„An ganze Abschnitte aus meinem Leben kann ich mich nicht mehr erinnern. Da war ich so betrunken, dass die komplette Erinnerung fehlt.“ Bernd Goebel kann heute ganz offen über seine schlimmste Zeit sprechen. Der Attendorner ist seit elf Jahren trockener Alkoholiker und hat seine Sucht auf ganz spezielle Weise aufgearbeitet – mit einem außergewöhnlichen ehrlichen Buch: „Heimlich-unheimlich … habe ich getrunken.“ Am Mittwochabend fand zum zweiten Mal eine Lesung in der Buchhandlung Frey in Attendorn statt. „Die Nachfrage war so groß, dass wir nach der ersten Lesung sofort einen zweiten Termin angesetzt haben“, erklärt Michael Frey. Das Ergebnis auch dieses Mal: volles Haus.
Es geht ans Eingemachte. Mit deutlichen Worten, wie man sie wohl nur selten von einem Betroffenen zu hören bekommt, fesselt Bernd Goebel seine Zuhörer und gewährt tiefe Einblicke in sein Leben zwischen Beruf, Ehemann, Familienvater und Alkoholiker. Fasziniert folgt das Publikum seinen Ausführungen. Er liest Passagen aus seinem Buch, doch viele Dinge erzählt er frei und fesselnd. In der letzten Reihe sitzen auch Ehefrau Anja und Tochter Laura. Auch für sie ist es nicht leicht, diese Jahre nochmals Revue passieren zu lassen. „Ich habe immer daran geglaubt, dass er es schafft“, erklärt Anja Goebel auf die Frage, wie sie es all die Jahre an der Seite ihres alkoholkranken Mannes ausgehalten hat.
Schonungslos – vor allem gegen sich selbst – erzählt dieser, wie er täglich getrunken hat, wie seine Familie leiden musste, wie ihm letztlich alles egal war. Dabei bleibt der 50 Jährige immer authentisch. Sein Humor ist unschlagbar, seine Offenheit unerschütterlich. Er erzählt, wie er als Kind am Eierlikör naschte, Beruhigungstabletten seiner Oma stibitzte und einwarf. Wie er sich erkundigte, wann er am besten morgen zur Arbeit fahren kann, damit er nicht betrunken am Steuer erwischt wurde. „Ich war morgens immer der erste in der Firma, denn um 6 Uhr war damals Schichtwechsel bei der Polizei. Genau um die Uhrzeit bin ich gefahren, denn dann waren keine Kontrollen.“
Doch schießlich kam der Tag, an nichts mehr ging. „Ich habe letztens einen Zettel von damals gefunden, auf dem ich etwas aufschreiben wollte. Die Schrift ist nicht mehr zu entziffern, denn meine Hand hat so sehr gezittert, dass ich nicht mehr richtig schreiben konnte, wenn ich nicht einen gewissen Pegel hatte.“ Der bestand am Ende aus drei Flaschen Wodka plus mehreren Flaschen Bier- pro Tag.