Bewegende Erfahrungen: Bus Brücke holt Menschen aus der Ukraine ab

Wer Wohnraum zur Verfügung stellt, rettet Leben


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Bei der Abholaktion in Lemberg konnten insgesamt 44 Menschen aus der Ukraine in Sicherheit gebracht werden. von Florian König
Bei der Abholaktion in Lemberg konnten insgesamt 44 Menschen aus der Ukraine in Sicherheit gebracht werden. © Florian König

Kreis Olpe/Sauerland/Ukraine. 26 Kinder, 18 Frauen und 2 Männer konnte die Bus Brücke bei der letzten Abholaktion direkt aus der Ukraine mit nach Deutschland und damit in Sicherheit bringen. Die Helfer und Unterstützer haben eine unbeschreiblich emotionale und nervenaufreibende Reise hinter sich.


Bombenalarm, Abschiedsszenen und elf Stunden an der polnisch-ukrainischen-Grenze, um auf die Ausreise zu warten. Florian König und Albrecht Brodhun von der Bus Brücke berichten von der Abholaktion.

Eine Reise in ein Land, in dem Krieg herrscht. Wie hat die Bus Brücke das organisiert?

Wir hatten – wie auch die letzten Male – Unterstützung von einer polnischen Tochtergesellschaft der Prange Gruppe. Diese hat uns den Bus vermittelt, diesen mit Lebensmitteln für die Fahrt bestückt und die Reise für uns organisiert. Um 2 Uhr am Samstagmorgen ist die Helfergruppe aus dem Sauerland in Lemberg angekommen.

Wie ist der Kontakt mit den Menschen, die die Ukraine verlassen wollten, zustande gekommen?

Viele Menschen hatten sich im Vorfeld über Freunde und Verwandte, die in Plettenberg, Attendorn oder generell in Deutschland leben, gemeldet, dass sie mit uns die Ukraine verlassen möchten. Andere haben uns über Facebook und Instagram angeschrieben und sind durch das ganze Land gereist, um mit uns zu fahren. In Lemberg am Bahnhof haben wir zudem noch weitere Menschen aufgelesen. Wir sind froh, dass wir so vielen Menschen unsere Hilfe anbieten konnten.

Viele Menschen verlassen die Ukraine. Was ist das für ein Gefühl, in das Land hinein zu fahren?

Es ist ein komisches und auch beklemmendes Gefühl. Als würde man gegen den Strom schwimmen. Die Stopps an den Checkpoints im Landesinneren haben dieses Gefühl noch einmal unterstrichen. An jedem Checkpoint sind Soldaten in die Busse gekommen, um unsere Pässe zu kontrollieren.

Wir hatten Helfer dabei, die selbst erst vor kurzem aus der Ukraine geflüchtet sind, um dem Krieg zu entgehen. Jetzt sind sie wieder mittendrin. Gerade während der Bombenalarme, die wir miterlebt haben, ging mir dieser Gedanke immer wieder durch den Kopf. Sie erleben das jetzt noch einmal mit, weil sie unsere Organisation unterstützen und andere Menschen in der Ukraine helfen möchten.

Einige der Helfer, die die Reise begleitetet haben, sind erst selbst vor kurzem aus der Ukraine geflüchtet. von Florian König
Einige der Helfer, die die Reise begleitetet haben, sind erst selbst vor kurzem aus der Ukraine geflüchtet. © Florian König

In der Nacht hat die Gruppe mehrfach einen Bombenalarm in Lemberg erlebt. Der Raketenalarm hat uns aus dem Tiefschlaf gerissen. Wir mussten immer wieder in den Keller des Hotels, um uns in Sicherheit zu bringen. Dieses Erlebnis hat uns noch einmal darin bestärkt, den Menschen zu helfen, die dort weg möchten.

Und mit der Ausreise kam die Erleichterung?

Es war schon ein Gefühl der Erleichterung, es unversehrt aus dem Land heraus geschafft zu haben. Unmittelbar, nachdem wir Lemberg verlassen haben, sind Raketen eingeschlagen und es gibt Tote und Verletzte. Trotz der prekären Lage würden wir aber jederzeit wieder hinfahren, um Menschen aus dem Land hierhin zu holen.

Dafür benötigen wir nur genügend Wohnraum, um den Menschen eine Unterkunft anbieten zu können. Wir bitten deshalb jeden, der eine Wohnung anbieten kann, dies zu tun. Sie ermöglichen den Menschen in Sicherheit zu leben und retten damit Leben.

Derzeit hört man in den Medien, dass vermehrt Geflüchtete zurückreisen. Insbesondere nach den Erlebnissen am Wochenende glaube ich, dass diese Menschen sich in falscher Sicherheit wägen. Viel von dem, was in der Ukraine passiert, bekommen wir in Deutschland gar nicht mit.

Wie lässt sich die Atmosphäre in der Ukraine beschreiben?

Es herrscht eine große Hilfsbereitschaft. Gleichzeitig ist die Atmosphäre sehr gedrückt. Läden, Restaurants und Bars sind in Lemberg geöffnet, aber man sieht kein einziges Lächeln. Die Angst und die Ungewissheit sind allgegenwärtig. Vor allem die Angst, einen geliebten Menschen nicht wiederzusehen.

Da sind Frauen, die sich von ihren Männern verabschieden, Kinder von ihren Vätern und es ist einfach kein Ende des Krieges in Sicht. Das ist unendlich traurig und erschütternd.

Wir standen bei der Ausreise mit dem Bus in einer Schlange und mussten warten. Unsere Pässe und das Gepäck wurden mehrfach kontrolliert. Es war sehr viel los, aber das rechtfertigt meines Erachtens keine elf Stunden. Das hat mir den Eindruck vermittelt, dass man den Menschen in der Ukraine derzeit Barrieren aufbauen möchte, um ihnen die Ausreise zu erschweren.

Wie geht es den Menschen jetzt, die mit der Bus Brücke nach Deutschland gekommen sind?

Es war ein bewegendes und anstrengendes Wochenende. Alle Menschen, die mit uns gekommen sind, konnten wir noch am Abend der Ankunft in ihre Unterkünfte bringen. Sie sind sehr dankbar, dass wir ihnen geholfen haben.

Das Foto entstand kurz bevor der Bus in Plettenberg ankam. Die Reise zog sich durch die ständigen Kontrollen in die Länge. von Florian König
Das Foto entstand kurz bevor der Bus in Plettenberg ankam. Die Reise zog sich durch die ständigen Kontrollen in die Länge. © Florian König

Die Bus Brücke möchte auch weiterhin vor Ort helfen. Das ist allerdings nur möglich, wenn Wohnungen vorhanden sind – nicht nur im Märkischen Kreis und im Kreis Olpe, auch darüber hinaus. Betreffende, die Wohnungen für Familien zwischen vier und sieben Personen anbieten möchten, können sich bei Vivien Köster unter der Telefonnummer 0171-1688734 oder per E-Mail an busbruecke@akzente.org melden. Wer seine Wohnung bereits bei der Kommune registriert hat, aber seit Wochen keine Zuweisung erhalten hat, kann die Bus Brücke ansprechen.

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