Gegen den Trend: Tobias Gräve ist mit 25 Jahren Fahrlehrer für alle Klassen

Branche kämpft mit massiven Nachwuchsproblemen


  • Drolshagen, 27.01.2018
  • Von Sven Prillwitz
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Zum Job des Fahrschullehrers gehört nicht nur, mit den Schülern auf der Straße unterwegs zu sein, sondern auch die Theorie-Schulung. Einmal wöchentlich unterrichtet Tobias Gräve in Drolshagen. von Sven Prillwitz
Zum Job des Fahrschullehrers gehört nicht nur, mit den Schülern auf der Straße unterwegs zu sein, sondern auch die Theorie-Schulung. Einmal wöchentlich unterrichtet Tobias Gräve in Drolshagen. © Sven Prillwitz

Drolshagen. In einer Branche, die zunehmend mit Überalterung und Nachwuchsproblemen zu kämpfen hat, ist Tobias Gräve bundesweit eine der großen Ausnahmen. Weil der Drolshagener mit seinen 25 Jahren einer der wenigen ganz jungen Fahrlehrer ist. Und weil er bereits Fahrlehrer für alle Klassen ist, vom Mofa über den Pkw bis hin zu Lkw und Bus.


Manchmal sorgt er für Verwunderung. Vor allem wenn er denjenigen als Fahrlehrer vorgestellt wird, die den Lkw-Führerschein machen wollen. Kein Wunder: Das Durchschnittsalter von Fahrlehrern liegt bundesweit bei 55 Jahren. Allerdings hat Tobias Gräve bereits jede Menge Erfahrung gesammelt am Steuer von Mehrtonnern: Nach dem Realschulabschluss und dem Fachabitur in Wirtschaft und Verwaltung ließ sich der Drolshagener zum Berufskraftfahrer ausbilden. Mit 20 Jahren fuhr er bereits durch Europa – mit Lkws und Reisebussen.

Als 21-Jähriger begann Tobias Gräve dann die Ausbildung zum Fahrlehrer für alle Klassen. Mit 22 stieg er offiziell in das Unternehmen seines Vaters Wolfgang ein. Der 59-Jährige führt seit zehn Jahren zusammen mit Hermann Jadatz die „Fahrschule Gräve & Jadatz“, die längst als eine Institution für Fahranfänger im Kreis Olpe gilt. Fünf Fahrlehrer in Vollzeit sind hier beschäftigt, einer in Teilzeit. Bei stets voller Auslastung, sagt Wolfgang Gräve.
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Die Fahrschule sucht einen weiteren Vollzeit-Ausbilder, was sich jedoch als schwieriges Unterfangen erweist. Denn es gibt immer weniger Fahrlehrer, und vor allem die Nachwuchssuche gestaltet sich in der Branche bundesweit als schwierig. Wolfgang Gräve spricht von einem „massivem Problem“. Von seinem Sohn abgesehen, sind bei „Gräve & Jadatz“ alle Ausbilder längst jenseits der 50 und auch 60.
Bundesweit immer weniger Fahrschullehrer
Damit liegt die heimische Fahrschule voll im Trend: Das Durchschnittsalter von Fahrlehrern liegt bundesweit bei rund 55 Jahren – und dürfte sich weiter erhöhen. Laut Kraftfahrt-Bundesamt habe sich die Anzahl der Fahrlehrer in Deutschland zwischen 2011 und 2017 um 10.500 auf rund 44.500 reduziert, berichtete der WDR im Dezember 2017. Ein Grund für den Nachwuchsmangel: die hohen Ausbildungskosten von knapp 10.000 Euro. Ein weiterer Grund sei der hohe Aufwand.

Der Job des Fahrlehrers ist ein zeitintensiver Job. Die Hauptarbeitszeiten fallen in den Nachmittags- und frühen Abendstunden an. Auch samstags sind die Fahrlehrer mit ihren Fahrschülern unterwegs. Dazu kommen die Theorieschulungen, die ohnehin abends stattfinden; dreimal pro Woche je 90 Minuten sind es bei „ Gräve & Jadatz“ am Standort Drolshagen. Auch Fortbildungen stehen immer mal wieder an, meist an den Wochenenden. „Dass wir in der Branche ein unheimliches Nachwuchsproblem haben, liegt natürlich auch an den vergleichsweise unattraktiven Arbeitszeiten“, sagt Tobias Gräve. Die sind für ihn aber kein Problem, zumal sein Berufswunsch schon „mit 16 oder 17“ festgestanden habe.
„Ruhig und cool bleiben“
Er hat Spaß an seinem Job, auch wenn er nicht selbst am Steuer, sondern an den Pedalen sitzt und immer die Augen offenhalten muss. „Das Wichtigste ist, immer ruhig und manchmal auch cool zu bleiben“, sagt der Drolshagener. Jeder Fahrschüler sei anders, sodass sich ein Fahrlehrer „immer wieder auf andere Situationen“ einstellen müsse. Das sei spannend, koste aber auch Kraft, denn die Verantwortung liegt letztendlich immer beim Fahrlehrer.
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Deshalb ist Tobias Gräve ein Negativ-Ereignis auch besonders im Kopf geblieben: Vor knapp zwei Jahren flog einer seiner Fahrschüler, der auf einem Motorrad unterwegs war, aus einer Kurve. Mensch und Maschine landeten in der Böschung. Tobias Gräve fuhr, wie es üblich ist, im Auto hinterher, war nur über Funk mit dem Schüler verbunden und machtlos. „Das ist der große Nachteil beim Motorrad, du hast als Fahrlehrer in der Praxis keine Möglichkeit, direkt einzugreifen“, sagt der 25-Jährige. Fahrschüler und –lehrer kamen damals mit dem Schrecken davon, beide verarbeiteten das Erlebnis. Tobias Gräve traf keine Schuld, was ihm sein Vater und auch der Fahrschüler versicherten.
„Ich bin ein schlechter Beifahrer“
Die schönsten Erfahrungen dagegen: „Wenn jemand eine Prüfung bestanden hat und sich freut. Vor allem, wenn sich derjenige vorher etwas schwer getan hat“, sagt Tobias Gräve. Am liebsten bildet er übrigens Fahrschüler aus, die den Lkw-Führerschein machen. Wer Sattelschlepper lenken will, brauche neben einem „guten räumlichen Denken“ vor allem eines: Ruhe und eine gewisse Abgebrühtheit am Steuer. Insbesondere wenn es ums Einparken mit Auflieger geht. „Da darf man sich nicht unter Druck setzen lassen, auch nicht wenn andere drum herum stehen oder hupen. Im Zweifel muss man halt nochmal neu ansetzen“, sagt der Drolshagener.
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Als „normaler“ Beifahrer, wenn er also mal nicht die Fahrschullehrer-Fußpedale vor sich hat, werde er regelmäßig nervös. „Ich zucke dann schon. Ich bin ein schlechter Beifahrer“, sagt Tobias Gräve lachend. Berufskrankheit. Deswegen versucht er als Privatmensch in der Regel auch selbst hinterm Steuer zu sitzen.
Falsches Vorurteil
Mit einem, wenn nicht dem klassischem Vorteil schlechthin kann der 25-Jährige übrigens aufräumen: Frauen fahren seiner Erfahrung nach nicht schlechter als Männer, sie parken auch nicht schlechter ein. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass Frauen „eventuell etwas bedachter“ zu Werke gehen, sagt Tobias Gräve – und das sei alles andere als verkehrt. Was dem Fachmann allerdings generell immer wieder auffällt: „Grundsätzlich zehn Stundenkilometer schneller zu fahren als erlaubt, hat sich eingebürgert. Und bei Stoppschildern halten die meisten auch nicht an, sondern rollen einfach langsam weiter.“

Wie es richtig geht, wird Tobias Gräve noch zahllosen Verkehrsteilnehmern beibringen. Für den 25-Jährigen steht nämlich fest, dass er die Fahrschule auf jeden Fall weiterführen will, wenn sein Vater Wolfgang sich in den Ruhestand verabschiedet. Das „Nachwuchsproblem“ wird er – Stand jetzt – wohl erben.
Verkürzte Ausbildung zum Fahrlehrer

Für die Ausbildung zum Fahrschullehrer gilt seit 1. Januar ein neues Gesetz. Danach ist es nicht mehr erforderlich, die Fahrerlaubnis für Motorrad und Lkw vorweisen zu können. Außerdem wurde die Ausbildungsdauer von zwölf auf zehn Monate verkürzt. Damit sollen zugleich die Ausbildungskosten gesenkt werden. Das Mindestalter für Fahrschullehrer wurde von 22 auf 21 Jahre heruntergesetzt.
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