Bronzeglocken – Kunstwerke im Verborgenen

Spannende Turmführung mit dem „Glöckner“ von Drolshagen / Klaus Strugalla kennt die Besonderheiten des Geläuts der St. Clemens-Kirche


Quadratische Betonpfeiler, die senkrecht stehen. Dazwischen Querstreben. Auch aus Beton. Beim Blick nach oben blenden Schweinwerfer. Der erste Gedanke: Wie in einem Bergwerk oder Fördergerüst. Graue Masse. Das coole Statik-Gerüst ist Grundlage für warme Glockenklänge. Im alten Drolshagener Kirchturm ersetzte die neue Betonkonstruktion 1947 den hölzernen Glockenstuhl. „Das ist eine Besonderheit“, weist Klaus Strugalla (74) auf die Beton-Streben. Es ist nicht die einzige, wie sich bei unserem Aufstieg in den Kirchturm zeigt.


Der Glockenturm der St. Clemens-Kirche ist das Reich des Drolshagener Ruheständlers. Klaus Strugalla war dabei, als die Pfarrgemeinde Anfang der 1990-er Jahre über ein neues Geläut nachdachte. Die Gemeindeversammlung schlug ihn vor, sich an der Spitze des Förderkreises um die neuen Glocken zu kümmern. Es mussten Spenden eingeworben, Künstler für die Gestaltung gefunden, bauliche Voraussetzungen geklärt werden. Da zumindest hatten die Vorgänger schon gute Arbeit geleistet.
Währung waren Butter und Schinken
Im Krieg waren die alten Glocken aus dem Turm geworfen worden. Metall war begehrt als Kriegsmaterial, erzählt Strugalla. Als die Gemeinde 1947 neue Glocken haben wollte, wurde ein Ringanker in dem fast 500 Jahre alten Turm gegossen und der hölzerne Glockenstuhl durch Betonträger ersetzt, die die Stahlgussglocken aufnehmen sollten. Stahl war rar nach dem Krieg. Die britischen Besatzer mussten die Glocken genehmigen. "Bezahlt wurde wie damals üblich, mit Butter und Schinken", sagt Strugalla. Zumindest sei das mündlich so überliefert.
Bevor die Bronzeglocken kamen, nahmen Experten der TH Karlsruhe Schwingungsmessungen vor, um zu prüfen, ob die Konstruktion das aushalten würde. "Das ist ohne Beanstandungen durchgegangen. Was die Statiker damals geleistet haben ist enorm", zollt Klaus Strugalla den Nachkriegs-Technikern Respekt.
Glockenstube: ein Mini-Museum
Zwei Jahre liefen die Vorbereitungen bis 1993 dann die neuen Glocken gegossen und im November des gleichen Jahres geweiht werden konnten. Über die Orgelbühne geht es noch gut 30 Stufen höher, dann wird deutlich, wovon der Drolshagener "Glöckner" spricht. Im Turm gibt es eine kleine Glockenstube, ein Mini-Museum: alte Klöppel, zentnerschwer, lehnen an der Wand. Sie und Risse in den Glocken waren ein Grund dafür, dass vor 22 Jahren ein neues Geläut in den Turm kam. Die Klöppel zeigten Ermüdungserscheinungen. Und: Bronzeglocken klingen besser, hallen nach. Eine Stahl-Glocke hängt noch im Joch aus Stahlträgern. Zeuge der alten Zeit. Zwei andere erhielt eine Missionsstation in Paraguay. An der Wand gegenüber stehen Gipsabdrücke. - Die Entwürfe für die künstlerische Gestaltung der neuen Bronzeglocken.
Eine weitere Besonderheit, der Schmuck der Glocken, wird sichtbar, als wir nochmal zwei Dutzend Stufen höher steigen, vorbei am "Dicken Hermann", der 5, 5 Tonnen schweren Stahlglocke, die hängen geblieben ist, geht es zur nächsten Ebene. Grüne Gartenbänke und zwei Tische stehen hier unter dem Bronzeglocken. Wie die dorthin gekommen sind, weiß Klaus Strugalla nicht. "Die hat einer gestiftet", sagt er. Hier haben die, die sich vor fast 25 Jahren um die neuen Glocken gekümmert haben, auch schon mal mit einer Flasche Bier angestoßen. Hier, auf dem Tisch liegt auch der Ordner mit Bildern von der großen Aktion: Glockenguss, Transport, Einbau im Turm, dessen Wand hoch oben dafür aufgestemmt werden musste. Für die Gießerei im Münsterland war die Order aus Drolshagen "der größte Auftrag seit 1662"erzählt Klaus Strugalla. Insgesamt 15 Glocken wurden für die Kirchen in der Pfarrei Drolshagen gegossen.
Künstler wurden eingebunden
In der Pfarrkirche habe man neben dem Klang auch Wert auf die Glockenzier gelegt, erinnert sich Strugalla. Die Organisatoren "wollten Drolshagener Künstler einbinden." Jede Glocke hat einen Namen. Der wurde von den Vorgänger-Glocken übernommen. Tradition halt. Der Name war die einzige Vorgabe für die Künstler. "Ansonsten haben wir denen freie Hand gelassen", sagt Klaus Strugalla. Vier Drolshagener und ein auswärtiger Künstler bekamen den Auftrag die neuen Glocken zu verzieren. Auf der Petrus-und-Paulus-Glocke prangen die Apostel und ein Fisch. Die Heiligen Drei Könige sind auf einer anderen Glocken als Konturen mit erhabenen Linien angedeutet. Ihr Totenschrein aus dem Kölner Dom auf der anderen Seite. Mit 3,8 Tonnen und einem Durchmesser von 1,80 Metern ist die die größte der fünf Bronzeglocken. Mit der künstlerischen Gestaltung sollte auch Zeitgeschichte festgehalten werden.
Glocke liest sich wie ein Buch
Bibelverse, der Name des Künstlers, die Anzahl der Vorgänger-Glocken mit dem Jahr ihres Gusses und "Tod" der Glocke, aber auch Glockenpaten oder Mitglieder des Förderkreises, die sich für das neue Geläut stark gemacht hatten - alles ist in Bronze gegossen. Ist auf Glockenschulter oder - mantel verewigt. Ein kurzer geschichtlicher Abriss. Jede Glocke ist wie ein Buch. Selbst die Klangfolgen - auch eine Besonderheit - der insgesamt neun Glocken der St. Clemens-Kirche sind in einem Spruch auf der Drei-Königs-Glocke verewigt und durch Versalien (Großbuchstaben) kenntlich gemacht. Wer nicht in den Turm steigen will, kann alles in der Broschüre "Glocken unserer Heimat" nachlesen. Dort findet sich auch die Läuteordnung. Kenner wie Klaus Strugalla können vom Läuten darauf schließen, welcher Feiertag ist.
Eines der "anspruchsvollste Geläute in Westfalen"
Mit den Glocken wurde Drolshagen Anfang der 1990-er Jahr auch zum Tagungsort der Sachverständigen, die sich "das nach Minden und Soest anspruchsvollste Geläut in Westfalen" ansehen wollten. Klaus Strugalla ist immer noch mächtig stolz auf die Resonanz, die die Drolshagener Glocken haben. Mehrmals im Jahr macht er Führungen durch den Turm. Seine Klientel reicht von Kommunionkindern bis zu Lions-Club-Mitgliedern. Auch Kindergeburtstage hat er schon rumgeführt. Für die kleinen Besucher ist es spannend, unter den großen Glocken zu stehen und sie mal anzuschlagen. "Es kommen noch ordentlich Leute", sagt er und stemmt sich mit voller Kraft gegen den Klöppel des "Dicken Hermann". Es braucht mehrere Anschübe bis der Klöppel zaghaft an den Mantel schlägt. Der Ton verhallt schnell. Die Eindrücke einer interessanten Führung klingen lange nach.
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Das haben wir läuten gehört...
• Für die Glocken musste die Pfarrgemeinde vor 25 Jahren 490.000 D-Mark aufbringen. 280.000 DM kamen aus Eigenmitteln (Spenden), 210.000 DM steuerte das Erzbistum bei. • Die übrig gebliebene Stahlguss-Glocke , im Volksmund "Der dicke Hermann" genannt, wiegt 5,5 Tonnen. Es ist die größte Glocke ihrer Art im Erzbistum Paderborn. • Die Glocke ist nach ihrem Stifter Hermann Wilbecke benannt. • Die Stahlglocken waren 1947 im Stahlwerk Bochumer Verein gegossen worden. • Zur St. Clemens-Kirche gehören zehn Glocken, neun davon sind zu läuten. • Die 10. Glocke hängt außen an der Spitze. Es ist eine alte Uhrenglocke, die nur mechanisch zu läuten ist. Früher diente die Glocke dazu, die Uhrzeit anzugeben und den Bauern auf dem Feld zu signalisieren, wann Mittag ist. • Zwei Klepp-Glocken hängen im Dachreiter der Kirche. Sie werden kurz vor der Messe geläutet • Nachweislich hing bereits 1536 die erste Glocke im Turm. • Führungen unter: Tel 0 27 61 - 7 15 32
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