Krimi mit Gaumenkitzel und Bahnfahren als letztes Abenteuer

„Aus-Lese“ im Hützemerter Bahnhof


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Stefan Ratay, Anke Strugalla und Michael Heuel (von links) erwiesen sich bei der "Aus-Lese" als perfekt eingespieltes Team. von Rüdiger Kahlke
Stefan Ratay, Anke Strugalla und Michael Heuel (von links) erwiesen sich bei der "Aus-Lese" als perfekt eingespieltes Team. © Rüdiger Kahlke

Drolshagen. Das Gedränge im Gang eines Zuges, eindringlich gelesen, war fast physisch spürbar. Die Macht, die Uniformierte zu haben glauben, greifbar. Der Gleichmut im Bistrowagen bekannt. „Thank you for travelling“, natürlich mit falsch gesprochenem ti-eitsch, war Titel der ersten Geschichte. Und die hätte bei der „Aus-Lese“ passender nicht sein können. Der Waggon im alten Hützmerter Bahnhof diente am Freitagabend, 12. Oktober, als Bühne für ein neues Veranstaltungsformat.


Denn: Die erste Geschichte spielte - ausgerechnet - in der Bahn. Der Schauspieler Michael Heuel sowie Anke Strugalla und Stefan Ratay, beide bekannt als Akteure des Konnex-Theaters und vielen durch ihren Auftritt in „Die Wunderheilung“ noch gut in Erinnerung, glänzten mit einer Lesung, die über weite Strecken eher einer Theateraufführung glich.

Pointierte Gestik und Mimik, stimmliche Wandlungen und sprachliche Dramaturgie machten die Lesung zu einem Gesamtkunstwerk, zu einem sinnlichen Erlebnis zudem. Zu dem Block mit Geschichten rund um Wein gab es vorab einen roten Primitivo. Der Name hat, wie Ratay und Heuel erklärten, nichts mit primitiv zu tun, wohl aber mit der edlen Rebe aus Italien. Zum Krimi mit vergiftetem Kaffee gab es süß verpackte Kaffeebohnen. Zum Hör- kam so der Gaumengenuss. Das Kaffee-Aroma untermalte das akustische Krimi-Erlebnis mit dem Kitzeln der Geschmacksnerven.
Zufällige Bekanntschaft
Das Potpourri der Geschichten war ein Extrakt aus Lesungen, die der aus Gerlingen stammende Michael Heuel auf der „Aida“ gelesen hatte. Mehrere Wochen hatte der Schauspieler damit Kreuzfahrt-Gäste unterhalten. Er wusste, was ankam, wie das Publikum reagiert. Bei einem Workshop mit den Laien-Schauspielern des Konnex-Theaters aus Drolshagen kam der Kontakt zu Anke Strugalla und Stefan Ratay zustande. Zufällig.
 von Rüdiger Kahlke
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Ein Zufall mit Folgen. Als der Profi Heuel dann noch „Die Wunderübung“ gesehen hatte, wusste er: „Die brauchen sich vor keinem zu verstecken“. Beide hatten Lust, mit Heuel zusammen etwas zu machen. Zum Glück, möchte man nach der Lesung in Hützemert sagen.

Das Ergebnis nach nur drei Proben überzeugte das Publikum. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal des Bahnhofs spannte das Trio den Bogen von Alltagsgeschichten über Krimis bis hin zu Beziehungsklüngel. Die Bräuche der Bahn wurden am Beispiel einer Zugfahrt von Stuttgart nach Göttingen satirisch aufs Korn genommen.
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Die Szenen unterstrichen, was die Akteure angekündigt hatten: „Bahnfahren ist das letzte große Abenteuer. Man weiß nie, was als nächstes passiert.“ Dazu gab es jeweils Lebenshilfe: „Umsteigen vermeiden.“ Jedenfalls wenn man am gleichen Tag noch sein Ziel erreichen will.
„Bürokraten-Marathon“ - ein Aha-Erlebnis
Beziehungsprobleme reichten von der Liebe zum Wein bis zur wahren und zur tragischen (tödlichen) Liebe. Es ging um kriminelle Pläne, die dem Urheber entglitten oder, im „Bürokraten-Marathon“, um die Persiflage auf das Versicherungsgebaren der Unternehmen, die Kunden mit Fragenbögen in den Wahnsinn treiben. Ein Aha-Erlebnis, eine Parallele zum Publikums-Alltag.
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Die Zugabe, „Eine Frage der Ehre“, nahm das Publikum der „Aus-Lese“ gerne mit. Es hatte einen erlesenen Abend erlebt. Unterhaltung, leicht und entspannend.

Dorfverein und Akteure haben damit ein Ausrufezeichen gesetzt. Einer Neuauflage dürfte damit nichts im Wege stehen. Und wer vor der ersten Herbstferien-Woche nochmal richtig entspannen und sich gut unterhalten (lassen) will, hat dazu noch am Sonntag, 14. Oktober, eine Chance. Ein Spaziergang zum Bahnhof Hützemert und um 16 Uhr in die „Aus-Lese“.
 von Rüdiger Kahlke
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