Prozess-Start gegen 18-Jährigen nach tödlicher Messerattacke in Finnentrop

Geplante Tat oder Wutausbruch?


Topnews
Archivfoto: Das Landgericht in Siegen. von Nils Dinkel
Archivfoto: Das Landgericht in Siegen. © Nils Dinkel

Siegen/Finnentrop. Ein 18-Jähriger aus der Gemeinde Wenden steht seit Dienstag, 11. Juni, vor dem Landgericht Siegen. Ihm wird vorgeworfen, am 3. Januar einen 72-jährigen Mann aus Finnentrop getötet zu haben.


Laut Staatsanwalt Rainer Hoppmann soll der Angeklagte 14 Mal auf das Opfer eingestochen haben. Ein Messer mit einer Klinge von etwa zehn Zentimetern wurde dabei verwendet. Der tödliche Stich traf das Herz.

Zudem wurden das Gesicht, der Rücken, der Oberkörper und der Hals verletzt. Nach dem Angriff bewegte sich das Opfer noch einige Meter in Richtung seiner Wohnung, bevor es zusammensackte und an den Verletzungen verstarb.

Erinnerungslücken beim Angeklagten

Der Angeklagte zeigte sich geständig, konnte sich jedoch an viele Details nicht erinnern. Er sagte aus, dass er wegen eines Termins beim Jobcenter früh das Haus verlassen habe. Im Bus sei er eingeschlafen und am Olper Busbahnhof aufgewacht. Da er noch Zeit hatte, sei er nach Finnentrop gefahren.

Dort sei er auf einem Fahrradweg dem Opfer und dessen Hund begegnet. Der 72-Jährige habe ihn wegen seiner Hautfarbe beleidigt. Auf Nachfrage wiederholte der Mann die Beleidigung.

„Ich bin dann auf ihn drauf”
— 18-jähriger Angeklagter

„Ich habe mein Messer aus der Jackentasche gezogen und bin dann auf ihn drauf. Ich war schlecht gelaunt an dem Tag. Ich war sehr verärgert über diese Bezeichnung“, so der Angeklagte.

Danach habe er das Messer in einen Mülleimer geworfen, sich auf einem Firmengelände und im Wald versteckt und sich später der Polizei gestellt. Im Gerichtssaal kam die Vermutung auf, dass der 72-Jährige zur falschen Zeit am falschen Ort war. Auf Nachfrage der Richterin sagte der Angeklagte: „Kann man so sagen.“

Die Richterin sagte, dass Wut kein Grund für einen minderschweren Fall sei. „Sie wussten genau, was Sie tun.“ Der Angeklagte konnte nicht erklären, warum er aufhörte, auf den Mann einzustechen. Zudem wirkte er während der Verhandlung desinteressiert und schläfrig.

Angeklagter wirkt desinteressiert

Laut einem Bericht der Jugendgerichtshilfe soll der Angeklagte das Opfer schräg angeschaut haben, was möglicherweise die Beleidigung auslöste. Der Angeklagte habe offenbar gelacht, als er der Jugendgerichtshilfe schilderte, wie das Opfer zu Boden ging.

Richterin Sabine Metz-Horst kritisierte das Auftreten des Angeklagten vor Gericht und forderte ihn auf, dem Opfer und den Hinterbliebenen Respekt zu zollen. „Ist Ihnen langweilig, oder warum schlafen Sie hier ein?“, sagte sie bestimmt.

Abseits der Vernehmung schaute der 18-Jährige stets zu Boden, hörte nicht aufmerksam zu, gähnte und hatte oft seine Augen geschlossen, während er auf seinem Stuhl saß wie in einem Sessel. Die Richterin musste den Angeklagten wiederholt bitten, lauter zu sprechen.

Nach Handyanalyse: War die Tat geplant?

Laut Sachverständigenbericht wollte der der Angeklagte dem Opfer eine Lektion für die Beleidigung erteilen. Aus der Auswertung seines Handys ergab sich, dass er sein Zuhause später als behauptet verlassen haben musste, sodass er seinen Termin nicht mehr rechtzeitig wahrnehmen konnte.

Zudem hatte er sich Ende Dezember und zuletzt am 2. Januar über einen Prozess eines 15-Jährigen informiert, der einen 43-Jährigen getötet hatte. Der Angeklagte konnte sich daran nicht erinnern.

„Wir müssen uns Gedanken machen. Vielleicht haben Sie das nächstbeste Opfer gesucht?“, so Sabine Metz-Horst. Es spreche alles gegen einen Zufall.

Zeugen berichten von Auffindesituation

Zwei Zeugen mit ausländischen Wurzeln, die das Opfer flüchtig kannten und ihn nicht als ausländerfeindlich beschrieben, berichteten von der Auffindesituation des Mannes. Ein Zeuge informierte den Rettungsdienst und die Polizei, während der andere den Hund nach Hause brachte und die Familie des Opfers informierte. Beide Zeugen berichteten, dass eine Ersthelferin das Gesicht des Opfers gesäubert habe.

Ein Rettungstransportwagen und ein Leichenwagen an der Kirchstraße. von Kai Osthoff
Ein Rettungstransportwagen und ein Leichenwagen an der Kirchstraße. © Kai Osthoff

Der Notarzt sagte, dass bei seinem Eintreffen bereits Reanimationsmaßnahmen erfolgten. Er ging von starken inneren Verletzungen aus und verabreichte Medikamente zur Blutstillung. „Es traten kurzzeitig Herzrhythmusstörungen auf und wir haben defibrilliert. Kurzzeitig war der Patient wieder da“, so der Notarzt. Die Reanimation wurde um 12.34 Uhr eingestellt.

Die Kinder des Getöteten, die als Nebenkläger auftraten, wurden beim Prozessauftakt von Marie-Theres Hanfland-Ullrich vertreten. Pflichtverteidiger des Angeklagten ist Rechtsanwalt Thomas Trapp. Anwesend war auch Holger Kühn von der Jugendgerichtshilfe.

Fortsetzungstermine:

Der Prozess wird am Donnerstag, 13. Juni, fortgeführt. Weitere Fortsetzungstermine sind am 17. und 20. Juni sowie am 1. und 4. Juli geplant.

Artikel teilen: