Tussi mit Grips

Enissa Amani zeigt Programm „Zwischen Chanel und Che Guevara“


  • Drolshagen, 09.05.2015
  • Von Matthias Clever
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Süß und prollig. Oberflächlich und tiefgründig. Anti-Kapitalistisch und dennoch den Wunsch nach einer Handtasche von Chanel. Enissa Amani vereint scheinbare Kontraste. Gerade deswegen ist sie wohl die Neuentdeckung der deutschen Comedy-Szene. Eine einzigartige Vorstellung im Ganz-nah-dran-Format bot sie jetzt auf „rische's Kleinkunstbühne“ in Drolshagen. Im ausverkauften Haus begeisterte sie die gerade mal 70 Zuschauer.


Obwohl die Bühne klein ist, wirkt Enissa Amani verloren. Mit ihren langen gewellten Haaren und dem blau-weißen Kleid steht sie auf dem kleinen Podest. Mit ihren rot lackierten Fingernägeln spielt sie an der kleinen schwarzen Schleife an der linken Hüfte. Auf dem Absatz ihres linken Overknees-Stiefels dreht sie sich hin und her. Sie wirkt wie eine Schülerin, die eine Rede auf ihrem Abi-Ball halten will. Eine Stimme, die an Verona Poth erinnert, piepst: „Hallo zusammen“. Wenige Sekunden, nachdem sie die unschuldige Fassade aufgebaut hat, reißt sie sie wieder ein: „Sind meine Stiefel eigentlich zu nuttig für Drolshagen?“ Von den Stiefeln, die über ihre Knie reichen, springt Enissa zu ihrer Teilnahme an der RTL-Tanzshow „Let's Dance“, die ihr einen großen Popularitätsschub gebracht hat. Direkt nach dem Training mit ihrem Profi-Tanzpartner Christian Polanc fuhr sie nach Drolshagen. „Ein wirklich drolliger Ort.“
Bussis für die Zuspätkommenden
Holz vor den Hütten, Kühe auf den Wiesen und Ortschaften wie Neger und Unterneger sorgen bei Enissa Amani für Erstaunen. Zusammen mit den Zuschauern unterhält sich die Deutsch-Perserin über die Gegend. „Ich liebe es, vor so kleinen Gruppen aufzutreten. Das ist so intim. Jetzt lernen wir uns erstmal kennen.“ Bussis für die Zuspätkommer, Tipps für Pärchen in der „Klarmach-Phase“ und Kleidungstipps – immer wieder tauscht sich Enissa mit ihren Zuschauern aus. Das höchste Lob für gut gestylte Mädels ist eine Ghetto-Faust mit dem Spruch „Kleidschwester“. „Ihr seid bestimmt alle gekommen, um mal eine Perserin zu sehen. Hier gibt’s bestimmt keine.“ Es folgt die Erklärung, warum sich Iraner Perser nennen. „Das klingt eher nach Perserkätzchen und nicht nach Sprengstoffgürtel.“ Die Menge lacht. Immer wieder überrascht Amani ihr Publikum mit intelligentem Witz und Selbstironie. „Gleich kommen wir noch zu den ‚Oh‘-Witzen. Das sind die, wo ihr euch fragt, ob es politisch korrekt ist, zu lachen.“ Es sei wichtig, Humor nicht zu begrenzen. Banker, Behinderte und Menschen mit Migrationshintergrund bekämen alle einen ab. Wie Gangster-Rap die Gesellschaft verwandelt hat und Worte wie „Hurensohn“ und „Bastard“ in den Sprachgebrauch gebracht hätten erklärt sie. Harte Worte, die ihrer Meinung nach aber nicht so schlimm seien. „Idiot“ werde schließlich auch von älteren Menschen einfach so gebraucht.
Geboren im Iran, geflüchtet nach Deutschland, wuchs sie in Frankfurt auf. Enissa Amani hatte es als Kind nicht leicht. Kommunistische Eltern, Protest-Schultüten, Fladenbrot mit Nutella in Alu-Folie, Geschichten von Genosse Lenin zum Einschlafen – wer so aufwächst, muss sich später als Kabarettistin auf die Bühne stellen, um das zu verarbeiten. Der Titel „Zwischen Chanel und Che Guevara“ beschreibt ihr Programms perfekt. Mitte 2013 begann die Tochter eines politisch verfolgten Literaten und einer Ärztin mit der Stand-up-Comedy auf offenen Bühnen und hatte nach einigen Nummern einen Auftritt bei NightWash. Es folgte TV Total und danach die große Bühnen. Rezessionen in Zeitungen folgten, in denen Kritiker sie als „persische Volker Pispers“ titulierten. „Da werden Vergleiche gezogen, die vollkommen abwegig sind. Das einzige, was gleich ist, sind die Haare.“ Schlagfertig. Clever. Witzig. Enissa Amani beweist, dass Schönheit und Intellekt ganz und gar kein Widerspruch sind. Enissa ist eine Tussi. Ein Proll. Eine Schönheit. Eine Rhetorikerin. Ein Unikat.
rische's Kleinkunstbühne
Einzigartige Auftritte in einer ganz persönlichen Atmosphäre: Das ist es, was rische's Kleinkunstbühne ausmacht. rische's zeichnet sich durch die absolute Nähe zwischen Publikum und Künstlern aus. Bei 70 Plätzen sind die Gäste immer ganz nah dran. Die Veranstaltungen werden so zu einem besonderen Erlebnis, fast wie eine Privatvorstellung.
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