„Ein Bürgermeister ist kein Alleskönner, muss aber überall mitentscheiden"

Horst Müller wird am Freitag aus dem Amt verabschiedet – Ein Gespräch über das Vorher, das Nachher und das Wie


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 von s: Volker Lübke
© s: Volker Lübke

Horst Müller hat die Stadt Olpe in den vergangenen 19 Jahren entscheidend mitgeprägt. Am Freitag, 16. Oktober, wird der an Jahren älteste Bürgermeister NRWs offiziell aus dem Amt verabschiedet. LokalPlus-Mitarbeiter Volker Lübke hat ihn zum Interview gebeten. Der 73-Jährige erzählt über das Vorher, das Nachher und das Wie in Politik, Verwaltung und Persönlichkeit.


Herr Müller, Sie sind seit fast 19 Jahren im Amt des Bürgermeisters so etwas wie das Gesicht dieser Stadt. Wenn der Abschied aus einem bewegten Berufsleben bevorsteht, erinnert man sich gerne an die Anfänge. Mit welchen Zielen sind Sie damals angetreten? Was hatten Sie sich vorgenommen – und was Ihren Wählern, den Ratsmitgliedern, versprochen?

Ich glaube, im Grunde hat jeder Bürgermeister identische Ziele. Als ich 1997 antrat, standen für mich drei Punkte im Vordergrund: An erster Stelle stand die touristische Qualifizierung des Bigge-Obersees. Das Wasserreservoir des Ruhrverbandes dümpelte 30 Jahre lang eher halbherzig vor sich hin. Den wollte ich gerne aus dem Dornröschenschlaf wecken. Punkt zwei war ein eigenes Jugendamt für die Stadt Olpe. Die rechtliche Legitimation war da (die Stadt Olpe zählte genügend Einwohner; Anm. d. Red.). Ich wollte mehr Einfluss nehmen auf Dinge, die für die Stadt wichtig sind: Kindergärten, Schulen, Jugendarbeit… Die Stadt musste und muss für die Arbeit des Kreisjugendamtes bezahlen, hat aber nur wenig Möglichkeiten einzugreifen. Und drittens musste sich die Stadt von übermäßigem Ballast trennen. Wir hatten jede Menge Wohnungen. Meines Erachtens kann es nicht Aufgabe einer Kommune sein, Wohnraum zu vermieten, es sei denn er wird für Obdachlose bereitgehalten.

Was davon haben Sie erreicht, was nicht?

Wir haben den Obersee in Angriff genommen und Wohnungen verkauft. Nicht erreicht habe ich das eigene Jugendamt. Ich habe damals mit der SPD und den Grünen dafür gestimmt; die CDU war dagegen. Natürlich wäre das eine unglaubliche Aufgabe gewesen. Und Olpe wäre die einzige Stadt im Kreis, die ausscherte. Ich hätte übrigens selber nie gedacht, dass der Rundweg am Obersee so ein Erfolg würde. Zusammen mit dem optimierten Freizeitbad und einem gut funktionierenden Gastronomiebetrieb als Sahnehäubchen ist das heute ein Anziehungspunkt auch über die Stadtgrenzen hinaus, noch dazu keine fünf Gehminuten von der Innenstadt entfernt.

Es gibt ja auch Dauerbrenner. Woran haben Sie sich sozusagen abgearbeitet?

„Wie geht’s denn mit Olpe weiter?“ Das größte Reizwort in den letzten 15 Jahren war sicherlich das Gewerbegebiet Hüppcherhammer. Es gab massiven Widerstand speziell aus Rüblinghausen. Das habe ich bis heute nicht verstanden. Es ging um die verkehrliche Erschließung, die zu keinem Zeitpunkt durch Rüblinghausen führen sollte. Am Ende haben wir das Gewerbegebiet mehrheitlich in der Politik bekommen und inzwischen herrscht sehr große Nachfrage, weil es optimal liegt ohne eine Ortschaft zu tangieren. Eine andere Frage war die Innenstadtentwicklung. Wissen Sie, man muss eine Stadt gerne haben, man muss sie verstehen und quasi riechen können. Ich habe damals dafür plädiert, die Innenstadt nicht dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Wir haben viel Geld in die Hand genommen und trotz politischen Drucks drei Grundstücke teuer erworben. Letztendlich hat es sich gelohnt, weil wir einen Investor gefunden haben, der die ganze Gruppe gebaut hat. Und dann haben wir es auch noch geschafft, ein Kino mit 700 Plätzen nach Olpe zu bekommen. Der Marktplatz wurde entblecht (war vorher Parkplatz; d. Red.) und ist gestalterisch richtig schön geworden. Das Ergebnis: Die Olper Innenstadt ist nie tot. Und das ist doch das Ziel, eine Stadt muss so attraktiv sein, dass die Leute hier bleiben.

Als Bürgermeister haben Sie Vorbildfunktion. Wer das Amt bekleidet, muss sozusagen ein Meister-Bürger sein. Hat dieser Anspruch Horst Müller verändert?

Gestern noch Mitarbeiter dieses Hauses, und heute Chef. Das ist schon ein Lernprozess. Man sieht Dinge – vor allem im Verwaltungsprozess, aus dem ich ja ursprünglich kam – mit anderen Augen. Ich habe gelernt, mich der vorhandenen Fachkompetenzen zu bedienen. Ein Bürgermeister ist ja kein Alleskönner. Er muss sich gleichzeitig von Fachleuten beraten lassen und diese wiederum überzeugen können. Dieses Geben und Nehmen hat im Olper Rathaus immer gut funktioniert. Ich habe anfänglich sehr plastisch festgestellt, dass das, was der Horst Müller früher gesagt hatte, keinen interessierte. Als der plötzlich Bürgermeister war, hatten seine Aussagen – ob intelligent oder nicht – plötzlich ein ganz anderes Gewicht. Das hat zur Folge, dass man Dinge, die man äußert, immer darauf prüfen muss, ob sie in die Öffentlichkeit gehören. Das habe ich an einigen Beispielen gelernt. (schmunzelt) Andererseits darf man sich aber auch nicht selbst vergewaltigen. Ich hatte das Glück, bis auf ein paar Jahre hier am Ort zu sein. Als Vorsitzender des Schützenvereins war ich schon bekannt. Niemand hätte verstanden, wenn ich mich im Bürgermeisteramt plötzlich verstellt hätte.

Am Freitag werden Sie verabschiedet und Peter Weber übernimmt als Ihr Nachfolger den Stab. Was geben Sie Ihrem Parteifreund mit auf den Weg?

Persönlich möchte ich sagen, bedenke, dass die Zeit im Amt irgendwann um ist. Deshalb ist es sehr wichtig, Freundschaften weiter zu pflegen. Wenn ich nächste Woche die Bude hier verlasse, dann weiß ich, wo ich hingehöre. Das ist ein gutes Gefühl. Und dann noch dies: Man muss in der Lage sein, auf die Bürger zuzugehen und damit rechnen, dass einem auch mal ganz böse vors Knie getreten wird. Das muss man aushalten. Wer als Bürgermeister meint, dass die Sonne um ihn kreist, macht grundlegend etwas falsch. Du bist an sieben Tagen die Woche in der Position – nicht nur im Rathaus. Auch auf dem Sportplatz oder abends in der Kneipe wirst du plötzlich nicht mehr Peter Weber, sondern Bürgermeister sein. Und trotzdem solltest du immer du selbst bleiben. Fünf Jahre gehen schnell um. Dann sagt der Bürger dir, was er davon hält. Auch dafür brauchst du Stehvermögen.

Herr Müller, man spürt, dass Sie ein Bürgermeister mit ganz viel Herzblut waren und sind. Was macht für Sie den besonderen Reiz dieses Amtes aus?

Das Schöne an dem Job ist, dass Sie eine unheimliche Fülle an Themen und Aufgaben haben. Vom Obdachlosen bis zum ansiedlungswilligen Unternehmer, von der Beschwerde über ein Knöllchen bis zur Stadtentwicklung… Sie haben die ganze Bandbreite. Im Laufe der Jahre habe ich nicht nur die Stadtgeschichte ein bisschen mitgestaltet, sondern selbst erst richtig kennen- und schätzen gelernt. Ich habe immer alle Reden selber geschrieben. Das war eine Herausforderung aber ich habe unendlich viel dabei gelernt. Und ganz ehrlich, ich habe schon große Sorge, dass ich nicht ins Fabulieren gerate, wenn ich am Freitag über die Schönheit dieses Berufes erzähle.

Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch. LokalPlus bedankt sich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und wünscht Ihnen für die Zukunft alles Gute.

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