„Keine vernünftigen, sachlichen Argumente gegen Kompaktmasten”
Neue Stromtrasse: Stellungnahme des Bundesverbands
- Attendorn, 14.09.2018
Attendorn. Der Netzbetreiber Amprion hat seine Pläne für die neue Höchstspannungsfreileitung noch einmal erläutert und dabei auch die geplante Verwendung der gängigen Stahlgittermasten bekräftigt. Das sorgt weiterhin für Unmut bei Bürgern, Anwohnern und Kommunalpolitikern. Der Bundesverband Kompaktmasten, der nach eigenen Angaben mit neuen, schlankeren Masten die Akzeptanz für den Bau neuer Freilandleitungen verbessern, meldet sich nun ebenfalls mit einer Stellungnahme zu Wort.
Sehr richtig, denkt man sich und wundert sich im selben Moment, warum von diesen schönen Worten nur so wenig in der Praxis zu spüren ist.
Das beste Beispiel dafür ist die aktuelle Situation in Attendorn. Da die Stromleitung Kruckel - Dauersberg dort in einem ungewöhnlich schmalen Korridor mitten durch Wohngebiete läuft und die über 60 Meter hohen 380-kV-Stahlgitter-Donaumaste, die anstelle der beiden 220-kV- und 110-kV-Maste geplant sind, die unmittelbaren Anwohner erheblich belasten und das Stadtbild in Zukunft entscheidend prägen werden, baten das Rathaus und die Bürgerschaft, den Einsatz von Kompaktmasten, das heißt emissionsärmerer und optisch anspruchsvollerer Vollwandmaste, zu prüfen. Doch die Amprion zeigte nicht das geringste Verständnis für diesen Wunsch und verweigerte bisher jedes konstruktive Gespräch mit dem Bundesverband Kompaktleitung, der von den Bürgern um Rat und Unterstützung herangezogen wurde.
Sie beginnen schon mit der Frage, was überhaupt ein `Kompaktmast´ ist. Da ihn niemand genau zu definieren scheint und es eine Vielzahl von Entwürfen gibt, die alle irgendwie unter der Rubrik “Kompaktmaste” subsummiert werden, kann sich jeder unter ihm vorstellen, was er gerne möchte und seine Argumentation darauf ausrichten.
Es mag ja durchaus sein, daß es Maststudien gibt, auf die man die Einwände von Herrn Preuß beziehen kann, doch auf den jetzt in Attendorn diskutierten Kompaktmast treffen sie ganz sicher nicht zu. Dafür genügt schon ein kurzer Blick auf die Fotomontage, die ich zur Trasse in Osterschlah ausarbeitete und in der Anlage nochmals beifüge.
Das immer wieder vorgetragene Argument der Netzbetreiber, es handele sich bei Kompaktmasten um eine völlig neue Technologie, für die es noch keine Erfahrungen gebe und die erst in einem Pilotprojekt gesammelt werden müssten, ist im Fall des Attendorner Mastes schlicht falsch. Denn bei ihm wurden lediglich der Stahlgitter- durch einen Vollwandmastschaft ersetzt und die Obergurte der Traversen überarbeitet. Ihre Unterseite mit den Isolatorenketten und der Seilaufhängung, und das heißt, ihre eigentliche Technik bleibt die gleiche wie bei herkömmlichen Stahlgittermasten.
Je nach Grad der Verschwenkung kann er an seiner Basis einen Durchmesser bis zu 3,70 Meter annehmen. An seiner Spitze, in 60 Metern Höhe beträgt er nach Berechnungen des Mastherstellers Europoles allerdings nur noch 1,50 Meter. Der obere Mastschaft und besonders die Traversen des Amprion-Winkelabspannmasts sind somit überdimensioniert, und die in der Projektpräsentation abgebildete Freileitung könnte auch einen ganz anderen Eindruck vermitteln, wenn ihre Maste auf das statisch Notwendige reduziert und besser proportioniert wären.
Die Frage, die sich nach all dem geradezu aufdrängt, ist nun: Wenn es keine vernünftigen, sachlichen Argumente gegen den Bau von Kompaktmasten in Form eines Vollwandmasts mit Gittertraversen gibt, warum verschließen sich die Netzbetreiber dann noch derart hartnäckig einem besseren Mastdesign? Wieso passen sie sich nicht den gewachsenen Ansprüchen der Gesellschaft an und tragen so im eigenen Interesse zu einem schnelleren Netzausbau bei?
Darum bedarf es des beständigen Drucks einer engagierten Bürgerschaft und Politik, um auf diesen sträflich vernachlässigten Aspekt hinzuweisen. Denn es ist ja in der Tat ein Phänomen, daß sich eine Branche, die so öffentlich sichtbar und landschaftsprägend ist, nicht im geringsten um das Aussehen ihrer Produkte kümmern muß.
Der Appell, der schon von unzähligen Bürgerinitiativen entlang neuer Stromleitungen und jetzt auch aus Attendorn an die Netzbetreiber geht, lautet darum, dass sie sich bitte nicht nur der Versorgungssicherheit, die zweifellos oberste Priorität besitzt, verpflichtet fühlen, sondern auch ihrer Verantwortung für den Erhalt eines möglichst unzerstörten Landschaftsbildes und eines lebenswerten, menschlichen Wohnumfeldes bewußt sein sollten, um im Sinne des eingangs erwähnten Zitats die bestmöglichen Lösungen für neue Trassen zu entwickeln`."
Hans-Jochen Hilsberg
Mitglied im Bundesverband Kompaktleitung