusuchen, worin man am besten ist und am besten mit klarkommt, ist es mit all den verschiedenen Kursen schier unmöglich, eine durchgehende Woche für einen Schüler zu planen.
Die verhinderten Freiheiten der Freistunde

Was ich damit sagen will? Nun, dass es Freistunden gibt. En masse. Und damit tue ich mich schwer.
Denn es ist vollkommen verständlich, dass diese Stunden existieren. Aber genau so wie ich auch manche Schulpausen für zu lang erachte und denke, dass sie schülerfreundlicher wären, wären sie kürzer und man dadurch schneller mittags fertig, so verhält es sich auch mit den Freistunden. Man ist als Oberstufler nicht mehr daran gebunden, bei Freistunden oder Stunden, die aufgrund von Lehrerabwesenheit entfallen, im Gebäude zu bleiben. Man darf während der Schulzeit das Gelände verlassen, in die Stadt gehen oder sogar nach Hause. Für das Nach-Hause-Gehen wohnen aber viele zu weit weg, deshalb scheidet diese Möglichkeit oft aus. Und sehen wir der Sache ins Auge: 90 Minuten Attraktion bietet die Kleinstadt Lennestadt im Tal auch nicht wirklich. Das Wort Freistunde suggeriert ja schon, dass es mir frei steht, was ich in ihr tue. Aber die Möglichkeit, die Freiheit, sie nicht zu haben, gibt es nicht. Man muss Zeit totschlagen, nimmt sich vielleicht ein Buch mit, Kopfhörer, Hausaufgaben für Fächer an anderen Tagen, die man abarbeiten kann. Eigentlich macht man aber nichts anderes, als Minute um Minute verstreichen zu lassen, mit Dingen, die gar nicht sein müssten. Mit Tätigkeiten, Beschäftigungen, die für mich nichts mit Schule zu tun haben.
270 Minuten pro Woche
In meinem eigenen Stundenplan – der zudem noch nach einem Doppelstunden-System mit jeweils 90 Minuten Unterricht erstellt ist, was nur positiv zu erwähnen ist (!) – zum Beispiel befinden sich wöchentlich drei Freistunden während der Schulzeit, zwischen zwei Fächern. Es gibt auch Tage, an denen ich erst später zu erscheinen habe, also die ersten beiden Stunden nicht belegt sind, aber darum geht es nicht. Die drei Stunden pro Woche reichen schon. Es sammeln sich also 270 Minuten an, über vier ganze Zeitstunden, in denen man schauen muss, was man so alles machen kann. Das ist nicht wirklich schlimm, und mir ist bewusst, dass es sich schlecht ändern lässt. Ich persönlich komme gut mit meinem Stundenplan klar, ich lese in Freistunden das, was ich aufgrund von Aufgaben oder Erschöpfung oder Treffen nicht mehr schaffe, auch schon länger nicht mehr mache. Aber es ist ein interessantes Gedankenspiel, sich Schule ohne diese Freistunden vorzustellen. Denn ich glaube, dass nicht viele die verschwendeten Stunden missen würden.
Sinnvolle Unmöglichkeit
Wenn man dafür schneller nach Hause könnte, ein bisschen mehr Leben außerhalb des Schulgeländes verbringen würde. In einer Zeit, in der ohnehin die schulische Laufbahn sehr gehetzt und rasant erscheint, ist dieser Gedanke da wirklich falsch? Es ist planungstechnisch natürlich eine Unmöglichkeit – aber es wäre durchaus sinnvoll.
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