Die blinde und stumme Augustine hatte in Marsberg keine Chance

Initiative „Opfer des Nationalsozialismus in Drolshagen“


Auszug aus der Krankenakte der Provinzial-Heilanstalt Marsberg, der den Tod einer deportierten Frau dokumentiert. von privat
Auszug aus der Krankenakte der Provinzial-Heilanstalt Marsberg, der den Tod einer deportierten Frau dokumentiert. © privat

Drolshagen. Im April 1943 wird das St.-Gerhardus-Hospital in Drolshagen in ein Militärlazarett umgewandelt. Die zumeist geistig und körperlich behinderten Patientinnen der Station St. Joseph werden in die Provinzial-Heilanstalt Marsberg verlegt.


Mit dabei ist auch die damals 33-jährige Augustine. Schon im Alter von zwölf Jahren ist das aus Gelsenkirchen stammende junge Mädchen nach Drolshagen ins St. Gerhardus-Hospital gekommen. Das blinde Mädchen wird in der Krankenakte als freundlich und zufrieden charakterisiert.
Gewicht unter 32 Kilo
Dabei kann sie nicht sprechen und es ist „keinerlei Verständigung“ mit ihr möglich. „Wenn man sich ihr nähert und wenn sie Musik oder Gesang hört, lächelt sie vergnügt“. Wegen ihrer Blindheit muss sie gefüttert werden, auch kann sie nicht ohne Unterstützung gehen. Ihr Gewicht liegt in den 20 Jahren, die sie in Drolshagen verbringt, meist unter 32 Kilo.

Als Augustine in Marsberg eintrifft, kommt sie in eine psychiatrische Anstalt, die sich im Kriegsmodus befindet. Es gibt zu wenig Nahrungsmittel und Medikamente. Die Anstalt ist vollkommen überbelegt und es gibt zu wenig Personal, zumal viele Ärzte und Pfleger zum Militär eingezogen worden sind.
Verlegung ein Todesurteil
Die stark untergewichtige Frau, die auf viel Fürsorge angewiesen ist, die gefüttert, beim Gehen gestützt und umgezogen werden muss, hat dort kaum eine Chance. Für sie ist die Verlegung nach Marsberg ein Todesurteil. So lautet der Akteneintrag vom 10.9.1943: „Ganz hinfällig, nimmt nur mehr ganz wenig Nahrung zu sich, schläft immer“ und am 21.9.1943 „heute 15.45 Uhr gestorben - Todesursache: Völlige Entkräftung.“

Die „Erinnerungsinitiative Opfer des Nationalsozialismus in Drolshagen“ hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, an das Schicksal der Menschen mit Behinderung während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu erinnern.
Interessenten willkommen
Das nächste Treffen findet am Mittwoch, 11. September, 19.30 Uhr, im Heimathaus in Drolshagen statt. Wer sich für die interessiert oder die Gruppe unterstützen möchte, ist eingeladen. Infos gibt es per Mail an Erinnerung-in-Drolshagen@gmx.de
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