In Deutschland unerkannt, auf der Insel beliebt

Ex-Fußballprofi Moritz Volz erzählt beim SV Attendorn von seiner Karriere


  • Attendorn, 19.04.2016
  • Von Philipp Thöne
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    Philipp Thöne

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Moritz Volz, einst in der Premier League für den FC Arsenal und den FC Fulham am Ball, las aus seinem Buch „Unser Mann in England“ vor. von s: Philipp Thöne
Moritz Volz, einst in der Premier League für den FC Arsenal und den FC Fulham am Ball, las aus seinem Buch „Unser Mann in England“ vor. © s: Philipp Thöne

Wo am Wochenende normalerweise Zuschauer und Spieler des SV Attendorn zusammensitzen und über Fußball diskutieren, saß am Montagabend, 18. April, ein ehemaliger Fußballprofi: Moritz Volz saß vor der Theke des Clubhauses und las aus seinem Buch „Unser Mann in England“ vor. In zweimal 45 Minuten plus Nachspielzeit erzählte der heute 33-jährige Siegener, warum Günther Jauch ihn zum Thema einer ganzen Sendung machte, über seine Zeit in England, seinen Werdegang zum Profi und über Jürgen Klopp im Moritz-Volz-Trikot.


Im ersten Teil seiner Lesung sprach Volz über seine turbulente Jugend, über die Zeit, in der er als eines der größten Talente im deutschen Fußball gegolten hatte: Als 15-Jähriger wechselte er 1998 von den Sportfreunden Siegen zum FC Schalke 04. Gleichzeitig wurde er Kapitän der deutschen Jugendnationalmannschaft - und damit zum Objekt der Begierde für europäische Top-Clubs. Neben anderen Vereinen bemühte sich auch der FC Arsenal um die Unterschrift des hochgehandelten Talents. Und schließlich kam der große Sprung für Moritz Volz: Der Nachwuchskicker, der bei der SpVg Bürbach das Fußballspielen gelernt hatte, absolvierte ein Probetraining bei den „Gunners“. Einem der absoluten Topclub nicht nur der Premiere League, sondern weltweit. Unter den Augen der Trainerlegende Arséne Wenger. Und in den Fußballschuhen des schwedischen Stars und Frauenschwarms Fredrik Ljungberg. Volz hatte nämlich seine eigenen Stollenschuhe vergessen.
In den zwei Monaten zwischen Probetraining und Vertragsunterschrift bekam der damals 16-jährige bereits die gesamte mediale Macht zu spüren: „Bild“-, „Spiegel“- und „Welt“-Reporter klingelten Sturm, verdrehten Aussagen und stellten ihn und seinen Vater als skrupellos und geldgierig dar. Ein 15-jähriger Deutscher, der bereits einen millionenschweren Vorvertrag für einen englischen Fußballverein unterzeichnen sollte, war damals ein absolutes Novum. Selbst Günther Jauch lud Moritz und seinen Vater damals in seine Talkrunde ein, um mit ihnen über den „modernen Menschenhandel“ zu diskutieren. Mit diesem Rückblick endete Teil eins der Lesung.
„Der Deutsche, der die Engländer zum Lachen bringt“
Nach der „Halbzeitpause“, in der der SV Attendorn die Gäste mit kühlen Getränken und Bratwürsten versorgt hatte, erzählte Volz von seiner Gastfamilie in London, die den Siegerländer gemeinsam mit drei weiteren Arsenal-Youngsters damals aufgenommen hatte. Der Umgang der Gasteltern mit den potentiellen Superstars sei immer so gewesen, wie man halt versuchte, junge Männer zum Fußballprofi zu erziehen, so Volz: „Nett und freundlich, aber immer ein Stück weit distanziert.“
Zwar schaffte es das vielversprechende Talent nicht, sich als Stammspieler bei Arsenal London zu etablieren. Allerdings habe er zu Beginn seiner Karriere viel von Weltstars wie Stürmer Thierry Henry, Linksverteidiger Ashley Cole oder Flügelstürmer Dennis Bergkamp lernen können. Beim FC Fulham schließlich fasste Volz von 2003 bis 2009 nicht nur Fuß, sondern spielte sich in die Herzen der Fans. Als Kolumnist für die „Times“ kam er zu weiterer Berühmtheit: Volz wurde „der Deutsche, der die Engländer zum Lachen bringt“ und schaffte es als „Kraut“ in die Herzen der Engländer.
Wie Arjen Robben zum Alptraum wurde
Die WM 2006 in seinem Heimatland verpasste Volz nur knapp. Auch wegen Arjen Robben, dem heutigen Bayern-Star. Der lief damals noch für den FC Chelsea auf und war in einem Ligaspiel Volz´ direkter Gegenspieler. Ausgerechnet in dieser Partie war der Niederländer nicht zu bremsen, spielte Volz immer wieder Knoten in die Beine. Bis heute vermutet Volz, dass ihn diese Partie einen Einsatz im darauffolgenden Testspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Kamerun kostete. Und damit die WM-Teilnahme, denn es blieb bei seiner Nominierung für den vorläufigen Kader. Volz zählte letztendlich zu den Spielern, die der damalige DFB-Coach Jürgen Klinsmann vor der Weltmeisterschaft strich.
Und so erlebte Volz das „Sommermärchen“ der Klinsmann-Kicker, das im Halbfinale gegen Italien (0:2) und schließlich mit Platz drei nicht das ganz große Happy End fand, auf der Terrasse seiner Eltern in Bürbach. Er schlüpfte in die Rolle des Fans bei acht verschiedenen WM-Spielen und beim Public Viewing. Immer mit dabei hatte er sein Sammelbildchen-Album, in dem er Autogramme seiner Kollegen sammelte, die für ihre Länder um den Titel spielten. Da Volz in Deutschland der „Mann mit Namen, aber ohne Gesicht“ war, habe er sein Fan-Dasein nahezu vollkommen anonym genießen können. So schaute er sich während seiner WM-Reise mit Jürgen Klopp ein Spiel an, der das Trikot von Moritz Volz vom FC Fulham trug. Vermeintliche Fußballexperten diskutierten mit Klopp, der damals für das ZDF Spiele analysierte, darüber, ob Klinsmann Volz zur WM hätte mitnehmen müssen – ohne den danebenstehenden Volz zu erkennen.
Kontroverse zum Thema „Retortenvereine“
In der Nachspielzeit seiner Vorlesung stellte sich der bodenständige Profi, der nach seiner Zeit in England zum FC St. Pauli wechselte und seine Profilaufbahn nach vielen schweren Verletzungen bei den Münchener Löwen beendete, den Fragen der Gästen im vollen Clubhaus des SV Attendorn. Tom Kleine, Hobby-Experte in Sachen englischer Fußball, moderierte den von „KulturA Attendorn“ organisierten Abend, launig. Lediglich bei der Frage, ob man als Fußballprofi ein Angebot von einem „Retortenverein“ wie Red Bull Leipzig annehmen dürfe, waren Gast und Gastgeber konträrer Meinung. Doch spätestens nachdem Moritz Volz von Tom Kleine das neue Panini-Fußballheft zur EM 2016 als Dankeschön für die spannende Lesung erhielt, war die kleine Meinungsverschiedenheit vergessen. Und dann wurde auch schon wieder lebhaft diskutiert: über das englische Wetter, die englische Spielergewerkschaft und die unterschiedlichen Fankulturen in England und Deutschland. Über Fußball eben.
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