Inspiration in der Abgeschiedenheit
Rolf Bauerdick schreibt auf dem Roscheid an neuem Buch
- Finnentrop, 05.07.2015
- Von Barbara Sander-Graetz
Barbara Sander-Graetz
Redaktion
Der Verfall des Ostblocks hat Rolf Bauerdick immer fasziniert. Die Geschichten, die Menschen, die Umstände. Dabei ist er gar kein „Ossi“, sondern ein „Wessi“, genau gesagt, ein echter Sauerländer.
Was schreiben Sie lieber? Einen Roman oder ein Sachbuch?
Beides hat seinen Reiz. Bei einem Roman hat man schon ein Allmachtsgefühl. Die einzelnen Protagonisten handeln nach meinen Vorstellungen. Man muss zwar eine Logik in der Handlung haben, aber im Grund bin ich in meiner Erzählung frei. Das heißt aber auch, dass ich mich disziplinieren muss, damit die Phantasie nicht mit mir durch geht. Das ist bei einem Sachbuch genau umgekehrt. Da ist der Rahmen fest gegeben, in dem man sich bewegt.
Im Roman „Pakete an Frau Blech“ geht es um die tragische Familiengeschichte des Beleuchters Maik Kleine, der nach der Beerdigung seines Freundes, dem Zirkusdirektor Alberto Bellmonti seiner eigenen tragischen Familiengeschichte auf die Spur kommt. Dabei unterstützen ihn seine Freunde, der ehemalige Kapellmeister und die schwebende Jungfrau aus dem Zirkus. Wie kommt man auf so eine Idee?
Ich bin nach dem Mauerfall viel gereist und habe viele Menschen getroffen. Darunter auch eine Frau, die eine ganz persönliche Familientragödie ausgelöst hat. Sie behauptet, sie habe das unfreiwillig unter Drogen gemacht, die sie vom Staat bekommen habe. Ich weiß bis heute nicht, ob diese Geschichte stimmt oder nicht. Ist es wahr oder ihre Einbildung, ihre Illusion? Illusion ist auch ein wichtiges Stilmittel des Zirkus und so habe ich diese beiden Elemente im Buch zusammengefasst.
Aber es gibt in diesem Roman noch viel mehr, was den Leser fesselt?
Ja, da ist die Geschichte von Maik, dem Beleuchter, der selber nie im Licht stehen möchte, aber andere ins rechte Licht setzte. Schauplätze des Romans sind neben der Manege aber auch ein Jesuitenkolleg, eine Stasi-Giftküche in Leipzig, ein Fünf-Sterne-Hotel in Berlin und ein Budapester Hinterhof. Ich nehme dabei den Leser mit auf eine ganz spezielle Reise. Neben vielen fiktiven Figuren lasse ich in meinem zweiten Roman auch reale Personen vorkommen: zum Beispiel Markus Wolf. Wussten Sie, dass der legendäre DDR-Spionagechef ein Kochbuch über die Geheimnisse der russischen Küche verfasst hat und einer der Letzten war, der auf dem Sozialistenfriedhof in Berlin beigesetzt worden ist?
Da die große weite Welt in ihren Büchern, hier auf der anderen Seite der kleine, abgeschiedene Roscheid.
Ja, als ich damals von meinem viel zu früh verstorbenen Freund Hans Luke aus Heggen das Angebot bekam, mich hierher zum Schreiben zurück zu ziehen, war das ein echtes Geschenk. Seit nunmehr zwölf Jahren komme ich in diese Ferienwohnung, genieße die Idylle und Abgeschiedenheit, freue mich, wenn ich Besuch bekomme von meinen Freunden hier aus der Gegend und weiß, hier kann ich schreiben. Was will man mehr?