Düstere Zukunftsprognosen - „Unsicherheiten waren selten größer“
Konjunkturumfrage der IHK Siegen
- Aus der Region, 17.05.2022
- Wirtschaft
Kreis Olpe/Siegen. „Seit Monaten bremsen Preissteigerungen und Lieferengpässe bei Rohstoffen, Energie sowie Vorprodukten die wirtschaftliche Entwicklung. Der Krieg in der Ukraine verschärft diese Probleme nun deutlich. Hinzu kommen die Risiken eines vollständigen Energieembargos sowie die Null-Covid-Strategie in China: Alles in allem eine toxische Mischung. Die Unsicherheiten waren selten größer.“
So kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der neuesten IHK-Konjunkturumfrage, an der sich knapp 500 Unternehmen mit mehr als 37.000 Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungsgewerbe in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein beteiligt haben.
Obwohl die Zukunftserwartungen auf breiter Front zusammenbrechen, analysiert Hensel: „Es ist erfreulich, wie robust ein Großteil der heimischen Unternehmen immer noch dasteht. Was die Unternehmen jedoch vor der Brust haben, zeigt der historische Absturz der Zukunftsaussichten, der sogar stärker ausfällt als zu Beginn der Corona-Pandemie. Besonders düster fallen die Prognosen im Baugewerbe, im Großhandel und in Teilen der Industrie aus.“
IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener ergänzt: „Wir hatten gehofft, dass wir die lange Corona-Durststrecke langsam hinter uns hätten. Klar ist mittlerweile jedoch vielerorts: Wir kommen vom Regen in die Traufe. Schlimmer geht eben immer.“
Die Probleme nähmen durch den gewaltigen Container-Stau in Shanghai deutlich zu. Ein Ende der Preisspirale und Materialknappheit sei nicht in Sicht. Die Unternehmen würden zudem deutlich zurückhaltender bei Beschäftigung und Investitionen.
84 Prozent der Unternehmen aus den beiden Kreisen sind direkt bzw. indirekt von den Folgen des Krieges betroffen. Besonders starke Auswirkungen spürt die heimische Industrie. Dennoch befürwortet die überwältigende Mehrheit die Sanktionen gegen Russland, unterstützt dabei jedoch zugleich ein Vorgehen mit Augenmaß.
Klaus Gräbener stellt fest: „Es kann keine Sanktionen zum Nulltarif geben. Allerdings ist es auch nicht besonders klug, sich selbst stärker zu schwächen als den Gegner. 86 Prozent der heimischen Betriebe unterstützen daher das eher behutsame Vorgehen der Bundesregierung, sich nur schrittweise von der großen russischen Energie-Abhängigkeit zu lösen.“
Bei den Auftragseingängen berichtet jedes dritte Unternehmen von geringeren Auftragseingängen. Entsprechend gehen große Teile der Industrie von Umsatzrückgängen aus. Zudem breche die Ertragslage förmlich ein.
War in der Vergangenheit die Bauwirtschaft ein wichtiger konjunktureller Stabilisator, schlagen nun die Engpässe und die exorbitant hohen Preise bei nahezu sämtlichen Materialien voll durch. Zahlreiche Unternehmen berichten von gestoppten oder verschobenen Bauprojekten, weil die Preise durch die Decke gehen.
Dagegen fällt die Lagebeurteilung im Einzelhandel besser aus als zu Jahresbeginn. Ein Viertel der Händler konnte in den vergangenen Monaten seine Umsätze steigern. Konjunktur- und Statistikexperte Stephan Häger: „Trotz Aufhebung der Corona-Zugangsbeschränkungen ist der Aufholprozess noch nicht richtig in Gang gekommen. Steigende Lebenshaltungskosten, gepaart mit großer Unsicherheit der Verbraucher, belasten immer stärker das Konsumverhalten.“
Von der Kaufzurückhaltung besonders betroffen ist der Kfz-Einzelhandel, den zudem starke Lieferverzögerungen bei Neuwagen sowie ein Mangel an Gebrauchtwagen belasten. Noch spürbarer verbessert sich die Geschäftslage im Gastgewerbe. Allerdings ist wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Hoffnung auf eine Erholungsphase verhalten.
Die Stimmungslage in der regionalen Dienstleistungsbranche ist gedämpft. Der Blick auf die kommenden Monate ist von Pessimismus geprägt, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in anderen Wirtschaftszweigen. Erstmals seit knapp zwei Jahren überwiegen auch hier die negativen Zukunftserwartungen.