Vierbeinige Models müssen „Gehen am Strick“ erst üben

Wochenlange Vorbereitungen für Ernte- und Tierschaufest


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Zahlreiche Tiere gibt es beim Ernte- und Tierschaufest in Drolshagen zu bestaunen. von Rüdiger Kahlke
Zahlreiche Tiere gibt es beim Ernte- und Tierschaufest in Drolshagen zu bestaunen. © Rüdiger Kahlke

Drolshagen. Im Osten blinzelt die Sonne durch die Wolken. Das Tief „Stefanie“ über Tschechien, das zum Wochenende jede Menge Regen mitbringen soll, hat es noch nicht bis Drolshagen geschafft. Ein kalte Dusche gibt es allenfalls für die ersten Rinder, die zum Ernte- und Tierschaufest am frühen Samstagmorgen aufgetrieben werden.


7.52 Uhr: Gerade mal sechs Kühe, zwei Pferde und ein paar Schafe sind an den Stangen auf dem Festplatz angebunden. Dann zockeln nach und nach Trecker oder Lkw an, laden ihre vierbeinige Fracht ab. Karolin und Tobias Kremer sind mit den Schafen die Vorhut der Familie. Sie sind „aus Spaß dabei, wenn der nicht wäre…“, sagt Karolin Kremer. Alle sind seit sechs Uhr auf den Beinen, um die Tiere zum Festplatz zu bringen. „Man trifft Leute, die man lange nicht gesehen hat“, sagt Tobias. Der mögliche Preis spielt für beide keine Rolle. „Wir treten meist gegen und selbst an“, schmunzelt Karolin. In zehn Kategorien, so weist es der Fest-Katalog aus, sind die Kremers die einzigen Aussteller.
Traditionspflege als Motivation
8.01 Uhr: Am Bierrondell werden die ersten Sitz-Garnituren aufgebaut, Lautsprecher werden ausgerichtet. Einer bindet seinen Bullen an. Katrin Engels sitzt mit ein paar jungen Leuten bei ihren Tieren. Auch sie waren schon früh auf den Beinen. Zwei Wochen vor der Schau hat sie mit den Vorbereitungen für  die Schau begonnen. Mit den Kühen haben sie das „Laufen am Strick“ geübt. Die Tiere wurden geschoren, am Morgen noch gewaschen. Was bringt es, wenn man in seiner Gruppe gewinnt? „Züchterisch nichts“, meint Katrin Engels. Für die junge Bäuerin geht es darum, die Tradition zu pflegen. Sie sieht die Schau als Teil der Öffentlichkeitsarbeit für die Landschaftwirtschaft - und freut sich doch, wenn die Mühe belohnt wird. Zumindest in einer Gruppe nimmt sie später noch im Vorführring Glückwünsche für den Sieg entgegen.
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Vierbeinige Models müssen „Gehen am Strick“ erst üben
 8.22 Uhr: Ziegen werden am Strick über die Wiese zu ihren Sammelpunkten geführt – mal störrisch, mal übermütig springend. Die Limousin-Bullen, hörnerlos, als Vorboten einer neuen Rindergeneration, schnauben. Wasser plätschert über den Anfahrtsweg. Michael Engel hat sich eine Gummischürze umgebunden. Er duscht seine Kühe ab, bevor er sie auf dem Festplatz hintern dem Namensschild anbindet. 20 Stunden an Aufwand hat in der Woche zuvor investiert, um die Kühe fit zu machen für das Schaulaufen vor dem Preisgericht. „Arbeit mit den Tieren und in der Natur“ begründet der Nebenerwerbslandwirt seine Teilnahme. Im Hauptberuf Industriekaufmann, investiert er die Zeit gerne, „um sich mit anderen zu messen.“
Tiere und Trecker: Eldorado für Kinder
8.48 Uhr: Laut Plan sollte der Auftrieb schon beendet sein. Der Platz füllt sich – mit Tieren und mit Zuschauern. An der „Rollenden Waldschule“ werden die Exponate, Keiler und Reh, neben dem Wagen aufgebaut und mit frischem Grün dekoriert. Helfer verteilen für neu ankommende Tierhalter noch Schilder. Im kleinen Pirk mümmeln Kaninchen das noch feuchte Gras. Dann, nach neun Uhr, beginnen die Preisrichter etwas verspätet mit ihrer Arbeit. In einem Ring führen die Rinderhalter ihr Tiere vor. Nebenan präsentieren Pferdehalter ihre Vierbeiner in verschiedenen Gangarten. Kinder können Kaninchen streicheln, sich Kälbern vorsichtig nähern oder auf alten Treckern so tun, als würden sie gleich lostuckern. – Volksfeststimmung auf dem Festplatz, die sich gegen Mittag ins Zelt verlagert. Für den Rhythmus zum Fest sorgt der Musikverein Frenkhausen.

Was den Münchnern die „Wiesn“, ist den Drolshagenern das Ernte- und Tierschaufest. Und das bringt vermutlich mehr Menschen auf die Beine und zum Festgelände als das Oktoberfest an der Isar – gemessen an der Einwohnerzahl. Parkplätze sind jedenfalls Mangelware. Einheimische wissen das und pilgern zum Festplatz – Kult halt.
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