„Bauchgefühl kritisch überprüfen"

Camino-Tag: Regisseur und Autor David Sieveking im Interview


  • Finnentrop, 21.06.2015
  • Von Barbara Sander-Graetz
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    Redaktion

Gast des dritten  Camino-Tages: David Sieveking. von s: Barbara Sander-Graetz
Gast des dritten Camino-Tages: David Sieveking. © s: Barbara Sander-Graetz

Zum dritten Camino-Tag des Caritas-Zentrums Finnentrop mit dem Thema „Leben und Sterben mit Demenz - eine Herausforderung besonders für Angehörige“ hat Gertrud Dobbener, Leiterin Sozialer Dienst und Koordinatorin für Camino, am Samstag den Regisseur und Buchautor David Sieveking im Schloss Bamenohl begrüßt. Der Regisseur und Autor kennt sich in dem Thema bestens aus, denn mit dem Film und dem gleichnamigen Buch „Vergiss mein nicht“ dokumentiert er seine ganz persönliche Familiengeschichte. Seine Mutter Gretel erkrankte an Alzheimer und für die Familie beginnt eine Zeit, die alle verändert. Autor David Sieveking sprach mit LokalPlus über diese ganz persönliche Geschichte.


„Vergiss mein nicht“ ist eigentlich ein Dokumentarfilm. Ist das Buch dann das Buch zum Film?

Nein, während ich den Film gedreht habe, habe ich auch schon angefangen zu schreiben. Einige Dinge kann man nur in einem Buch verarbeiten, denn nicht alles, was es zum dem Thema Demenz und Alzheimer zu sagen gibt, passt in einen Dokumentarfilm. Besonders Zeiten in Krankenhäusern konnten und wollten wir nicht filmen. Außerdem findet man hier auch die Geschehnisse vor und nach dem Dokumentarfilm wieder.

Wie haben der Film und das Buch auch ihr Leben verändert?

Seit der Film im Januar 2013 in Deutschland erschienen ist, bin ich auf zahlreichen Veranstaltungen rund um das Thema Demenz, Alzheimer, Sterbebegleitung, Pflege oder auch Hilfe für Angehörige unterwegs. Ich zeige den Film oder lese wie heute beim Camino-Tag aus meinem Buch vor und diskutiere mit den Zuhörern. Durch die Honorare habe ich Unabhängigkeit für meine nächsten Filme gewonnen, die sonst wohl nicht möglich gewesen wäre.

Gibt es ein neues Filmprojekt?

Ja, ich bin Vater geworden und hier liegt der Fokus. Ich habe ganz neue Pflichten und der Film handelt vom Dschungel der Informationen, die wir heute bekommen. Ein Beispiel sind Impfungen. Richtig oder falsch? Oder was soll man machen?

Vertraut man bei der Erziehung nicht auch auf sein Bauchgefühl, es richtig zu machen?

Man sollte nicht immer auf sein Bauchgefühl hören. Das sollte man zumindest kritisch überprüfen. Das hat sich auch bei meiner Mutter gezeigt. Aus dem Bauchgefühl heraus haben wir ihr gesagt: Das habe ich dir doch gerade erzählt. Oder wir haben sie zu Aktivitäten gedrängt, die sie nicht mehr wollte, weil es sie verunsicherte und ihre Kraft kostete. Der Bauch sagte: Nun mach. Aber das war nicht unbedingt der richtige Weg.

Was ist ihr Fazit aus heutiger Sicht?

Heute wären wir natürlich besser gerüstet, sowohl im Umgang als auch mit der Pflege von demenziell veränderten Familienangehörigen. Wir hatten wenig Ahnung. Besonders bei der Pflege hätten wir uns Hilfe gewünscht, die auch Zeit hat und am Ende des Lebens um die speziellen Bedürfnisse von Sterbenden und Angehörigen weiß. Das, was hier Camino leistet.

Camino: Der Caritas-Hospizdienst ist ein Angebot des Caritas-Zentrums Finnentrop zur Begleitung von Menschen auf ihrem letzten Lebensweg. Es gelten die Grundsätze von Palliative-Care. Palliative-Care ist ein ganzheitliches Betreuungskonzept für Menschen im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung. Camino bedeutet, mit Einfühlungsvermögen und Sensibilität dem sterbenden Menschen in seiner Ganzheitlichkeit zu begegnen, mit Respekt seine Wünsche zu beachten und ein helfendes Netz um ihn und seine Familie zu spannen. Es geht darum,
• Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern • Schmerzen und belastende Symptome zu lindern • Pflege und Zuwendung zu ermöglichen • Angehörige zu befähigen, den letzten Weg des Sterbenden zu begleiten
Eine Grundhaltung der Palliative-Care ist die Akzeptanz der Endlichkeit des Lebens. Sterben als Teil des Lebens begreifbar zu machen und dem Einzelnen einen Abschied in Würde zu ermöglichen, sind die Ziele, die der Caritas-Hospizdienst Camino verfolgt.
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