In der neuen Heimat Finnentrop zu altem Selbstbewusstsein gefunden

Yeva (13) floh aus Armenien


  • Finnentrop, 26.05.2022
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  • Von Julia Jänisch
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Yeva Hovsepyan hat in Finnentrop eine neue Heimat gefunden. von Julia Jänisch
Yeva Hovsepyan hat in Finnentrop eine neue Heimat gefunden. © Julia Jänisch

Finnentrop. Derzeit suchen erneut Menschen Zuflucht in Deutschland, vor allem aus der Ukraine.. 2014 musste auch die heute 13-jährige Yeva mit ihren Eltern aus Armenien fliehen. Im anfangs fremden Finnentrop fand Yeva zu altem Selbstbewusstsein zurück und schließlich auch eine neue Heimat.


Die Wände ihres Kinderzimmers ziert eine Tapete mit dem Muster einer Steinmauer – in schwarz-weiß. Auch die restlichen Möbel des Zimmers sind schwarz. „Das passt einfach zu allem“, erzählt Yeva Hovsepyan. „Wenn ich zum Beispiel mit grün dekorieren möchte, sieht es immer noch gut aus.“

Yeva lebt das Leben eines 13-jährigen Mädchens in Deutschland und sie ist glücklich darüber. Ihr neustes Hobby ist es, Mangas und Anime zu zeichnen. Stolz zeigt sie ihre Mappe mit den Zeichnungen der vergangenen Monate – so gut getroffen, dass sie von den Abbildungen in den Comicheften kaum zu unterscheiden sind. Bescheiden behauptet sie aber, kein Talent zu haben.

Yeva Hovsepyan ist aus Armenien geflüchtet. von privat
Yeva Hovsepyan ist aus Armenien geflüchtet. © privat

Dabei hat das Mädchen mit den braunen Augen und langen dunklen Haaren viele Talente und noch mehr Interessen, von denen sie begeistert erzählt. Schon mit sechs Jahren sollte sie in Armenien an nationalen Meisterschaften im Schwimmen teilnehmen und gewann einen Lesewettbewerb.

Damals, im Jahr 2014, sei ihr Leben perfekt gewesen. Sie war gerade in die erste Klasse gekommen. Ihre jungen Eltern hatten sich einen guten Lebensstandard erarbeitet und gemeinsam waren sie in ein schönes Haus in der armenischen Hauptstadt Jerewan gezogen. Kurze Zeit später wurden sie jedoch von der Regierung bedroht.

Kein Urlaub, sondern eine Flucht

Als dann sogar Yeva auf dem Schulweg beobachtet wurde, fassten sie einen Entschluss: An einem Tag im Herbst 2014 erzählten sie Yeva, sie würden nun eine Zeit lang Urlaub in Deutschland machen. Dass es kein Urlaub, sondern eine Flucht war, verstand die damals Sechsjährige zunächst noch nicht.

In ihrem Zimmer fehlt es ihr heute an nichts. Dass das so ist, hat sich die ganze Familie hart erarbeitet. Denn als Yeva im November 2014 mit ihren Eltern in Deutschland ankam, trugen sie nur ein paar Taschen mit dem Notwendigsten bei sich. Irgendwie schafften ihre Eltern es mit ihr nach Bielefeld. Es folgten sechs Wochen in Lagern in NRW.

Yeva Hovsepyan führt in Finnentrop das Leben eines normalen Teenagers. von privat
Yeva Hovsepyan führt in Finnentrop das Leben eines normalen Teenagers. © privat

Schließlich bekam die Familie eine Wohnung in Finnentrop zugewiesen. Dort begann für die kleine Familie endlich eine neue gute Zeit. Yeva verstand sich gut mit den Nachbarskindern und erkundete die Umgebung, um sich schnell heimisch zu fühlen.

Ende Februar 2015 wurde Yeva ins zweite Halbjahr des ersten Schuljahres eingeschult Das ehrgeizige Mädchen lernte innerhalb weniger Wochen Deutsch. So konnte sie das erste Schuljahr, das sie in Armenien begonnen hatte, in Deutschland beenden, ohne ein Jahr wiederholen zu müssen.

Muttersprache nicht verlernen

Sie ist stolz darauf, was sie kann und geschafft hat. Heute geht sie in die achte Klasse des Gymnasiums der Stadt Lennestadt. Wenn sie nicht gerade zeichnet, schreibt sie Geschichten oder macht Kung Fu. Jeden Tag schreibt sie ein paar Sätze auf Armenisch in ein Heft, um ihre Muttersprache nicht zu verlernen.

Nach Armenien zurück möchte sie aber nicht. Sie fühlt sich wohl in Deutschland. Später möchte sie einen Beruf ergreifen, der möglichst viel Abwechslung und möglichst wenig Routine bietet. Journalistin oder Detektivin vielleicht, am liebsten aber Schauspielerin. Doch das sei alles Zukunftsmusik – denn erst einmal lebe sie im Hier und Jetzt. In ihrer neuen Heimat, in Finnentrop.

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