Museum zum Anfassen


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 von s: Ina Hoffmann
© s: Ina Hoffmann

Eine Rübensähmaschine, Hufeisen für Kühe, der Puppenwagen der Großmutter oder alte Nähmaschinen. Das Museum Heimatstube in Finnentrop-Schönholthausen zeigt zahlreiche Ausstellungsstücke rund um dörfliches Handwerk, heimisches Brauchtum und Alltagsleben aus der Zeit von 1890 bis 1950.


„Alles begann mit den Feierlichkeiten zum 750. Ortsjubiläum von Schönholthausen“, erinnert sich Rudolf Mertens, Gründungsmitglied des Heimatvereins. „Damals wurde ein historischer Markt nachgebaut. Dazu wurden alle Schönholthauser gebeten, Keller und Speicher zu durchforsten, ob sie noch einige Gegenstände aus alter Zeit fänden, um den Markt so historisch genau wie möglich auszustatten. Nach Ende der Feier wollten die meisten Leute ihre Sachen nicht zurücknehmen, weil sie diese nicht brauchten. Damals entstand der Wunsch nach einer Möglichkeit, diese besonderen historischen Zeitzeugen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“.
Der Heimatverein wurde gegründet, um dies in die Tat umzusetzen. Passende Räumlichkeiten wurden im Ortszentrum gefunden: Ein ausgedienter Kuhstall in einem der ältesten Fachwerkhäuser des Ortes wurde von den 189 Mitgliedern des Vereins in Eigenregie zu einem Museum ausgebaut. 1992 war es dann so weit: Die Heimatstube öffnete ihre Pforten. „Wir sind stolz auf alle Exponate, die wir hier zeigen können“, erzählt Rudolf Mertens beim Rundgang durch die Heimatstube. „Denn fast alle Stücke, die hier ausgestellt sind, gibt es heute nicht mehr, weil sie längst durch neue technische Errungenschaften ersetzt wurden“.
Sparschäler in Schönholthausen erfunden
Ein bemerkenswertes Exponat: Die Patenturkunde für den Schönholthauser Erfinder Albert Deimel. Dieser erfand im Jahr 1936 den heute noch gebräuchlichen Sparschäler. „Es wissen sicher nur wenige Menschen, die dieses Gerät täglich zum Kartoffelschälen benutzen, dass der Sparschäler im Sauerland erfunden wurde“, schmunzelt Mertens. Mehrere Hundert Ausstellungsstücke beherbergt die Heimatstube- ständig kommen neue hinzu. Inzwischen sind nicht mehr nur Exponate aus Schönholthausen, sondern aus der ganzen Gemeinde Finnentrop zu sehen. „Als es im alten Kuhstall zu eng wurde, um alle Stücke angemessen zeigen zu können, haben wir den dazugehörigen Heuboden ebenfalls ausgebaut und können jetzt unsere Exponate auf 260 Quadratmetern präsentieren“, so Mertens.
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Museum zum Anfassen
Die Ausstellungsstücke werden in liebevoll gestalteten Räumen präsentiert. Der Nachbau einer Küche aus Urgroßmutters Zeiten beherbergt einen Kohleherd mit zahlreichen Kochutensilien und einen alten Küchenschrank mit Geschirr. Auf dem Holztisch steht neben alten Töpfen und Besteck ein Einmachglas. „Das wurde beim Ausräumen eines Kellers gefunden. Die Erbsen und Möhren in diesem Glas sind laut Etikett im Jahr 1946 von einer Hausfrau eingekocht worden- und sie sehen immer noch genießbar aus“, erzählt Mertens.
In der Wohnstube steht ein Brautpaar mit den typischen Hochzeitsgewändern- aber das Kleid der Braut ist schwarz. Natürlich weiß Rudolf Mertens auch was es damit auf sich hat: „Das war um 1900 völlig normal. Helle Kleidung trug man zur Arbeit auf dem Feld. Ein schwarzes Kleid galt als besonders edel. Deshalb trugen die Bräute damals schwarz“.
In einem typischen Schlafzimmer um die Jahrhundertwende hat man den Eindruck, die Bewohner seien nur gerade zur Arbeit auf dem Feld- mit viel Liebe zum Detail wurde der Raum ausgestattet. Die kurzen Betten- „damals schliefen die Menschen zusammengekrümmt, um sich zu wärmen“, so Mertens- sind mit Spitzenbettwäsche bezogen, daneben steht eine Wiege aus Holz. Auf dem Boden steht ein Nachttopf. Auf der Kommode eine Waschschüssel mit Wasserkrug, in den geöffneten Schubladen liegen gefaltete Nachthemden und Hosen.
In einer Schusterwerkstatt, Arztpraxis, Schneiderei, Feldschmiede, Schreinerei und einem Friseursalon werden Arbeitsgeräte der jeweiligen Berufe ausgestellt. Zu beinahe jedem Teil weiß Rudolf Mertens eine interessante Geschichte zu erzählen. In der Schulstube stehen Bänke, die einst in der Grundschule in Bamenohl genutzt wurden. „Diese Rechenmaschine gibt es nur zwei Mal weltweit“, erzählt Mertens. „Sie wurde von einem Lehrer aus der Gegend erfunden, um den Schülern das Rechnen anhand der Kartoffelernte beizubringen. Die Kartoffeln sind Einer, die Eimer Zehner, die Körbe Hunderter und so weiter“.
Sonderausstellung zum Thema Auswanderung
In der Sonderausstellung „Geliebter Bruder“ zeigt die Heimatstube Ausstellungsstücke aus dem Leben der zahlreichen Auswanderer, die das Kirchspiel Schönholthausen im 19. Jahrhundert verließen, um in Übersee ein neues Leben zu beginnen. Die nachgebauten Schiffskojen verdeutlichen die Entbehrungen, die die Menschen unternahmen, um in die neue Welt zu gelangen. „Auf einem Platz, den man heute gerade mal vier Menschen zum Schlafen zumuten würde, mussten damals 24 Personen auf den Schiffen unterkommen“, so Mertens.
Auszüge aus Tagebüchern, die dem Heimatverein von Angehörigen der Auswanderer überlassen wurden, dokumentieren die Anstrengungen und Schwierigkeiten beim Start in das neue Leben. „Wir haben Kontakt zu vielen amerikanischen Nachkommen der Schönholthauser Auswanderer. Ein Mann namens John Carson, dessen Großmutter mütterlicherseits aus Schönholthausen nach Amerika gingen, hat schon angekündigt, das Heimatdorf seiner Oma 2017 zur 777. Jahrfeier zu besuchen. Er will seine ganze Familie mitbringen, damit sie alle die deutsche Heimat kennenlernen. Angeblich möchte er auch den Vogel schießen, um Schützenkönig zu werden“, lacht Mertens.
Museen machen Schule
Vor zehn Jahren rief der Heimatverein das Projekt „Museen machen Schule“ ins Leben. Jedes Jahr vor den Sommerferien kommen Grundschüler aus der Gemeinde Finnentrop zu Projekttagen in die Heimatstube. „Wir sind ein Museum zum Anfassen. Die Kinder können hier das Leben ihrer Urgroßeltern hautnah miterleben. Da staunen die meisten nicht schlecht, dass das Getreide von Hand verlesen wurde oder die Großmutter mit Holz und Kohle den Herd anfeuern musste“. Der Rentner engagiert sich gerne, wenn die Schulkinder zu den Erlebnistagen kommen. „Die Kinder können nicht nur die Ausstellungsräume ansehen, sondern selbst etwas erleben und mit den alten Geräten arbeiten“. So werden unter anderem Papier schöpfen, Sütterlin schreiben, Leinen weben oder Getreide ernten angeboten, um Geschichte begreifbar zu machen.
Das Angebot des Heimatvereins wird jedes Jahr gerne von den Schulen aufgegriffen. „In einem Jahr hatten wir innerhalb von 14 Tagen 550 Schüler bei uns zu Besuch. Da war ganz schön was los“, erinnert sich Mertens. „Die Kinder sind durchweg begeistert. Ein Junge kam mit seinem Opa wieder und wollte diesen gerne selbst durch die Räume führen und ihm alles erklären, was er über die Geräte gelernt hatte. Das war für uns sehr schön zu erleben“.
Die Heimatstube ist an jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist für Kinder bis 12 Jahre kostenlos, für ältere Kinder kostet der Besuch 1 Euro und für Erwachsene 2 Euro.
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