„Keine vernünftigen, sachlichen Argumente gegen Kompaktmasten”

Neue Stromtrasse: Stellungnahme des Bundesverbands


So sollen Vollwandmasten nach Vorstellung des Bundesverbands Kompaktleitungen aussehen. von Bundesverband Kompaktleitungen
So sollen Vollwandmasten nach Vorstellung des Bundesverbands Kompaktleitungen aussehen. © Bundesverband Kompaktleitungen

Attendorn. Der Netzbetreiber Amprion hat seine Pläne für die neue Höchstspannungsfreileitung noch einmal erläutert und dabei auch die geplante Verwendung der gängigen Stahlgittermasten bekräftigt. Das sorgt weiterhin für Unmut bei Bürgern, Anwohnern und Kommunalpolitikern. Der Bundesverband Kompaktmasten, der nach eigenen Angaben mit neuen, schlankeren Masten die Akzeptanz für den Bau neuer Freilandleitungen verbessern, meldet sich nun ebenfalls mit einer Stellungnahme zu Wort.


„In einer Pressemitteilung der Amprion, die sie anlässlich der Netzreise des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier veröffentlichte, sagt Herr Dr. Hans-Jürgen Brick, ihr kaufmännischer Geschäftsführer, dass “wir von Berlin bis in die Rathäuser vor Ort ein gemeinsames Verständnis bräuchten, (…) um im Dialog mit der Bevölkerung die bestmöglichen Lösungen für neue Trassen zu entwickeln.” 

Sehr richtig, denkt man sich und wundert sich im selben Moment, warum von diesen schönen Worten nur so wenig in der Praxis zu spüren ist. 

Das beste Beispiel dafür ist die aktuelle Situation in Attendorn. Da die Stromleitung Kruckel - Dauersberg dort in einem ungewöhnlich schmalen Korridor mitten durch Wohngebiete läuft und die über 60 Meter hohen 380-kV-Stahlgitter-Donaumaste, die anstelle der beiden 220-kV- und 110-kV-Maste geplant sind, die unmittelbaren Anwohner erheblich belasten und das Stadtbild in Zukunft entscheidend prägen werden, baten das Rathaus und die Bürgerschaft, den Einsatz von Kompaktmasten, das heißt emissionsärmerer und optisch anspruchsvollerer Vollwandmaste, zu prüfen. Doch die Amprion zeigte nicht das geringste Verständnis für diesen Wunsch und verweigerte bisher jedes konstruktive Gespräch mit dem Bundesverband Kompaktleitung, der von den Bürgern um Rat und Unterstützung herangezogen wurde.
“Zweifelhafte Bahauptungen”
Nachdem das Unternehmen nun auch erklärte, dass es keinen Vertreter zu einer Informationsveranstaltung am 17. September senden werde, sofern irgend jemand aus dem Verband eingeladen würde, bleibt mir als einem seiner Mitglieder bedauerlicherweise nur die Möglichkeit, mich mit dieser E-Mail an Sie zu wenden, um zu den recht zweifelhaften Behauptungen Stellung zu nehmen, die Herr Preuß, der Amprion-Pressesprecher, gegenüber zwei Tageszeitungen und Herr Hammes bei seiner jüngsten Projektpräsentation äußerte, und einige Unklarheiten auszuräumen.

Sie beginnen schon mit der Frage, was überhaupt ein `Kompaktmast´ ist. Da ihn niemand genau zu definieren scheint und es eine Vielzahl von Entwürfen gibt, die alle irgendwie unter der Rubrik “Kompaktmaste” subsummiert werden, kann sich jeder unter ihm vorstellen, was er gerne möchte und seine Argumentation darauf ausrichten.

Es mag ja durchaus sein, daß es Maststudien gibt, auf die man die Einwände von Herrn Preuß beziehen kann, doch auf den jetzt in Attendorn diskutierten Kompaktmast treffen sie ganz sicher nicht zu. Dafür genügt schon ein kurzer Blick auf die Fotomontage, die ich zur Trasse in Osterschlah ausarbeitete und in der Anlage nochmals beifüge.
Mehr als zwei Stromkreise möglich
Selbstverständlich kann der Mast mehr als zwei Stromkreise aufnehmen und lassen sie sich aufgrund der eingehaltenen Sicherheitsabstände einzeln abschalten. Die unteren Leiterseile haben dieselbe Höhe wie beim Gittermast der Amprion, und folglich sind auch die Abstände zwischen den Masten und ihre Standpunkte völlig identisch.
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Hinsichtlich der Besteigbarkeit und Wartung des Masts gibt es gleichfalls keine Nachteile, wie sich unschwer erkennen läßt. Ein Vollwandmast ist im Gegenteil wartungsärmer und langlebiger als eine Stahlgitterkonstruktion, ebenso wie die neugestalteten und über die Leiterseile hinausragenden Traversen einen zusätzlichen Schutz bei Montagearbeiten bieten.

Das immer wieder vorgetragene Argument der Netzbetreiber, es handele sich bei Kompaktmasten um eine völlig neue Technologie, für die es noch keine Erfahrungen gebe und die erst in einem Pilotprojekt gesammelt werden müssten, ist im Fall des Attendorner Mastes schlicht falsch. Denn bei ihm wurden lediglich der Stahlgitter- durch einen Vollwandmastschaft ersetzt und die Obergurte der Traversen überarbeitet. Ihre Unterseite mit den Isolatorenketten und der Seilaufhängung, und das heißt, ihre eigentliche Technik bleibt die gleiche wie bei herkömmlichen Stahlgittermasten.
Amprion soll bewusst “dickere” Masten gezeigt haben
Um schließlich noch das Argument einer besseren Gestaltung zu entkräften, das vor allem für Kompaktmaste spricht, gab sich Herr Hammes in seiner Projektpräsentation am 30.8. und 3.9.2018 die allergrößte Mühe, die Vollwandmaste, die sein eigenes Unternehmen Anfang des Jahres an der holländischen Grenze errichtete, in einem möglichst schlechten Licht erscheinen zu lassen. In dieser Absicht zeigte er nicht etwa die in der Mehrzahl verwendeten und sehr schlank wirkenden Tragmaste, für die ich Ihnen ebenfalls ein Foto beilege, sondern stets nur Winkelabspannmaste, die immer dann eingesetzt werden, wenn eine Stromleitung ihre Richtung ändert und aufgrund der dabei auftretenden, enormen horizontalen Zugkräfte natürlich einen stärkeren Mastschaft haben müssen.

Je nach Grad der Verschwenkung kann er an seiner Basis einen Durchmesser bis zu 3,70 Meter annehmen. An seiner Spitze, in 60 Metern Höhe beträgt er nach Berechnungen des Mastherstellers Europoles allerdings nur noch 1,50 Meter. Der obere Mastschaft und besonders die Traversen des Amprion-Winkelabspannmasts sind somit überdimensioniert, und die in der Projektpräsentation abgebildete Freileitung könnte auch einen ganz anderen Eindruck vermitteln, wenn ihre Maste auf das statisch Notwendige reduziert und besser proportioniert wären. 

Die Frage, die sich nach all dem geradezu aufdrängt, ist nun: Wenn es keine vernünftigen, sachlichen Argumente gegen den Bau von Kompaktmasten in Form eines Vollwandmasts mit Gittertraversen gibt, warum verschließen sich die Netzbetreiber dann noch derart hartnäckig einem besseren Mastdesign? Wieso passen sie sich nicht den gewachsenen Ansprüchen der Gesellschaft an und tragen so im eigenen Interesse zu einem schnelleren Netzausbau bei?
“Es bedarf des ständigen Drucks”
Die Gründe liegen zum einen im Beharrungsvermögen eines riesigen Industriekomplexes von den Ausmaßen der vier großen Netzbetreiber und zum andern ganz einfach in dem Umstand, dass Techniker die Dinge nun einmal unter einem technischen Blickwinkel sehen und so nicht einsehen können, warum sie von ihrer über Jahrzehnte eingeübten Bauweise abweichen sollten. Eine ansprechendere Gestaltung spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, frei nach dem Motto: Die Geschmäcker sind eben verschieden. 

Darum bedarf es des beständigen Drucks einer engagierten Bürgerschaft und Politik, um auf diesen sträflich vernachlässigten Aspekt hinzuweisen. Denn es ist ja in der Tat ein Phänomen, daß sich eine Branche, die so öffentlich sichtbar und landschaftsprägend ist, nicht im geringsten um das Aussehen ihrer Produkte kümmern muß.
“Verantwortung für das Landschaftsbild”
Um zu ermessen, welches Potential sie aber haben könnten, braucht man sich nur vorzustellen, wie sich unsere Landschaft wohl verändern würde, wenn umgekehrt alle Windkraftanlagen Stahlgittermaste hätten oder alle Autobahnbrücken noch Stahlgitterkonstruktionen wie aus dem 19. Jahrhundert wären. Doch während die schönsten Brücken alljährlich preisgekrönt werden, dürfen Strommaste so hässlich sein, wie sie wollen. 

Der Appell, der schon von unzähligen Bürgerinitiativen entlang neuer Stromleitungen und jetzt auch aus Attendorn an die Netzbetreiber geht, lautet darum, dass sie sich bitte nicht nur der Versorgungssicherheit, die zweifellos oberste Priorität besitzt, verpflichtet fühlen, sondern auch ihrer Verantwortung für den Erhalt eines möglichst unzerstörten Landschaftsbildes und eines lebenswerten, menschlichen Wohnumfeldes bewußt sein sollten, um im Sinne des eingangs erwähnten Zitats die bestmöglichen Lösungen für neue Trassen zu entwickeln`."

Hans-Jochen Hilsberg
Mitglied im Bundesverband Kompaktleitung 
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