„Soziale Komponenten gehören zum Lernen einfach dazu“

LokalPlus blickt hinter verschlossene Türen – Akademie Biggesee


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Akademieleiter Udo Dittmann und Bildungsreferentin Ines Gerke-Weipert würden gerne wieder Gäste in der Akademie Biggesee in Empfang nehmen. von Adam Fox
Akademieleiter Udo Dittmann und Bildungsreferentin Ines Gerke-Weipert würden gerne wieder Gäste in der Akademie Biggesee in Empfang nehmen. © Adam Fox

Neu-Listernohl. Leben und Lernen unter einem Dach, dafür steht kaum etwas mehr als die Akademie Biggesee. Doch in Corona-Zeiten bleibt das Leben in der Akademie angesichts des Lockdowns auf der Strecke. Wie das Lernen dennoch umgesetzt wird und wie die vergangenen Monate gelaufen sind, erzählen Udo Dittmann, Leiter der Akademie, und Ines Gerke Weipert, Bildungsreferentin, im Gespräch mit LokalPlus.


In der Akademie Biggesee geht es international zu. Nicht nur Menschen und Gruppen aus ganz Deutschland haben sich seit 1981 politisch in Neu-Listernohl fort- und weitergebildet. Auch Tunesier, Israelis und Chinesen sind hier schon zu Gast gewesen. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass auf Udo Dittmanns Visitenkarte auch das englische Wort „managing director“ steht.

70 Prozent weniger Veranstaltungen 2020

Seit März 2020 gibt es nicht nur mehr zu managen, auch die Abläufe mussten immer wieder angepasst werden. Je nachdem, was möglich angesichts der jeweiligen CoronasSchutzverordnung. Von 120 Plätzen im Speisesaal durften vor dem Lockdown höchstens 32 besetzt werden, maximal 55 statt 87 Betten konnten belegt werden. Entsprechend hoch waren auch die Ausfälle: 70 Prozent aller Veranstaltungen wurden 2020 abgesagt. Und auch 2021 wird kein Rekord-Jahr werden. Zurzeit befinden sich alle Mitarbeiter in Kurzarbeit.

Momentan ist der Speisesaal leer. Vor dem Lockdown durften nur 32 von 120 Menschen zeitgleich essen. von Adam Fox
Momentan ist der Speisesaal leer. Vor dem Lockdown durften nur 32 von 120 Menschen zeitgleich essen. © Adam Fox

Besonders ungerecht hat Dittmann eine Regelung empfunden, die die Politik vergangenen Oktober erlassen hatte. So war es zum damaligen Zeitpunkt möglich, berufliche und musikalische Weiterbildungsangebote anzubieten, politische hingegen nicht. Bedeutet im Alltag: Während ein Seminar für angehende Kommunalpolitiker nicht möglich war, konnte ein Seminar beruflicher Bildung einer sozialen Einrichtung stattfinden.

„Ist politische Bildung infektiöser als berufliche Bildung?“

Dittmann wollte den Erlass nicht hinnehmen und fragte bei den zuständigen Ministerien in Düsseldorf nach, weshalb das eine gehe und das andere nicht. Er stellte die Frage: „Ist politische Bildung infektiöser als berufliche Bildung?“ Die Antwort der Ministerien war, man müsse ja „irgendwie“ die Zahlen runter kriegen. Eine Antwort, die zeige, dass es vielen Politiker heute an Pragmatismus fehle, findet Dittmann. Auf eine Verfassungsbeschwerde habe er verzichtet, da wenig später Seminare aller Art abgesagt werden mussten.

Nicht verzichten möchte man hingegen auf die Seminare, auch wenn diese nun nicht wie gewohnt als Präsenzlehrgänge stattfinden können. Bildungsreferentin Ines Gerke-Weipert erzählt, dass man deshalb eine „Digitalisierungsoffensive“ gestartet habe. Online-Schulungen und -Konferenzen gehören nun fest dazu und auch Hybrid-Veranstaltungen im Sommer wie beispielsweise das Gespräch der Attendorner Bürgermeisterkandidaten und Ratskandidaten im Vorfeld der Kommunalwahl hätten gut funktioniert. Die ein oder andere Renovierungsarbeit wurde auch realisiert. Aktuell wird der Tischtennisraum umgebaut.

Der Tischtennisraum hatte seine besten Tage hinter sich. Die Arbeiten werden demnächst abgeschlossen. von Adam Fox
Der Tischtennisraum hatte seine besten Tage hinter sich. Die Arbeiten werden demnächst abgeschlossen. © Adam Fox
Interesse für Politik gewachsen

Trotz all der technischen Möglichkeiten stellt Ines Gerke-Weipert fest: „Soziale Komponenten gehören zum Lernen einfach dazu.“ Sie wünscht sich, möglichst schnell wieder Gäste in der Akademie Biggesee empfangen zu dürfen. Langfristige Planungen sind allerdings angesichts der oft wechselnden Vorgaben und Regelungen kaum möglich..

Abschließend stellen Dittmann und Gerke-Weipert fest, dass durch Corona das Interesse der Menschen an Politik gewachsen sei. Im privaten Bereich tausche man sich mehr über politische Dinge aus. Viele bisher politisch wenig interessierte Bürger würden feststellen, dass Politik doch mehr mit ihnen zu tun habe als gedacht.

Gleichzeitig entstehe bei vielen Menschen das Gefühl, nicht gehört zu werden. Hier empfehlen beide, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren. Denn mit Selbstengagement in Initiativen könne man gemeinsam viel erreichen.

Termine im Überblick

Die Akademie Biggesee wird dieses Jahr Veranstaltungen anbieten. Ob und inwieweit diese in Präsenz stattfinden können und dürfen, bleibt abzuwarten. Hier ein Auszug der Termine:

  • 4. bis 6. Juni: Dialog mit Andersdenkenden
  • 2. bis 4. Juli: Wer nicht redet, wird nicht gehört!
  • 9. bis 11. Juli: Frisch gewählt und nun? Einstieg in die Rats-/Kreistagsarbeit

Preise sowie weitere Infos zu den Seminaren gibt es unter www.akademiebiggesee.de oder per Telefon: (02722) 7090.

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