Schüler lernen an historischen Orten

Erinnerungskultur am Rivius-Gymnasium in Attendorn


„Geschichte ist doch Vergangenheit und Gegenwart ist Gegenwart“ – solche Aussagen hören Geschichtslehrer relativ häufig, nicht nur von Schülern. Um bei den Schülern ein historisches Bewusstsein zu erreichen, findet der Geschichtsunterricht am Rivius-Gymnasium Attendorn auch an besonderen historischen Lernorten statt. Dort können sich die Schüler unmittelbar mit einzelnen Aspekten der Geschichte auseinandersetzen.


Stichpunkt Erinnerungskultur: Diese wird nur aus der Perspektive der Gegenwart auf die Vergangenheit verständlich. „Geschichte ist nicht einfach das Ergebnis von historischen Ereignissen, sondern die Geschichte wird erst durch unser Erinnern zu dem, was sie für uns ist“, erklärt Wiebke Boecker, Lehrerin am Rivius-Gymnasium. Zeitgenossen hinterlassen Quellen, die von Historikern analysiert und interpretiert werden. Boecker: „Bei der Interpretation der Vergangenheit spielt immer das Denken der Gegenwart eine Rolle. So haben z.B. die DDR und die BRD die Geschichte des Nationalsozialismus anders aufgearbeitet und präsentiert, weil die Zielsetzung, was man mit der Geschichte erreichen möchte, eine andere war.“
Geschichte als Legitimation
Geschichte diene häufig als Legitimation für gegenwärtiges Handeln. Dadurch werde aus der bloßen Vergangenheit Geschichte, die aus unserer heutigen Zeit geschrieben werde. Eine besondere Rolle fällt dabei dem Geschichtsunterricht in den Schulen zu. Geschichte wird immer wieder neu gedacht und reflektiert. Doch zuvor müssen die Schüler erst einmal die Fakten kennen und sie als veränderbar erfahren. Wiebke Boecker: „Dann kann Geschichte als Teil des eigenen Lebens erfahren werden.“
Zu Besuch in Auschwitz
Um diese Kompetenz eines historischen Bewusstseins zu erreichen, findet der Geschichtsunterricht am Rivius-Gymnasium auch an besonderen historischen Lernorten statt. Dazu machen sich die Leistungskurse der Q2 jedes Jahr auf den Weg nach Polen, um sich mit der Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz zu beschäftigen. Diese Tage der Begegnung mit einem Erinnerungsort führen zu intensivem Nachdenken über das eigene Handeln und dazu, dass die Schüler sich als ein Teil der Geschichte sehen. Die Grundkurse fahren nach Weimar, dort werden sie durch den Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald ebenfalls mit einem Ort der Geschichte konfrontiert. Darüber hinaus haben die Schüler in diesem Schuljahr einen Vortrag von Rainer Eppelmann besucht, um auch im Bereich der DDR-Geschichte die Möglichkeit zum Austausch mit wichtigen Zeitzeugen zu bekommen. Wiebke Boecker: „Gerade durch diese Begegnungen wachsen bei vielen Jugendlichen das Interesse an der Geschichte und die Wahrnehmung davon, dass Geschichte auch etwas mit uns zu tun hat.“
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Schüler lernen an historischen Orten
So erweiterten in diesem Jahr außerdem der Besuch eines Vortrags über Bismarck von Christoph Nonn, ein Geschichtsnachmittag mit Dr. Irmtrud Wojak aus München, ein Konzert der Auschwitzüberlebenden Esther Bejarano in Köln sowie Gespräche über unsere Geschichte mit Gefangenen in der JVA den Horizont der Rivianer.
Historie der eigenen Schule
Einen Schwerpunkt bildete außerdem die Auseinandersetzung mit der Geschichte der eigenen Schule, denn Fragen nach dem Verhalten der Schule in den beiden Weltkriegen und dem Ziel der Bildung in den verschiedenen Zeiten der letzten 500 Jahre entwickelten sich automatisch durch die Beschäftigung mit der Weltgeschichte. Durch das Produzieren von eigenen Forschungsergebnissen waren die Schüler direkt Teil der Erinnerungskultur, nicht nur ihre Rezipienten. (LP)
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