Wie NRW-Städte diese Herausforderungen angehen

Autofreie Innenstädte, weniger Parkraum:


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Die Schwebebahn in Wuppertal-Vohwinkel. von adobe.stock „ mojolo “ 358126599
Die Schwebebahn in Wuppertal-Vohwinkel. © adobe.stock „ mojolo “ 358126599

Im Westen. Auf den Straßen der Städte wird es immer enger. Anwohner und Pendler, Einzelhändler und Lieferfahrzeuge konkurrieren um Straßen- und Parkraum. „Autofreie Innenstädte“ sind vielerorts das Ansinnen von Lokalpolitik, Klimaschützern und Initiativen. Schließlich geht der Autoverkehr in den Innenstädten zu Lasten von Umwelt, Luft- und Aufenthaltsqualität und läuft den ehrgeizigen Klimazielen des verkehrsreichsten Bundeslandes zuwider. Bis zum Jahr 2045 soll NRW klimaneutral werden.


Zwischen den verschiedenen Nutzer- und Interessengruppen zu vermitteln und tragfähige Konzepte zu entwickeln, stellt die Städte in Nordrhein-Westfalen wie auch in anderen Bundesländern vor enorme Herausforderungen.

Autofreie Innenstadt stößt oft auf Widerstand

Bessere Luft, weniger Lärm, mehr Freiräume und Lebensqualität für kleine und große Bewohner: diese Ziele haben sich viele Städte in Nordrhein-Westfalen auf die Fahne geschrieben. Von Bielefeld über Münster und Dortmund bis Wuppertal und Aachen sollen private Pkw aus bestimmten Bereichen der Innenstädte verbannt und Parkflächen zum Beispiel durch das Aufstellen von Bänken zu Aufenthaltsbereichen umgestaltet werden.

Doch nicht bei allen stoßen diese Konzepte auf eine positive Resonanz. So scheiterte in Bielefeld der Versuch, die Altstadt autofrei zu machen am Widerstand aus der Bevölkerung. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Minden bescheinigte sogar die Rechtswidrigkeit der Sperrung für einen Teilbereich. Nach einer Pilotphase von neun Monaten mussten die Projektverantwortlichen alle Maßnahmen zurückbauen. Wenngleich das Vorhaben „autofreie Bielefelder Altstadt“ fürs Erste auf Eis liegt, kündigte die Politik trotzdem eine Fortsetzung an.


Kritische Stimmen gegen autofreie Innenstädte
Parkende Autos vor einem Bürogebäude. von adobe.stock „ Roman Babakin “ 313182783
Parkende Autos vor einem Bürogebäude. © adobe.stock „ Roman Babakin “ 313182783

Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen

Kritiker von autofreien Innenstädten befürchten oft eine Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Hierzu zählen zum Beispiel Familien mit Kindern. Die Organisation von Beruf, Kita und/oder Schule ist ohne Pkw meist nicht möglich. Auch für Senioren, Kranke und Schwerbehinderte sind Fußwege und die Nutzung von Bussen und Bahnen, zum Beispiel um notwendige Arztbesuche wahrzunehmen, oft nicht machbar.

Zudem sind längst nicht alle öffentlichen Verkehrsmittel barrierefrei. Für Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, stellen autofreie Innenstädte ebenfalls eine Herausforderung dar. Viele Städte vergeben daher für diese Personengruppen Ausnahmegenehmigungen.

Logistische Herausforderungen für Handwerker

Das Konzept der autofreien Innenstadt stößt in vielen NRW-Städten vor allem bei einer Interessengruppe auf Skepsis: Handwerker sehen dem Wegfall von Parkraum, Zufahrtsbeschränkungen und Sperrungen vielfach mit Besorgnis entgegen. Einsätze in der Innenstadt erfordern eine sorgfältige Planung und Logistik. Für manche Arbeiten ist „Schweres Gerät“ erforderlich, das nur mit entsprechend großen Fahrzeugen transportiert werden kann.

Bei Wasserrohrbrüchen, Strom- oder Heizungsausfällen ist für Umwege oder eine langwierige Parkplatzsuche in der Regel keine Zeit - ein Problem, das übrigens nicht nur Handwerker, sondern auch zum Beispiel Pflegedienste betrifft.

Zwar bieten einige Städte Ausnahmegenehmigungen und Parkausweise für Handwerker und andere Dienstleister an. Sind Parkplätze limitiert, ist es allerdings fraglich, ob diese Sonderregelungen helfen.

Einzelhandel fürchtet Nachteile

Die Beliebtheit des Online-Shoppings setzt den lokalen Einzelhandel unter Druck. Angesichts autofreier Innenstädte und dem Wegfall von Parkflächen vor den Ladenlokalen befürchten die Inhaber ein zusätzliches Abwandern der Kundschaft zur Konkurrenz auf der „Grünen Wiese“.

In vielen Städten, die ein Pkw-Verbot oder eine Parkraumverknappung durchgesetzt haben, haben sich die Bedenken des Einzelhandels nicht bewahrheitet. Stattdessen haben lokale Geschäfte davon profitiert: Studien zufolge geben Kunden, die mit dem Rad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV zum Einkaufen kommen, zwar weniger Geld pro Einkauf aus, suchen aber das Geschäft häufiger auf.

Die Gründe dafür sind vielfältig. So hat es der stationäre Handel selbst in der Hand, das autofreie Umfeld ansprechend zu gestalten und Kauf- und Verweilanreize zu bieten, mit denen der Online-Handel oder große Einkaufszentren in der Vorstadt nicht aufwarten können. Die meisten Kunden wissen diese persönliche Atmosphäre zu schätzen, der Parkplatz vor dem Ladengeschäft verliert an Strahlkraft.

Auf diese Konzepte setzen Verkehrspolitiker
Eine Rednerin während einer Debatte. von adobe.stock „ pressmaster “ 465899293
Eine Rednerin während einer Debatte. © adobe.stock „ pressmaster “ 465899293

Parkraummanagement - wichtigste Stellschraube städtischer Verkehrspolitik

Viele Lokalpolitiker haben das Parkraummanagement als wichtigste Stellschraube für die städtische Verkehrspolitik identifiziert.

Ein durchschnittlicher Parkplatz benötigt 12,5 Quadratmeter Fläche. Das entspricht in etwa einem Kinderzimmer. Dementsprechend negativ und ineffizient stufen Verkehrsexperten den ruhenden Verkehr ein - vor allem, weil statistisch gesehen ein Pkw nur 45 Minuten pro Tag bewegt wird . Einige Autos verlassen ihren Parkplatz sogar wochenlang nicht. Nicht zu vergessen die Falschparker, die zudem eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer darstellen.

Viele Kommunen setzen mittlerweile auf ein nachhaltiges Parkraummanagement, größtenteils digital gestützt. Es bietet sowohl für Metropolen als auch für Provinzstädte die Möglichkeit, Verkehrsmengen, Verkehrsflüsse und das Mobilitätsverhalten gezielt zu steuern - zum Beispiel über die Ausweisung oder Reduzierung von Parkflächen, zeitliche Mehrfachnutzung von Parkplätzen oder Parkgebühren.

Viele dieser Ansätze werden in der Bevölkerung emotional diskutiert. Besonders einer Verknappung von Parkflächen und Gebührenerhöhungen (z.B. für Anwohnerparkausweise) stehen Anwohner, Pendler und Gewerbetreibende gleichermaßen ablehnend gegenüber. Hier erarbeiten die Kommunen Maßnahmen, um die Mobilität dieser Anspruchsgruppen in der Stadt weiterhin aufrechtzuerhalten.

Innenstädte werden fußgänger- und radfahrerfreundlicher

In den letzten Jahren haben viele Städte in NRW den Straßen- und Parkraum für Autos reduziert und den Fokus stattdessen auf andere, klimafreundliche Fortbewegungsmittel gelegt. So entstanden auf ehemaligen Parkflächen Verweil- oder Spielzonen sowie Gastronomieangebote. Innerstädtische Straßen wurden für den Autoverkehr gesperrt, um Fahrrädern mehr Platz einzuräumen. Solche Maßnahmen, so die Meinung der Befürworter autofreier Innenstädte, zahlten nicht nur auf den Klimaschutz, sondern auch auf die Aufenthaltsqualität ein.

Ein Lastenrad steht auf einem Gehweg. von privat
Ein Lastenrad steht auf einem Gehweg. © privat

Der Fahrrad- und E-Bike-Boom hat während der Corona-Pandemie auch die fahrradfreundliche Umgestaltung vieler Innenstädte beschleunigt. Wenngleich diese Verkehrsmittel das Auto nicht vollständig ersetzen können, so nehmen sie bei der innerstädtischen Verkehrswende einen zentralen Platz ein - sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich: Lastenräder, so die Prognose von Verkehrsexperten, werden verstärkt in der Logistik, zum Beispiel bei der Verteilung von Paketen, zum Einsatz kommen.

Verbesserte Mobilitätsangebote für Pendler

Für viele Pendler ist das Auto, vor allem auf langen Strecken, das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Hier arbeiten vor allem größere Städte, aber auch viele Arbeitgeber daran, umweltfreundliche Alternativen aufzuzeigen. Besonders die Kombination verschiedener Verkehrsmittel wie Fahrrad oder E-Bike und ÖPNV kann bisweilen schneller sein als der Arbeitsweg mit dem Pkw zuzüglich der Parkplatzsuche.

Vor allem das E-Bike steht seit einigen Jahren bei Pendlern hoch im Kurs - auch, weil sich dank des Elektromotors auch Fahrradmuffel wieder in den Sattel schwingen. Zudem lassen sich mit dem E-Bike auch größere Distanzen und Steigungen komfortabel überwinden.

Wer Auto oder Fahrrad mit dem ÖPNV kombiniert, ist auf sichere, frei zugängliche Parkflächen angewiesen. Dies klingt zuerst einmal recht simpel, in der Umsetzung ist die Berücksichtigung solcher Kriterien für Städte und Kommunen allerdings nicht so einfach. In vielen NRW-Städten sind öffentliche Parkplätze leider auch weiterhin Mangelware. Gleiches gilt für die Tarifgestaltung der Verkehrsverbünde und die Möglichkeit der Fahrradmitnahme in Bahnen und Bussen.

Quellenangaben/weiterführende Informationen:

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