Attendorn. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster, die Sanierungssatzung als Basis des Innenstadtentwicklungskonzeptes im Rahmen des Normenkontrollverfahrens für unwirksam zu erklären, hat für heftige Reaktionen in der Ratssitzung am Mittwoch, 12. Dezember, gesorgt. Ein Kritikpunkt des Gerichtes: Mangelhafte Information für die Ratsmitglieder durch die Verwaltung.
Marius Becker (FDP/Die Grünen) nutzte den Anlass zu einer Stellungnahme zum generellen Umgang der Verwaltung mit der Politik. „Erst kürzlich, als es um unsere Klage und dem damit verbundenen erheblichen Kollateralschaden Thema Modepark Röther oder um die Causa Thielke ging, wurden unsere sachlichen Fragen abgebürstet. Wir mussten uns Inkonsequenz, Unsachlichkeit und andere unschöne Dinge sagen lassen. Es war eindeutig erkennbar: Kritik ist nicht erwünscht“, so Becker. Und weiter: „Wir haben schon länger das Gefühl, dass wir häufig von der Verwaltung nicht oder nur unzureichend informiert und selbst bei Nachfragen vertröstet und mit unbestimmten Aussagen abgespeist werden.“
Auch Klaus Rameil (CDU) machte seinem Ärger Luft: „Hier ist etwas grundsätzlich falsch gelaufen. Das Ansehen der Stadt wurde mit Füßen getreten.“ Dabei gehe es ihm nicht um die Fehler, die gemacht worden seien, sondern um „die Arroganz der unkontrollierten Macht. Die Verwaltung nimmt uns nicht ernst und stellt uns wie dumme Jungs da.“
Nun habe man keine Satzung mehr und man könne nicht einfach in die alte, vorherige Satzung einsteigen, so Rameil weiter. Das wollte Bauamtsleiter Carsten Graumann erst juristisch prüfen lassen. „Wie gut ihre juristischen Prüfungen sind, haben wir ja hier gesehen“, konterte Rameil.
Ralf Warias (FDP/Die Grünen) forderte von Bauamt und Bürgermeister nun Führungsstärke und wies darauf hin, dass der Stadt auch eine Klagewelle auf Schadensersatz drohen könnte für die unzulässigen Einträge ins Grundbuch der betroffenen Grundstücksbesitzer.
Bürgermeister Christian Pospischil hatte zuvor eine Stellungnahme verlesen. Darin entschuldigte er sich für die Vielzahl von Fehlern im Verantwortungsbereich der Stadt, die dazu geführt hätten, dass die Satzung für unwirksam erklärt worden sei. Auch für die vom Gericht bemängelten fehlenden Unterlagen für die Ratsmitglieder bat er um Verzeihung, wobei er einräumte, dass diese Unterlagen allen Ratsmitgliedern aus vorangegangenen Sitzungen bekannt gewesen seien. „Wir haben in keinem Fall wissentlich falsche Informationen oder Unterlagen vorgelegt.“
Kosten, so Pospischil, für die Grundbucheintragungen würden nicht anfallen. Diese würden zum 3. Januar 2019 unwirksam, da dann die Sanierungsatzung unwirksam werde. Auch hoffe die Stadt, dass die zugesagten Förderungen für das Innenstadtentwicklungskonzeptes ohne wirksame Sanierungssatzung Bestand hätten. Dazu wolle man noch vor Weihnachten Gespräche mit der Bezirksregierung führen. Laut erster Einschätzung des städtischen Rechtsbeistandes sei es möglich, sowohl eine neue Satzung aufzustellen als auch für die unwirksam erklärte Satzung ein ergänzendes Verfahren durchzuführen und sie rückwirkend wieder in Kraft zu setzen.
Der Bürgermeister versprach, Änderungen in der Organisationsstruktur und den Arbeitsprozessen der Stadtverwaltung zu prüfen, um eine Wiederholung solcher Fehler zu verhindern. Während Wolfgang Teipel (CDU) dieses Urteil auch als „Ohrfeige für den Rat“ sah, beschrieb Gregor Stuhldreier (SPD) die Situation als ernst. „Eklatante Mängel liegen uns zu Füßen und wir müssen damit umgehen.“ Er sehe aber keinen Vertrauensbruch zur Verwaltung und appellierte, den Blick nach vorn zu richten.
Meinolf Schmidt (UWG) war sich sicher, dass diese Diskussion der Stadt mehr schade als nütze. „Wir müssen mit dem Innenstadtentwicklungskonzept vorankommen und es wieder nach vorne bringen.“
2016 hat die Stadt eine Sanierungssatzung erstellt. Die Aufstellung einer Sanierungssatzung wurde als ein wichtiger Beitrag für die Bewilligung von Fördermitteln für das Innenstadtentwicklungskonzept gesehen. Die Einbeziehung privater Grundstücke in das Innenstadtentwicklungskonzept sah die Stadt als notwendig, denn erste Planungen sollten eigentümerunabhängig aufgestellt werden. Würde man wichtige Flächen einfach herausnehmen, wenn der Eigentümer in der ersten Reaktion nicht verkaufsbereit ist, entstehe eine Flickschusterei statt eine in sich geschlossenen Planung. Aus der Innenstadtentwicklung würde eine „halbe“ Innenstadtentwicklung, so die Begründung der Stadt.
Die Stadt erklärte allen Eigentümern, eine „einvernehmliche Einigung“ mit den Grundstückseigentümern zu erzielen. Doch die Firma Muhr und Söhne am Kölner Tor signalisierte von Anfang an, nicht verkaufen zu wollen. Sie klagte im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegen die Sanierungssatzung der Attendorner Innenstadt. Durch die Einbeziehung ihres Grundstückes darf dieses ohne die Zustimmung der Stadt weder verkauft, beliehen oder bebaut werden.
Jetzt bekam das Unternehmen Recht und die Richter in Münster legten gleich noch nach. Neben Verfahrensfehlern wird auch bemängelt, dass dem Rat durch die Verwaltung nicht alle Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien. Das sorgte für Unmut in der Ratssitzung.