Kommunen fühlen sich allein gelassen

Kreative Lösungen und humanitärer Anspruch: Ein Überblick über die Situation in den Kommunen


  • Kreis Olpe, 26.08.2015
  • Von Kyrosch Alidusti
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Von Oktober bis einschließlich Januar werden 208 Flüchtlinge in der Jugendherberge in Heggen untergebracht. von Barbara Sander-Graetz
Von Oktober bis einschließlich Januar werden 208 Flüchtlinge in der Jugendherberge in Heggen untergebracht. © Barbara Sander-Graetz

Steigende Flüchtlingszahlen, wenig kommunaler Wohnraum und zu wenig Geld für die lokale Flüchtlingspolitik: Mit diesen Tatsachen sind die Städte und Gemeinden konfrontiert. Wie gehen sie damit um?


Attendorn
In Attendorn sind die kommunalen Wohnungen so gut wie alle belegt. Die Stadt verfolgt ein dezentrales Konzept der Unterbringung und hat die Unterkünfte über die Ortschaften verteilt. Ende der ersten Augustwoche werden in Attendorn rund 170 Personen betreut. Zwei Bundesfreiwilligenhelfer wurden dafür eingestellt. Neu hinzu kommen rund 40 Personen, die ab dem 1. September in der ehemaligen Grundschule in Lichtringhausen untergebracht werden. Kämmerer Klaus Hesener erwartet für dieses Jahr eine Nettobelastung von 800.000 Euro. In Attendorn fordert er als Hilfe für die Städte und Kommunen eine Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsländer. Dies hätte zur Folge, dass die Menschen aus einem solchen Land, deren Anträge auf Asyl zurzeit überwiegend abgelehnt werden, erst gar nicht auf die Kommunen verteilt würden. Die Willkommenskultur in Attendorn sei stark ausgeprägt, sagt Christiane Plugge (Stellvertretende Amtsleiterin für Soziales, Jugend, Familien und Senioren).
Drolshagen
Mitte August teilte die Bezirksregierung Arnsberg der Stadt Drolshagen in einer Woche zehn Asylsuchende zu und kündigte kurz darauf für die nächste bereits weitere Hilfesuchende an. Mit einer solchen Situation ist der Bereichsleiter Soziales im Rathaus Drolshagen, Gerhard Lütticke, konfrontiert. Sollte dies so weiter gehen, stoße das an finanzielle und organisatorische Grenzen. Zurzeit versorgt Drolshagen aktuell 95 Flüchtlinge. Schon heute sei der Haushaltsansatz längst Geschichte. Hinter dieser Aussage verbirgt sich nichts anderes, als dass die Kommune entweder innerhalb des Haushalts umplanen oder sich verschulden muss. Seit fünf Jahren verfolge die Gemeinde die dezentrale Strategie der Unterbringung von Flüchtlingen. Derzeit gibt es einen Container für Einzelpersonen und die Unterkunft in Bleche, in der 17 Personen Platz finden. Die Stadt suche Wohnraum sowohl über den Wohnungsmarkt als auch über private Kontakte und miete auch bei der Wohngenossenschaft. Und genauso wie in anderen Kommunen auch böten Menschen an, ihre leerstehenden Wohnungen zu vermieten oder weisen auf Leerstände hin. Lütticke lobt seine Mitbürger, „die sind wach und denken mit.“ Die Mitglieder des „Netzwerk Asyl Drolshagen", das sich im September 2014 auf Initiative der Verwaltung gebildet hat, helfen der Kommune jetzt bei verschiedenen Aufgaben und an unterschiedlichen Stellen, etwa indem sie Sprachkurse anbieten. Im Rathaus würden alle an einem Strang ziehen, lautet Lüttickes Eindruck.
Finnentrop
Finnentrops Bürgermeister Dietmar Heß sagt, er sehe eine sehr hohe Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Gleichzeitig stellt er fest, dass die Grenzen der vorhandenen (finanziellen) Kapazitäten erreicht seien. Mitte August hat Finnentrop 205 Hilfesuchende zu betreuen. „Unser Ziel ist es, alle, die ankommen, menschenwürdig und gut unterzubringen“, ergänzt der Fachbereichsleiter für Soziales Ludwig Rasche. Zwar werden die 208 Bewohner der Jugendherberge Finnentrop-Heggen, in der ab Anfang Oktober bis Ende Januar Flüchtlinge untergebracht werden, auf die Zahlen angerechnet, – aber eben nur vier Monate lang. In diesem Zeitraum werden der Gemeinde keine weiteren Flüchtlinge zugeteilt. „Wir machen uns Gedanken über die Zeit danach“, gibt Heß zu. Momentan sei man dabei, weiteren Wohnraum bereitzustellen und die Flüchtlinge generell zu versorgen. Es sei unerträglich, wie die Kommunen von Bund und Ländern behandelt würden, wechselt Heß zum finanziellen Aspekt. „Wir haben noch keinen Strich darunter gemacht“, sagt Rasche. Der Bürgermeister erwartet für die Zukunft weitere Zuwanderung, die die Kommunen wohlmöglich überfordern.
Kirchhundem
Die Gemeinde Kirchhundem betreut derzeit 108 Asylsuchende. Bis Ende des Jahres könnte die Zahl allerdings bei 140 liegen. Bereits im Juni war das Budget von 224.500 Euro erschöpft, sagt Rigo Hoppe, der für die Betreuung der Asylbewerber zuständig ist. In diesen ausgegebenen Mitteln sei neben den Kosten für die Unterkunft auch die Krankenhilfe enthalten, die das Budget zusätzlich belastet. Die Gemeinde habe vom Land bis zum Ende des Jahres weitere finanzielle Hilfe zugesagt bekommen. Das Geld sei dem Land NRW am 11. Juli auf dem „Asylgipfel“ im Kanzleramt versprochen worden und werde dann nach dem üblichen Schlüssel verteilt. Hoppe beziffert die Summe auf etwa 90.480 Euro. Wann es aber in Kirchhundem auf dem Konto ankomme, ist noch ungewiss. Zurzeit gebe es keine Probleme mit der Unterbringung der Hilfesuchenden und bis Ende des Jahres werden vier weitere Wohnungen in Stand gesetzt, die dann Flüchtlingen zum Wohnen dienen können.
Olpe
In Olpe ist die Situation etwas anders als in den anderen Kommunen des Kreises. Mit der Beschlagnahmung des Kolping-Regenbogenlandes durch die Bezirksregierung Arnsberg und der Umwandlung in eine Zentrale Unterbringungs- Einrichtung (ZUE) herrscht in Olpe eine andere Zählweise. Die Bewohner der ZUE werden nämlich auf das Kontingent angerechnet, das die Stadt aufzunehmen hat, so dass die Stadt außerhalb des Zentrums „nur“ 104 Asylsuchende zu betreuen hat. Für diese 104 gilt ebenfalls die dezentrale Unterbringung. In Olpe leben 14 Personen in Containeranlagen, der überwiegende Teil wohnt jedoch in städtischen Wohnungen. Einige Flüchtlinge seien auch privat untergebracht worden. Da sich die laufenden Kosten ständig ändern, kann Ahmed Schrage vom Amt Bildung, Soziales, Sport dazu nicht äußern.
Wenden
In diesem Jahr gab es eine Verdreifachung der Zahl der zugewiesenen Asylsuchenden. In Wenden sind bisher 136 Asylsuchende dezentral untergebracht worden. Sie leben zum Teil in Mietwohnungen, aber auch in Containern, und wurden einigermaßen gleichmäßig auf zehn Dörfer verteilt, sagt Kämmerer Bernd Clemens. Die Gemeinde geht davon aus, dass sie 100 weitere Plätze einplanen muss, und rechnet damit, dass die Zahl 200 bis zum Jahresende erreicht wird. Bislang bieten die Wendener hilfsbereit an, ihr Eigentum an die Gemeinde zu vermieten, um darin Flüchtlinge wohnen zu lassen. Bis zum 30. Juni hatte Wenden, den Zahlen des Kämmerers zufolge, 280.000 Euro an laufenden Kosten aufzubringen. Nach dessen Prognose werden dies bis Ende des Jahres 400.000 Euro sein. Für diesen August hat die Gemeinde noch ausreichend Wohnraum. Im September werde ein Container aufgestockt und ein weiterer aufgestellt. Außerdem habe die Gemeinde gerade ein Haus gekauft, um die Hilfesuchenden unterbringen zu können. Diese Kosten seien jedoch im Gegensatz zu den anderen bereits im Haushalt für 2015 aufgeführt.
Lennestadt
Wöchentlich gebe es neue Zuweisungen, erläutert Stefan Hundt, Lennestadts Bürgermeister. Insgesamt sind es Ende Juli 234 Flüchtlinge gewesen, die die Stadt betreut. Das heißt, dass man im Rathaus ständig neue Ideen entwickeln müsse. Aber es gebe in Lennestadt eine „ordentliche Willkommenskultur“, bei der Rücksicht auf die Tradition und Familienzusammenhänge genommen werde. „Willkommenskultur“ wird von der Stadt als Sammelbegriff für verschiedene organisatorische Schritte gesehen, die gleichzeitig der Integration dienen sollen. Es gehe darum, dass die Ankömmlinge schnell Tritt fassten und dazu gehöre auch eine Sprachförderung, erklärt Hundt. „Es gibt die Unterstützung durch die Bevölkerung.“ Hundt nennt dabei ausdrücklich den Arbeitskreis Integration, aber auch den Moscheeverein (DITIB Yeşil Moschee für Lennestadt und Umgebung). Es gebe bei einem öffentlichen Haushalt Mehreinnahmen und Mehrausgaben, das sei ganz normal, betont Hundt. Mit dieser Feststellung unterscheidet er die finanzielle Belastung durch die Flüchtlinge nicht von anderen notwendigen Ausgaben der Stadt. Die Bevölkerung gehe konstruktiv und offen mit dem Thema um, sagt Hundt. „Man ist sich der Verantwortung in der Kommune bewusst.“ Die Stadt Lennestadt verfolgt eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge in kommunalen und angemieteten Wohnungen.
Wer ist ein Asylbewerber?
Unter den Begriff Asylbewerber fallen im landläufigen Sinne diejenigen, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben. Dazu kommen noch die, deren Verfahren beendet ist und die abgelehnt wurden und eigentlich abgeschoben werden sollten – wozu es aus unterschiedlichen Gründen (etwa Krieg im Heimatland, Krankheit oder fehlende Ausweispapiere) aber nicht kommt. Diesen Menschen wird offiziell eine Duldung nach §60a Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet) bescheinigt. Und die dritte Gruppe besteht aus denen, deren Antrag erfolgreich war. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge spricht mit Bezug auf das Grundgesetz von dieser Gruppe als „Asylberechtigte“. Nur die beiden ersten Gruppen werden von der Kommune betreut.
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