Freie Wähler verärgert über „riskante" Zinswetten und Gerichtskosten

Bürgermeister Dietmar Heß weist Vorwürfe zurück


Die Freien Wähler für Finnentrop nehmen die Swap-Geschäfte der Gemeinde Finnentrop (siehe Infokasten) erneut zum Anlass, um Kritik an der Verwaltung und Bürgermeister Dietmar Heß zu üben: Die Zinswetten stellten nicht nur ein Risiko und eine Belastung für den kommunalen Haushalt dar, sondern hätten für den laufenden Rechtsstreit mittlerweile auch Kosten in Höhe von rund 106.000 Euro verursacht.


Exakt 105.875,94 Euro habe die Gemeinde bislang für Rechtsanwälte und Gerichtskosten aufbringen müssen. Das gehe aus einem Antwortschreiben aus dem Rathaus hervor, das die Wählergemeinschaft auf eine entsprechende Anfrage erhalten habe. Die Summe hätten die Freien Wähler lieber in die Sanierung von Straßen sowie Bolz- und Spielplatzen investiert gesehen, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung.
 von Sven Prillwitz
© Sven Prillwitz
Außerdem kritisieren der 1. Vorsitzende Marcell Hesse und seine Mitstreiter die „hohen Rückstellungen wegen der drohenden Verluste im Haushalt“, die sich von 2011 bis 2014 in Größenordnungen von rund 3,98 bis 4,72 Millionen Euro bewegt hätten. „Durch diese hochspekulativen Zinswetten besteht nun in absehbarer Zeit die Gefahr der finanziellen Handlungsunfähigkeit für die Gemeinde Finnentrop. Eine solide und nachhaltige Verwendung der öffentlichen Finanzen sieht jedenfalls anders aus“, erklären die Freien Wähler.
Heß: „Keine Wette auf Kosten der Steuerzahler“
Dietmar Heß weist die Kritik auf Nachfrage von LokalPlus zurück. „Hier wird der Eindruck erweckt, dass auf Kosten der Steuerzahler gewettet wird. Das ist aber Quatsch“, sagt der Bürgermeister. Zwar sei es richtig, dass die Gemeinde Geld für so genannte „Drohverluste“ und in dieser Höhe für den maximalen Schadensfall zurückgestellt habe. Verluste in dieser Bilanzposition würden sich allerdings nicht auf den Haushalt auswirken – und könnten damit „auch keine Einschränkungen für den Bürger“ bedeuten.
 von Prillwitz
© Prillwitz
Stattdessen könnten die Swap-Geschäfte sogar Geld in die Haushaltskasse spülen, sollten die Gerichte im Rechtsstreit zwischen der Ersten Abwicklungsanstalt (ehemals West-LB) und der Gemeinde zugunsten Letzterer entscheiden – weil die Bank ihre Aufklärungspflicht verletzt und falsch beraten habe. Dann könnten die „Drohverluste“ aufgelöst und in den Ertrag des laufenden Haushaltsjahres eingebracht werden.
„Erhebliche Erfolgsaussichten“ vor Gericht
Am 1. Oktober wird der Prozess vor dem Oberlandesgericht in Hamm fortgesetzt. In erster Instanz hatte das Gericht zu Gunsten der Kommune entschieden. Darüber hinaus kommt es am 12. November vor dem Landgericht Düsseldorf zu einer weiteren Verhandlung. „Bislang hat noch keine Kommune irgendein Verfahren in dieser Sache verloren“, sagt Heß und spricht von „erheblichen Erfolgsaussichten“. In diesem Fall wären auch die von den Freien Wählern ins Spiel gebrachten Gerichts- und Anwaltskosten hinfällig: „Damit ist die Gemeinde lediglich in Vorleistung getreten“, sagt Heß. Und verweist darauf, dass der Rat damals beschlossen habe, gegen die Klage der damaligen West-LB auf Zahlungen der Gemeinde juristische Schritte einzuleiten.
Worum geht es bei den Zinswetten?
Die West-LB hat vor Jahren mehreren Kommunen in Nordrhein-Westfalen angeboten, über Zinsgeschäfte („Swaps“) ihre Zinslast zu senken. Dabei ging es darum, auf die Entwicklung von Zinslaufzeiten oder Währungen im Vergleich zueinander zu wetten. Laut Dietmar Heß hätten damals sowohl die Gemeindeprüfungsanstalt als auch das Innenministerium des Landes NRW dieses Angebot der West-LB gebilligt und sogar empfohlen, um die „kommunalen Zinsverpflichtungen“ zu optimieren. Für zahlreiche Kommunen entwickelten sich die Swap-Geschäfte zu einem Verlustgeschäft in Millionenhöhe. Daraufhin wurde der West-LB vorgeworfen, die Städte und Gemeinden falsch beraten zu haben. Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof zunächst aufgehoben den Fall der Stadt Ennepetal, deren Klage als erste behandelt wurde, im April dieses Jahres zurück ans Oberlandesgericht verwiesen. Ein neues Urteil steht seitdem aus. (pri)
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