Ess-Störungen: Bei jungen Mädchen leider keine Seltenheit

Alarmsignale beachten


Friederike Schneider-Hanses ist Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin an der DRK-Kinderklinik Siegen. von DRK-Kinderklinik Siegen
Friederike Schneider-Hanses ist Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin an der DRK-Kinderklinik Siegen. © DRK-Kinderklinik Siegen

Siegen. Das Kind hat oft „keinen Hunger“, studiert die Nährwertangaben ganz genau oder möchte auf keinen Fall mehr kurze Sachen tragen? Alles Punkte, die Friederike Schneider-Hanses, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin an der DRK-Kinderklinik Siegen, bekannt vorkommen.


Als Therapeutische Fachleitung der psychosomatischen Station hat sie in den vergangenen Jahren immer mehr mit Magersucht, Ess-Brech-Sucht und ähnlichen Krankheiten zu tun. Fast ausschließlich davon betroffen sind junge Mädchen – teilweise gerade einmal zehn oder elf Jahre alt. „Von einer Ess-Störung spricht man, wenn das Essverhalten und das Körperbild eines Menschen gestört sind“, meint Friederike Schneider-Hanses.

„Die Gedanken kreisen zunehmend um Nahrung, Kalorienwerte und das eigene Aussehen. Die Art und Menge der Mahlzeiten verändert sich stark, das Gewicht verringert sich. Bei der Ess-Brech-Sucht kommt es zu häufigen Fress-Attacken, die mit anschließendem Erbrechen einhergehen.“ Zusätzlich werde häufig viel Sport getrieben, still sitzen sei für viele Patienten kaum möglich. Alles Punkte, die die Eltern beim Nachwuchs durchaus ernst nehmen sollten.

Die Auslöser sind häufig psychische Probleme. Deshalb muss neben den Symptomen gleichzeitig auch die Ursache behandelt werden, um eine Ess-Störung zu heilen. „Mit Ess-Störungen gehen meist körperliche und seelische Schäden einher“, weiß die Psychotherapeutin aus der täglichen Praxis. „Die Krankheitsbilder können dabei sehr ernste Konsequenzen haben – in Extremfällen sogar bis hin zum Tod.“

Thema befeuert

Die sozialen Medien aber auch die Corona-Zeit haben das Thema befeuert. Virtuelle Challenges unter den Jugendlichen – wer beispielsweise am meisten innerhalb eines bestimmten Zeitraums abnimmt – tragen das Übrige dazu bei. Die Lücke zwischen Realität und Wirklichkeit klafft immer weiter auseinander. Den eigenen Körper nehmen Betroffene nur noch verzerrt wahr.

Die Patienten erkennen nicht, dass sie zu dünn sind, sondern erleben sich weiterhin als zu dick. Dies verringert oft die Krankheitseinsicht und auch die Behandlungsmotivation. Ist das Untergewicht erst einmal da, lassen die Folgen nicht lange auf sich warten. Trockene Haut, zu niedriger Blutdruck und Puls aber auch Folgeschäden bei den Organen oder dem Knochenbau sind die Konsequenz.

Auch der Hormonhaushalt verändert sich, was sich wiederum beim Kind negativ auswirkt. „Eltern sollten ihren Zögling genau im Blick behalten und mit Fingerspitzengefühl vorgehen“, warnt die Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin. Was bedrückt oder belastet Dich? Wie können wir Dir helfen? Alles Fragen, die gestellt werden müssen.

Zügig Kinderarzt aufsuchen

„Im Ernstfall sollten die Eltern mit ihrem Nachwuchs zügig den Kinderarzt aufsuchen – auch wenn es gegen den Willen des Kindes ist. Er kann wiegen, die Größe messen und abklären, ob wirklich Grund zur Sorge besteht.“

Wichtig in dem Zusammenhang zu wissen: Ein Body-Mass-Index, kurz BMI, unter 17,5 gilt offiziell als Untergewicht ab dem 16. Lebensjahr. Die BMI-Altersperzentilen können in jüngeren Jahren einen Hinweis auf die Gewichtsentwicklung und das Vorliegen eines Untergewichts geben.

Ist Gefahr im Verzug kennt der Kinderarzt die entsprechenden Beratungs- und Anlaufstellen für eine effiziente Hilfe. Einige Mädchen und Jungen davon kommen dann auch in der Kinderklinik unter. Vor Ort sind 14 Tagesklinische Plätze vorhanden. Die Behandlungsdauer richtet sich nach dem individuellen Verlauf.

„Im Anschluss an den Klinikaufenthalt sollte auf eine gute ambulante Betreuung wert gelegt werden, damit keine Therapielücke entsteht“, meint Friederike Schneider-Hanses. „Schließlich gilt: Die Krankheit birgt die große Gefahr der Wiederholung. Viele Patienten brauchen mehrere Behandlungen, bevor sie mit dem Thema Ess-Störungen abschließen können – leider.“

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